“Raus aus der Bildungsfalle“: Tim Engartner über die Krise im Bildungssystem und den Weg zur Rettung unserer Schulen. (Quelle: Westend Verlag)
Im deutschen Bildungssystem läuft etwas falsch, aber was genau müsste sich ändern? Tim Engartner beleuchtet in “Raus aus der Bildungsfalle” die brennendsten Probleme unseres Bildungssystems und liefert ein starkes Plädoyer für eine umfassende Reform. Der Bildungswissenschaftler, der als Professor für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt ökonomische Bildung an der Universität zu Köln lehrt, beschreibt die Missstände in Bildungseinrichtungen von Kita bis Hochschule – von maroder Infrastruktur über Lehrermangel bis hin zu einem wachsenden sozialen Bildungsgefälle.
Engartner zeichnet ein ernüchterndes Bild: Während Kinder aus privilegierten Elternhäusern oft schon vor der Einschulung lesen können, scheitern viele Grundschüler:innen aus benachteiligten Haushalten am Stift halten. Fehlende Chancengleichheit, überfüllte Klassen und heruntergekommene Schulgebäude sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Statt dringend benötigter Investitionen in Schulen wird Digitalisierung oft als Allheilmittel präsentiert. Engartner hinterfragt dieses Vorgehen und warnt vor einer Überdigitalisierung, die Tech-Giganten wie Apple und Microsoft mehr Einfluss auf den Bildungssektor verschafft, ohne pädagogisch fundierte Konzepte zu liefern.
Engartner ist unmissverständlich: Die föderale Bildungsstruktur behindert Fortschritte, und der Trend zur Privatisierung droht die Spaltung im Bildungssystem weiter zu vertiefen. Seine Kritik untermauert er mit konkreten Beispielen, etwa geschlossene Sportstätten und fehlende Schwimmunterrichtsangebote, die Kinder benachteiligen, deren Familien sich keine privaten Alternativen leisten können. Dies kann gravierende Folgen mit sich bringen, wie dass die motorischen Fähigkeiten und körperliche Gesundheit der Kinder leiden, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führt. Zudem wächst das Risiko sozialer Ausgrenzung, da Schwimmen und Sport oft Voraussetzungen für die Teilnahme an Freizeitaktivitäten und Gemeinschaftserfahrungen sind
Das Buch bleibt jedoch nicht bei der Analyse stehen. Engartner präsentiert zehn zentrale Forderungen, darunter eine deutliche Erhöhung der Bildungsausgaben, einheitliche Bildungsstandards und die Modernisierung der Schulgebäude. Um diese Finanzierung umzusetzen, fordert er eine Umverteilung der Mittel, etwa durch den Abbau von Subventionen in anderen Bereichen wie der Rüstungs- oder Agrarindustrie. Zudem plädiert er für eine gerechtere Steuerpolitik, die höhere Einnahmen für den Bildungssektor generieren soll. Engartner betont: „Bildung darf nicht länger unterfinanziert bleiben – es ist die Investition, die sich für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft am meisten auszahlt.“ Er ruft dazu auf, Prioritäten neu zu setzen: „Bildung muss endlich zur politischen Chefsache werden.“ Darüber hinaus ist ihm die Förderung frühkindlicher Bildung und die Qualifizierung von Lehrkräften, um die Qualität des Unterrichts zu steigern und soziale Gerechtigkeit zu fördern besonders wichtig.
“Raus aus der Bildungsfalle” überzeugt durch eine klare Sprache und engagierte Argumentation. Engartner verbindet wissenschaftliche Fakten mit einer zugänglichen Darstellung, die sowohl Fachleute als auch bildungspolitisch interessierte Laien anspricht. Die oft polemische und provokative Tonalität macht das Buch lebendig und regt zur Diskussion an. Dieses Buch ist ein Weckruf für Bildungspolitiker:innen, Lehrkräfte und Eltern gleichermaßen. Wer sich ernsthaft mit den Schwächen des deutschen Bildungssystems auseinandersetzen und gleichzeitig fundierte Reformideen kennenlernen möchte, wird in “Raus aus der Bildungsfalle” eine wertvolle Lektüre finden. Engartners Werk fordert zum Umdenken und Handeln auf – eine Pflichtlektüre für alle, die Bildung als Grundlage unserer Zukunft betrachten.