Nachteilsausgleich: Wie er funktioniert und wem er helfen kann

Eine Schülerin sitzt vor ihrem Laptop

Schüler:innen können zum Beispiel mit digitalen Mitteln unterstützt werden, wodurch ein Nachteilsausgleich hergestellt wird. (Quelle: Pixabay)

Wahrscheinlich hattet ihr in eurem Lehrberuf auch schon mindestens einmal mit dem Nachteilsausgleich zu tun. Dieser Mechanismus funktioniert allerdings zum Teil sehr individuell, deshalb wollen wir ihn hier nochmal grundlegend erklären und euch die Vielfalt der Auslegungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen. Im Kern soll dieser Mechanismus sicherstellen, dass Schüler:innen mit besonderen Bedürfnissen oder individuellen Beeinträchtigungen die gleichen Bildungschancen haben wie ihre Mitschüler:innen. Der Nachteilsausgleich soll bestehende Benachteiligungen kompensieren und eine inklusive Bildung fördern. Zum Beispiel können Schüler:innen mit Dyskalkulie durch zusätzliche Lernhilfen bei der Bearbeitung von mathematischen Themen unterstützt werden. 

Am Prinzip des Nachteilsausgleichs gibt es auch immer mal wieder Kritik. Das Leistungsprinzip würde hiermit verwaschen werden. Wichtig dabei zu beachten ist, dass der Nachteilsausgleich nicht dazu dient, die Anforderungen an die Bildung zu senken, sondern vielmehr darauf abzielt, gleiche Chancen und Zugangsmöglichkeiten zu gewährleisten. 

Welche Schüler:innen haben Anspruch auf einen Nachteilsausgleich?

Der Nachteilsausgleich ist für Schüler:innen gedacht, die es aufgrund ihrer physischen oder psychischen Voraussetzungen schwerer haben, am Unterricht teilzunehmen oder zu lernen. Zu körperlichen Beeinträchtigungen können etwa Muskelerkrankungen gehören, die die Mobilität der Schüler:innen einschränken. Genauso können Hör- und Sehschwierigkeiten die Kriterien für einen Nachteilsausgleich erfüllen. Und auch chronische Krankheiten können hierzu zählen, wenn sie etwa dazu führen, dass die Schüler:innen eine höhere Zahl an Fehltagen haben. 

Zu den weiteren Gründen für einen Nachteilsausgleich gelten Diagnosen von Lernschwierigkeiten wie Legasthenie oder Dyskalkulie. Auch psychische Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Angststörungen oder ADHS können dazu führen, dass Schüler:innen einen Nachteilsausgleich zugesprochen bekommen. Dabei bleibt immer zu beachten, dass die Absprache, Antragstellung und Ausgestaltung des Nachteilsausgleichs immer auch ein stark individueller Prozess sind. Eine Übersicht zu einer möglichen Diagnostik bei Schüler:innen bietet unter anderem das Bildungsministerium für Mecklenburg-Vorpommern.

Wie wirkt sich der Nachteilsausgleich aus?

Hier gibt es ganz unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist möglich, den betreffenden Schüler:innen zusätzliches oder speziell angepasstes Lernmaterial zur Verfügung zu stellen, mit dem sie besser am Unterricht teilnehmen können. Die Aufgaben in Klausuren können angepasst und auch die Unterrichtsmethoden können für die betreffenden Schüler:innen bedürfnisorientierter zugeschnitten werden. 

Wie wird der Nachteilsausgleich in Zeugnissen behandelt?

Der Nachteilsausgleich wird nicht auf dem Zeugnis vermerkt. Im Feld Bemerkungen wird allerdings notiert, wenn bei der Leistungsbewertung von der Norm abgewichen wurde. Ein Nachteilsausgleich kann auch damit verbunden sein, dass ein Notenschutz angewendet wird. Dieser bewirkt, dass Schüler:innen zwar benotet werden, ein bestimmtes Gebiet aber nicht in die Gesamtnote eines Fachs einbezogen wird oder dies anders gewichtet wird. Der Notenschutz kann zum Beispiel bei Legasthenie greifen. Hierbei fließt dann in verschiedenen Fächern die Rechtschreibung weniger stark oder gar nicht in die Benotung ein. Bei Schüler:innen, die etwa Probleme dabei haben, Worte zu finden oder sich sprachlich verständlich mitzuteilen, nimmt die Bedeutung von mündlichen Prüfungen bzw. einer mündlichen Beteiligung ab oder wird angepasst. 

