“Glück” in Asien und Europa: Welchen Einfluss hat die Leistungskultur?

Auf einem Globus ist Asien zu sehen

Vor einigen Tagen hat Lehrer News übe die Ergebnisseder aktuellen PISA-Studie berichtet, die durch pandemiebedingte Verzögerungen am  vierten April 2022 begonnen hat. Die Studie wurde von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD. Sie vergleicht weltweit die durchschnittlichen schulischen Kompetenzen von 15-Jährigen Schüler:innen, vorwiegend in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Basierend auf diesen Ergebnissen legt die Erhebung fest, wie die Schüler:innen der beteiligten Staaten auf das spätere Leben vorbereitet werden.

Ostasien liegt bei PISA deutlich vorn

Überblick der PISA-Ergebnisse von 2018.
Quelle: Heise

Vor allem ostasiatische Länder schneiden jedes Mal in den drei Kompetenzbereichen der PISA-Studie sehr gut ab. Wie aus den Hauptergebnisse aus dem Jahr 2018 hervorgeht (siehe Grafik), haben dort die Volksrepublik China, Singapur, Macau und Hongkong die höchsten Ergebnisse erhalten. Auch Südkorea, Japan und Taiwan liegen weit vorne.

Diese Resultatelassen sich nicht nur auf die Bildungssysteme, sondern auch auf die vielfältigen Leistungskulturen der jeweiligen Länder zurückführen. Unter dem Begriff wird eine ethische Haltung bezeichnet, die auf Vertrauen, Fehlertoleranz und Ergebnisorientierung gebaut ist, um daraus eine starke Leistungsfähigkeit zu ziehen. Solch eine Leistungskultur kann viele positive Aspekte hervorbringen, wie unter anderem Erfolgs- oder Konkurrenzwillen. Dabei können mit einer solchen auch negative Folgen einhergehen – wie zum Beispiel ein beklemmender Leistungsdruck, der Betroffene oft unter Stress setzt.

Chinas Bildungssystem zählt als das erfolgreichste unter den PISA-Studien

Chinesischsprachige Länder dominieren die vorderen Plätze der PISA-Erhebungen, an erster Stelle steht jedoch meist die Volksrepublik China.

Das liegt nicht zuletzt an ihrem Bildungssystem. Traditionell genießt die Förderung von Bildung in der chinesischen Kultur einen hohen Stellenwert. Auch heute noch spielt die Verankerung von Bildung bei Schüler:innen eine große Rolle. Seit den 1980er Jahren hat die Hochschulbildung in der Volksrepublik China eine Reihe von Reformen durchlaufen – diese nahmen im Jahr 2000 Fahrt auf. Die Anzahl der Absolvent:innen ist damit von 1 Millionen im Jahr 2000 auf 7 Millionen im Jahr 2007 gestiegen. Menschen weltweit werden heutzutage von den Bildungseinrichtungen der Volksrepublik angezogen, jedes Jahr studieren mehr als 200.000 Auslandsstudenten in der Volksrepublik China.

Die Bildungskosten sind im Vergleich zu Ländern, wie dem Vereinigten Königreich oder den USA, auch für sozial schwache Haushalte leichter zu schultern, Bücher und zusätzliche Lebenskosten sind Gegenstand staatlicher Subventionen. Damit wurde in den letzten Jahrzehnten das Ausrollen qualitativer Flächenbildung in der Breite des Landes möglich. Weiterhin achtet das chinesische Bildungssystem auf eine angemessene Anzahl an Pausen. Eine große Mittagspause, in der die Kinder auch nach Hause gehen und mit ihrer Familie essen oder ein wenig schlafen können, steht dabei im Vordergrund, aber auch kleinere Pausen verteilt über den Schulalltag sollen die körperliche und mentale Gesundheit von Schüler:innen fördern.

Wie in jedem anderen Schulsystem gibt es jedoch auch in China  Defizite. Ein starker Leistungsdruck, den viele Schüler:innen aufgrund einer bisherigen frühen Prüfungspflicht und zusätzlichen Nachhilfestunden erleiden, wird dabei oft erwähnt. So berichten viele Schüler:innen, dass sie wegen dieses Leistungsdruckes an Schlafmangel, Bauch- und Kopfschmerzen, sowie an psychosomatischen Krankheiten erleiden.  

