Immer mehr Lehrkräfte entscheiden sich aufgrund wachsender struktureller Probleme im Schulsystem gegen den Beruf. (Quelle: Canva)
Hannover. Der Vorsitzende des Philologenverbands Niedersachsen, Christoph Rabbow, äußert sich besorgt über aktuell wachsende Zahlen unbesetzter Lehrerstellen an Schulen. Grund dafür seien hauptsächlich immer wieder neu eintretende gesellschaftliche Krisen und Ausnahmezustände, wie etwa die Corona-Pandemie und diverse Kriege. Es brauche daher “eine Entlastung der Pädagogen von Bürokratie, mehr Gesundheitsbildung für Schülerinnen und Schüler sowie größere Anstrengungen zur Gewinnung angehender Lehrerinnen und Lehrer”, erklärte Rabbow gegenüber der dpa.
Im Rahmen des Philologentags haben sich vergangenen Mittwoch wichtige Akteure der niedersächsischen Bildungslandschaft unter dem Motto “Mit Entlastung und Wertschätzung gesunde Schule gestalten” versammelt, um die aktuelle Lage und Perspektiven von Lehrerkräften und Schule zu diskutieren. Dort wurden insgesamt vier Resolutionen aufgestellt, die “die aktuellsten Themen und drängendsten Probleme an den Schulen abbilden”, wie der zugehörigen Pressemeldung des Philologenverbands selbst entnommen werden kann.
Zu den festgehaltenen Problemen im Schulalltag zähle vor allem Personalmangel, der erhöhten Druck bei den verbleibenden Lehrkräften bewirke, so zu einem hohen Krankenstand führe und daher den ursprünglichen Personalmangel noch weiter verschlimmere. Hinzu kommen Abgänge von Lehrer:innen, die sich Jobs in der freien Wirtschaft suchen. Der Verbandsvorsitzende hält fest: “Lehrkräfte ergreifen die Flucht. Das beobachten wir zunehmend”, so Rabbow. Der Mangel an Lehrkräften führe wiederum dazu, dass beispielsweise die naturwissenschaftlichen Fächer in Niedersachsen zu einem einzigen zusammengefasst werden müssen: dem Fach “NaWi”. Niedersächsische Unternehmen berichten als Folge des ausbleibenden bzw. unzureichenden Chemieunterrichts bereits davon, dass beispielsweise Betriebe aus der chemischen Industrie weniger Nachwuchs fänden, weil das Interesse speziell für Chemie nicht in der Schule geweckt werde.
Konkrete Zahlen zur Unterrichtsversorgung des aktuellen Schuljahres liegen noch nicht vor, im September 2022 sei der Wert jedoch bereits so niedrig gewesen wie noch nie, nämlich bei nur 96,3 Prozent.
Weitere alarmierende Tendenzen an Schulen seien wachsende Zahlen an Kindern und Jugendlichen, die durch extremen Stress unter mentalen Problemen leiden: Krankenkassen melden steigende Fallzahlen für Depressionen, Angst- und Essstörungen unter Jugendlichen, vor allem Mädchen seien davon betroffen. Außerdem wurde kritisiert, dass es kein zusätzliches Personal für geflüchtete Schüler:innen gebe. Rabbow stellt klar: “Wir machen das gerne, aber es ist ein zusätzlicher Aufwand".
Neben wachsender Anerkennung für die Arbeit von Lehrer:innen wurden vor allem auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen gefordert, die aus Sicht des Philologenverbands jedoch nicht den erwünschten Anklang finden konnten: “Die inhaltlichen Diskussionen und Appelle machten deutlich, dass insbesondere die Bestrebungen der Landesregierung die Schulstruktur langfristig zu verändern auf klare Ablehnung stoßen”, ziehen sie in ihrer Pressemeldung zum Philologentag Bilanz.