Challenge accepted! - Warum Social-Media-Challenges immer gefährlicher werden

Zwei Jugendliche, welche in der Selfiekamera eines Handys zu sehen sind.

Immer mehr Jugendliche nehmen an viralen Social-Media-Trends, auch Challenges genannt teil. (Quelle: Canva)

Egal ob Ice Bucket, Planking, Superman oder Hot Chip, Social-Media-Challenges sind ein Phänomen, das es schon seit einigen Jahren gibt. Auffällig ist in letzter Zeit, dass die Challenges teils immer gefährlicher werden und es vermehrt zu Unfällen in Verbindung mit solchen Trends kommt.

In den vergangenen Wochen gab es beispielsweise vermehrt Berichte darüber, dass sich Kinder und Jugendliche bei der sogenannten Superman-Challenge verletzten. Bei der Aktion springt eine Person in Superman-Pose in die Arme der Fänger:innen und lässt sich zurückkatapultieren. Dabei kann es jedoch zu Verletzungen kommen, wenn die Kinder und Jugendlichen nicht richtig gefangen werden und dann mit dem Gesicht zuerst auf dem Boden aufschlagen.

Eine weitere beliebte Challenge auf Social-Media war die Hot Chip Challenge, bei welcher Jugendliche einen extrem scharfen Chip aßen, um sich vor Gleichaltrigen zu beweisen. Erstmals wurde die Aktion 2016 vom Hersteller Pacqui und PuckerButt Pepper ins Leben gerufen. Nachdem ein 14-Jähriger 2023 an den Folgen der Challenge verstarb, wurde das Produkt zurückgerufen. Dennoch gibt es weitere Vorfälle, wie 2023 in Euskirchen, bei dem Kinder und Jugendliche nach dem Verzehr ähnlicher Chips notärztlich betreut werden mussten.

Immer wieder kommt es vor, dass Kinder und Jugendliche sich bei der Teilnahme an Social-Media-Challenges verletzen oder anderweitig in Gefahr bringen. Worin besteht also der Reiz an diesen Trends und was können Lehrkräfte tun, um Schüler:innen zu schützen?

Challenges: Mutproben der heutigen Generation 

Social-Media-Challenges gibt es in den unterschiedlichsten Formen. Was sie jedoch alle gemeinsam haben ist, dass man versucht, einen Trend nachzumachen und dadurch möglichst viele Klicks und Likes zu bekommen. 

Grundsätzlich sind diese Challenges auch kein neues Phänomen. Sie sind lediglich eine Erweiterung der Mutproben, welche sicher jeder aus der eigenen Kindheit kennt. Während Kinder früher auf Bäume kletterten oder mit viel Überwindung von einem Vorsprung sprangen, um sich vor ihren Freund:innen zu beweisen, haben sich diese Mutproben irgendwann in die digitale Welt verlagert und erreichen so ein viel größeres Publikum. In den frühen 2000ern wurden Jackass mit ihren lustigen, aber auch teils gefährlichen Stunts berühmt. Heutzutage sind die Challenges weniger aufwändig und relativ einfach zu Hause nachzumachen. Man tanzt einen viralen TikTok-Tanz nach oder isst etwas besonders Ekliges. Häufig sind die Trends harmlos und unterhaltsam anzusehen.

Eine der ersten viralen Challenges in den sozialen Netzwerken war 2014 die Ice Bucket Challenge, welche auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam machen sollte. Dabei übergossen sich die Teilnehmenden mit einem Eimer kaltem Wasser und stellten ein Video davon online.  Im Anschluss wurden weitere Personen zur Teilnahme nominiert. Auch viele Prominente wie Taylor Swift nahmen teil und sorgten so für noch mehr Aufmerksamkeit.

Es wird also deutlich, nicht jede Challenge muss besonders schwer oder gefährlich sein, um Erfolg zu haben. Viel wichtiger ist es eigentlich, eine gute Idee zu haben und diese auf unterhaltsame Weise umzusetzen. Wie kommt es also, dass es immer mehr und immer gefährlichere Aktionen gibt, die zu tausenden geliked, geteilt und nachgeahmt werden? 

Warum werden die Challenges immer extremer?

Jugendliche trinken kochend heißes Wasser oder essen Waschmittel Pods. Das hat nichts mehr mit harmlosen Tänzen oder Ähnlichem zu tun. Das ist offensichtlich gefährlich und kann zu schweren Verbrennungen bzw. Vergiftungen führen. Warum machen Kinder und Jugendliche also bei solchen Aktionen mit?

Mittlerweile gibt es unzählige Videos von Challenges auf allen möglichen Plattformen. Viele Menschen nehmen teil und stellen das ganze ins Netz. Man muss sich also gegenseitig überbieten, sonst ist es nichts Besonderes mehr. Dazu kommt die sogenannte imaginierte Zuschauerschaft.

Die Bestätigung, die man früher direkt durch das Beeindrucken der eigenen Freund:innen hatte, fehlt inzwischen. Man weiß nicht, ob das, was man online stellt, den Zuschauenden denn auch tatsächlich gefällt. Das führt zu Unsicherheiten und dazu, dass man eher die eigenen Grenzen überschreitet und Dinge tut, von denen man weiß, dass sie gefährlich werden können. 