Im Sommer letzten Jahres hat sich das chinesische Bildungsministerium jedoch dazu entschlossen, einzugreifen, und ein Verbot schriftlicher Prüfungen für Sechs- und Siebenjährige angekündigt, um den Leistungsdruck auf Kinder zu verringern. Private Nachhilfefirmen wurden aus diesem Grund, aber auch mit der Begründung  wachsender Bildungsungerechtigkeite, ebenfalls verboten.

In einem Ausschnitt aus einem Wörterbuch wird das Wort “Stress” grün markiert.

Leistungsprinzip lässt sich aus der Kultur herausfiltern – auch in Südkorea

Auch Südkorea schneidet in den Hauptergebnissen der PISA-Studien oftmals sehr gut ab. In einem Interview mit der Deutschen Welle hat Prof. Dr. Lee Eun-Jeung, Professorin für den Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften an der FU Berlin, über das Bildungs- und Leistungssystem in Südkorea, sowie über den damit verbundenen Leistungsdruck auf südkoreanische Schüler:innen, gesprochen.

Sie erklärt zunächst, dass, ähnlich wie im chinesischen Schulsystem, das koreanische Bildungssystem sich vor allem in dem Punkt der frühen Benotungen und Evaluierungen zu dem deutschen System unterscheidet. Außerdem erklärt sie, dass im Zuge dessen Kreativität in Südkorea stark gefördert wird, aber diese eben auch benotet wird.

“In Korea gehören trotz des ganzen Leistungsdrucks – oder vielleicht gerade deshalb – Kunst und Musikunterricht dazu. Die Kreativität wird gefördert, aber sie wird eben auch bewertet. Das ist das Problem”, so Lee.  

Auch private Nachhilfeschulen, genannt “Hagwon”, sind seit den 90er Jahren ein fester Bestandteil des Bildungssystems geworden. Gesellschaftlich und politisch wird ihr Beitrag zum Leistungsdruck der koreanischen Schüler:innen schon seit Jahrzehnten debattiert. “In Korea gibt es diese Diskussion eigentlich so lange ich zurückdenken kann. In den 1980er Jahren hatte der Präsident versucht, gegen den Privatunterricht vorzugehen. […] Aber trotz dieser großen politischen und gesellschaftlichen Debatte hat keiner eine Lösung – das ist das Problem”, erklärt Lee.

Obwohl der Unmut und der Leistungsdruck ein reales Problem der koreanischen Schüler:innen ist, werde laut Lee dabei teilweise auch überdramatisiert. Viele der Schüler:innen seien in ihrem Schulalltag nicht so frustriert sind, wie oftmals berichtet wird.

Hände halten ein gelbes Papier hoch, das einen lächelnden Smiley zeigt.

Was bedeutet “Glück” überhaupt?

Im Rahmen unserer Themenwoche Glück, die sich heute dem Ende neigt, möchte Lehrer News nun noch einmal im Vergleich zu den verschiedenen Bildungssystemen und dem Leistungsdruck über die Definition von Glück sprechen, und wie diese abhängig ist von der jeweiligen Gemeinschaft und Kultur.

Der Leistungsdruck in ostasiatischen Ländern ist ein reales Problem, das viele Schüler:innen betrifft und bedrückt. Jedoch bedeutet dies nicht per se,dass südkoreanische oder chinesische Schüler:innen unglücklicher sind.

Das Konzept von Glück in westlichen Staaten der Welt ist auch von westlichen Ideen und westlicher Kultur geprägt. Nach US-amerikanischen Forschungen geht das Konzept von Glück in westlichen Staaten oftmals von einer protestantischen, egozentrischen Weltsicht aus, in der Glück als persönliche Errungenschaften definiert wird. Dieses Konzept ist aber universell nicht auf alle Länder der Welt übertragbar. Demnach steht das Glück der Gemeinschaft und ein harmonisches Miteinander in ostasiatischen Ländern eher im Mittelpunkt, was aus geschichtlicher Verbundenheit zu verschiedenen Religionen, wie zum Beispiel dem Buddhismus, hervorgeht. Das Maßstab für das Glücksempfinden unterliegt also immer auch dem jeweiligen kulturellen Kontext.

Wie definiert ihr für euch selbst das Konzept von Glück? Welche Unterschiede in der Definition von Glück existieren eurer Wahrnehmung nach in verschiedenen kulturellen Kontexten?? Weitere Artikel über das Thema Glück findet ihr hier und hier.

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