Zwischen fünf und zehn Prozent der Schüler:innen leiden unter einer Lese-Rechtschreibstörung. Der Tag der Legasthenie und Dyskalkulie möchte auf diese Zahlen aufmerksam machen. (Quelle: Canva)
“Lies doch einfach mal mehr, dann wird das schon besser mit deiner Lese-Rechtschreibschwäche!”
“Ich habe keine Lese-Rechtschreibschwäche, sondern eine Lese-Rechtschreibstörung!”
“Ja und? Das ist doch das gleiche. Häng dich einfach mal ein bisschen mehr rein!”
Langsames und unsicheres Lesen, häufiges Stocken und die Verwechslung von Buchstaben oder Worten beim Schreiben sind eines der häufigsten Symptome der Legasthenie. Doch was genau unterscheidet denn jetzt die Lese-Rechtschreibschwäche von der Lese-Rechtschreibstörung? Alles zu den Ursachen, zur Förderung und was ihr als Lehrkraft tun könnt, erfahrt ihr in diesem Artikel – passend zum Tag der Legasthenie und Dyskalkulie.
Der Tag der Legasthenie und Dyskalkulie wurde vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BLV) ins Leben gerufen und gilt seitdem als bundesweiter Aktionstag. Am 30. September jeden Jahres sollen Schüler:innen, die Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben, mit diesem besonderen Tag eine Stimme bekommen. Nachdem wir bereits über Lernstörungen und Analphabetismus berichtet haben, möchten wir uns den Tag der Legasthenie und Dyskalkulie als Anlass nehmen und den Fokus auf die Legasthenie lenken und wie Lehrkräfte die Schüler:innen unterstützen können.
Die Buchstaben werden verwechselt, viele Rechtschreib- und Grammatikfehler oder manche Worte erst gar nicht lesen können. Die Symptomatik der Legasthenie ist umfangreich und auch wenn betroffene Kinder für eine Deutschaufgabe einen Moment länger benötigen, so sind sie vielleicht im Sport, Musik oder Kunstunterricht sehr begabt und können einen guten Schulabschluss erzielen und sich selbst damit den Weg in ein erfolgreiches Berufsleben eröffnen. Doch sie müssen auch mit Vorurteilen kämpfen: Faulheit, Desinteresse und verminderte Intelligenz. Legasthene Kinder können im Unterricht desinteressiert, beinahe lethargisch wirken – dabei kommen sie dem Stoff einfach nicht in dem Tempo hinterher, in dem dies die anderen Kinder vielleicht schon können. Um mit diesen Vorurteilen zu brechen und um die richtigen Fördermaßnahmen zu finden, ist es wichtig, dass eine Legasthenie oder eine LRS erkannt wird. Auf den ersten Blick scheinen beide gleich und im Prinzip unterscheiden sich die Symptome auch nicht. Die Ursache ist hier ein wichtiger Punkt. Es wird davon ausgegangen, dass einer Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) eine unzureichende Förderung zugrunde liegt, während die Lese-Rechtschreibstörung wie die Legasthenie meist auf die Genetik zurückzuführen wäre. Dennoch spielen bei beiden Lernstörungen mehrere Faktoren mit ein. Neben den genetischen Faktoren spielen auch die sozialen, emotionalen und bildungspolitischen Faktoren eine Rolle. Die Situation im Elternhaus und die Tatsache, dass nicht alle Lehrkräfte Erfahrungen in Bezug auf Legasthenie haben, geschweige denn dafür ausgebildet sind, können ursächlich sein.
Die betroffenen Schüler:innen befinden sich gewissermaßen in einem Teufelskreis. Sie sind erfreut und motiviert, dass sie es geschafft haben, einen kurzen Abschnitt eines Textes ohne längeres Stocken und Fehler zu lesen und im nächsten Moment sind sie wieder total frustriert, weil sie bei der nächsten Aufgabe nicht weiterkommen. Es ist, als würden sie in einer Endlosschleife irgendwo zwischen Angst, Frustration, Freude und Hilflosigkeit stecken und am Ende ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler:innen doch resignieren, hoch.
Nicht allen Lehrkräften ist die Situation mit Legasthenie bekannt und es fehlt immer häufiger ausreichende Förderung für die Schüler:innen. In Zeiten des Lehrkräftemangels, in denen Lehrer:innen schon an die Grenze gehen, Zusatzstunden leisten und bis zu 30 Schüler:innen in einer Klasse betreuen müssen, sind zusätzliche Fördermaßnahmen nicht an der Tagesordnung. Der Zeitmangel für das Bereitstellen von Unterrichtsmaterialien kommt erschwerend dazu. Es gibt dennoch einige scheinbar kleine Aktionen, die für legasthene Kinder eine große Wirkung haben können.
Die Arbeit um die Fördermaßnahmen muss nicht allein an den Lehrkräften hängen bleiben. Die Fortbildungseinrichtungen der Bundesländer und der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V bieten Förderprogramme und Material an. Über die Website des BVL könnt ihr euch direkt an die Landesverbände wenden. Für jedes Bundesland gibt es Ansprechpartner:innen, an die euch oder den Erziehungsberechtigten weitere Fragen zum Thema Legasthenie beantworten können. In der Handreichung für Lehrkräfte von BVL erfahrt ihr mehr zur Diagnostik, Prävention und Unterstützungsmöglichkeiten für die Legasthenie. Hier bekommt ihr einen Überblick über verschiedene Möglichkeiten für einen Aktionstag an eurer Schule, um auf Legasthenie und Dyskalkulie aufmerksam zu machen.
Immer mehr Schüler:innen haben Schwierigkeiten im Bildungs- und Schulsystem, leiden unter einer Lese-Rechtschreibschwäche oder Legasthenie und der Druck steigt in vielen Bereichen weiterhin enorm. Durch viele Stundenausfälle, zu große Klassen und weniger Förderangebote an Schulen ist noch keine Besserung in Sicht. Individuelle Förderung der Schüler:innen ist aufgrund der bekannten Tatsachen kaum noch möglich. Es herrscht zweifellos ein deutschlandweiter Lehrkräftemangel, doch bei dem ganzen Frust rund um die Personalsituation darf eins nicht vergessen werden: Die Lese- und Rechtschreibkompetenz der Schüler:innen nimmt ebenfalls ab – und solange sich die Personalsituation an den Schulen nicht grundlegend verbessert, ist auch kaum eine verbesserte Förderung für legasthene Schüler:innen zu erwarten.