Dazu kommt, dass es in der Masse von existierenden Challenges schwerfällt, zu filtern, was noch lustig ist und was gefährlich werden kann. Außerdem verleitet das wiederholte Ansehen solcher Videos dazu, es selbst auch ausprobieren zu wollen. Wenn dann noch Prominente beteiligt sind, wie beispielsweise Pietro Lombardi und Sido bei der Hot Chip Challenge, erkennen Jugendliche oft nicht die Gefahr. Etwas, was von so vielen Menschen, sogar von berühmten Vorbildern gemacht wird, erscheint nicht riskant, sondern plötzlich cool und trendig.

Welche Gefahren bergen Challenges?

Einige Challenges sind ganz offensichtlich gefährlich, wie die Angel of Death Challenge, bei der man vor einen fahrenden LKW springt. Andere Gefahren durch Online-Trends sind jedoch nicht so leicht zu erkennen. 

Die Saarländische Verbraucherzentrale warnt beispielsweise vor der Hot-Chip-Challenge, da diese Chips durch ihre extreme Schärfe von 1,8 bis 2,2 Millionen Scoville die Schleimhäute in Mund, Magen und Darm stark reizen und außerdem Übelkeit und teilweise Atemnot verursachen können. Dass man sich durch den Verzehr eines Chips selbst in Gefahr bringt oder sogar sterben kann, ist vielen Kindern und Jugendlichen nicht bewusst. 

Ähnlich ist es bei der Deo-Challenge. Bei dieser wird Deo so lange auf eine Hautstelle gesprüht, wie es auszuhalten ist. Das führt zu Schädigungen der Haut durch extreme Kälte oder zu Verätzungen. In einer zweiten Variante wird sogar dazu aufgefordert, das Deo einzuatmen, was die Atemwege schädigt und im schlimmsten Fall zu Herzversagen und Atemlähmung führen kann. Auch durch diesen Trend starben bereits Kinder.

Wie sollte man mit Schülern über gefährliche Challenges sprechen?

Um mit Kindern und Jugendlichen über gefährliche Internetphänomene zu sprechen, sollte man sich zuerst selbst informieren. Das ist natürlich auf den einschlägigen Plattformen wie TikTok, Instagram und Co. möglich, aber auch über die klassischen Medien. Viele große Medienhäuser berichteten in der Vergangenheit beispielsweise über Todesfälle bei besonders gefährlichen Challenges, aber auch die offiziellen Seiten der Polizei warnen teilweise vor den Trends. 

Versucht herauszufinden, was gerade besonders beliebt ist und sprecht mit euren Schüler:innen darüber. Vermutlich können sie euch auch noch mehr Informationen liefern, als ihr selbst gefunden habt. Versucht in ein Gespräch zu kommen und zu erfahren, was die Kinder und Jugendlichen bewegt. Welche Challenges haben sie gesehen, vielleicht haben sie selbst schon mal an etwas teilgenommen oder überlegen es noch zu tun. In diesem Fall bietet es sich an, gemeinsam Videos der besagten Challenge anzusehen und zu überlegen, ob diese gefährlich werden kann. 

Auch die Frage, welche Konsequenzen es haben kann, die Teilnahme an einem Trend zu verweigern, kann sinnvoll sein. Die Schüler:innen brauchen die Sicherheit, dass jemand zu ihnen steht, auch wenn sie sich nicht dem Druck unterordnen, an einem Trend teilzunehmen. Außerdem hilft es, über Ängste und Sorgen zu sprechen und einfach ein offenes Ohr zu haben. 

Auch Alternativen zu gefährlichen Challenges können helfen. Der YouTuber und TikToker Aditotoro (bürgerlich Adrian Vogt) startete beispielsweise gemeinsam mit zwei anderen Influencern eine 100K-Schritte-Challenge. Gemeinsam starteten sie den Versuch, 100.000 Schritte in 24 Stunden zu laufen. Dabei begleiteten sie live tausende Zuschauer:innen im Stream. Obwohl sie die Aktion nach ca. 85.000 Schritten wegen Erschöpfung abbrechen mussten, war das Projekt ein Erfolg. Das entsprechende Video auf YouTube hat mittlerweile fast 1 Mio. Aufrufe. Adrian Vogt sagt, es komme nicht darauf an, eine gefährliche Challenge zu machen. Eine gute Idee sei viel wichtiger.

Gemeinsam mit euren Schüler:innen könnt ihr euch also überlegen, welche Challenge man gegebenenfalls statt eines gefährlichen viralen Trends machen könnte. Hier kann man kreativ werden und viele Ideen sammeln. Wie wäre es beispielsweise mit einer Lese-Challenge, wer die meisten Bücher im Monat liest? 

Am Ende wird deutlich: Im Netz kursieren unzählige Challenges, die meisten davon lustig und absolut harmlos. Dennoch muss man über potenzielle Gefahren aufklären und gemeinsam Alternativen suchen. Sprecht mit euren Schüler:innen über ihre Erfahrungen und habt ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste. Und am Ende zählt, nicht das gefährlichste Video hat den meisten Erfolg, sondern das mit der besten Idee und der kreativsten Umsetzung.

Anzeige

Mehr zum Thema

Mehr vom Autor

Neuste Artikel

Kommentare

Zurück nach oben Icon
No items found.