Wie wird der Nachteilsausgleich beantragt?

Erziehungsberechtigte können den Nachteilsausgleich für ihr Kind bei der Schule oder der Ausbildungsstätte beantragen. Das Vorgehen unterscheidet sich dabei von Bundesland zu Bundesland ein wenig. Der Antrag kann zum Teil einfach mündlich mit der Direktorin oder dem Direktor vereinbart besprochen werden, empfehlenswerter ist aber ein formloser schriftlicher Antrag, um das Verfahren festhalten, um etwas vorweisen zu können, falls es zu juristischen Auseinandersetzungen kommen sollte. Die Entscheidung über den Antrag fällt dann das zuständige Schulamt. Im formlosen Antrag sollten einige entscheidende Punkte unbedingt enthalten sein. Zunächst empfiehlt es sich, den Wunsch auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs zu formulieren. Der Grund dafür sollte ausführlich beschrieben sein und die Art der gewünschten Unterstützung sollte ebenfalls schon so genau wie möglich im Schreiben enthalten sein. Es gilt: je detaillierter die Beschreibung ist, desto gezielter können Maßnahmen geplant werden. Dem Antrag muss in den meisten Fällen auch ein medizinisches Attest hinzugefügt werden. 

Wie lässt sich der Nachteilsausgleich in der Klasse thematisieren?

Um diese Frage zu klären, haben hat Lehrer News Friedo Scharf gefragt. Er ist Sonderpädagoge und Entwickler der SPLINT-App für die kollaborative Förderplanung. Er antwortet darauf:

“Dass Kinder einen Nachteilsausgleich (NTA) haben und bekommen, ist in erster Linie etwas, dass niemand sonst wissen muss. Wenn Fragen kommen oder Unverständnis von anderen Kindern geäußert wird, ist es völlig ausreichend, darauf zu verweisen, dass es immer und überall Unterschiede gibt und es auch absolut in Ordnung ist, dass nicht alle immer die gleichen Aufgaben bekommen oder die gleichen Rahmenbedingungen haben. In Absprache mit dem Kind kann man sich natürlich entscheiden, das Thema auch mit der Klasse zu besprechen. Mir ist es dann immer besonders wichtig gewesen, hervorzuheben, dass es beim NTA darum geht, vergleichbare Voraussetzungen zu schaffen. In Absprache mit dem Kind, kann man z.B. ein paar Infos zu dem Grund des NTAs zu referieren. Z.B. ein kleiner Vortrag zu LRS und wie sich diese auswirkt. Auf dieser Grundlage kann man dann recht einfach erklären, warum es einen NTA gibt. Kindern fällt die Wichtigkeit des NTAs oft leichter zu verstehen, wenn es um sichtbare und offensichtliche Beispiele geht. "Wenn wir in einem Leichtathletik-Wettkampf einen Athleten in einem Rollstuhl im gleichen Rennen starten lassen, wie einen Athleten, der gehend und voll austrainiert ist - wer würde am Ende gewinnen? Empfindest du es als fair, die beiden gegeneinander starten zu lassen? Wenn wir dieses Rennen fair gestalten wollten, was müssten wir dann machen?" Die Antworten dieser Fragen führen oft sehr einfach und für jeden nachvollziehbar zu einem NTA.”

Sonderpädagoge Friedo Scharf setzt bei Bedarf darauf, bei den Kindern Verständnis für den Nachteilsausgleich zu schaffen. (Quelle: Stephanie Göbel/Inklusion-Digital GmbH)

Mit Hilfe des Nachteilsausgleichs kann mehr Inklusion und individuelle Förderung erreicht werden. Die Kommunikation innerhalb einer Klasse, in der es Schüler:innen gibt, die einen Nachteilsausgleich bekommen, sollte transparent und offen sein. Die Mitschüler:innen haben auch einen Anspruch darauf zu wissen, warum es eine unterschiedliche Behandlung innerhalb einer Klasse gibt. Vielleicht bietet das  Thema einen tollen Anlass dafür, über den Nutzen und Funktionsweise von Inklusion im Unterricht zu sprechen. 

Wie sind eure Erfahrungen mit dem Nachteilsausgleich? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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