Ein Trend der Europawahl: Junge Wähler:innen wählen zunehmend rechts (Quelle: Pixabay)
Die Ergebnisse der Europawahl 2024 zeigen, dass die 16- bis 24-Jährigen im Vergleich zu 2019 zunehmend die AfD wählen. So erzielte die Partei bei den jungen Wähler:innen 16%, was einem Anstieg von 11 Prozent entspricht: Die Grünen, die in den letzten Jahren als äußerst beliebt bei jungen Menschen galten, erlebten hingegen erhebliche Verluste und verloren 23 Prozent ihrer jungen Wählerschaft.
Noch vor ein paar Jahren galt Fridays for Future als Bewegung der jungen Menschen. Tatkräftig unterstützt wurden die regelmäßigen Streiks von den Grünen. Unter anderem aus diesem Grund erfreute sich die Partei großer Beliebtheit bei jungen Menschen. Die Tendenz scheint nun jedoch in eine andere Richtung zu gehen. Die Europawahl zeigt deutlich, dass die AfD, knapp hinter der CDU/CSU erstmals als zweitstärkste Partei abschneidet. Demnach lässt sich ein konservativ-rechter Trend bei jungen Menschen feststellen
Die Europawahl am vergangenen Sonntag war, seit dem Beschluss im Jahre 2022, die erste Wahl, an der auch Menschen ab 16 Jahren teilnehmen durften. Der Lehrerverband äußerte allerdings Bedenken bezüglich dieser Entscheidung. So erklärte der Verbandspräsident Stefan Düll, er sei zwiegespalten, ob die Absenkung des Wahlalters richtig war. Er betonte außerdem, dass die Schule bereits genug für die politische Bildung tue und die Verantwortung auch bei der Person, dem Elternhaus und der Gesellschaft liegt. Die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts für junge Menschen ab 16 Jahren, über die diskutiert wird, lehnt er ab.
Allgemein ist eine wachsende Unzufriedenheit bei jungen Menschen festzustellen. Im Zuge der Studie “Jugend in Deutschland“ beschreibt Kilian Hampel: “Wir sehen in unserer Studie junge Menschen, die sehr pessimistisch sind. Die Zufriedenheit ist auf einem absoluten Tiefpunkt, vor allem die mit den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, mit der wirtschaftlichen Lage und dem sozialen Zusammenhalt“. Die Ergebnisse der Europawahl offenbaren somit die Unzufriedenheit junger Menschen.
Eine große Rolle bei der konservativ-rechten Wende junger Menschen könnte Social Media spielen. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass die AfD mit großem Erfolg vermehrt TikTok als Plattform nutzt. Näheren Aufschluss darüber gibt der Politikberater Johannes Hillje, der zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 die Erfolgsquote der einzelnen Parteien auf den sozialen Medien untersuchte. Dabei ergab sich, dass den Nutzer:innen von TikTok die Videos des offiziellen Kanals der AfD im Schnitt 430.000 Mal angezeigt wurden. Zum Vergleich: Den zweiten Platz belegte die FDP mit über 53.000 Impressionen.
Deutlich zu erkennen ist, dass die AfD gerade im Vergleich zu den anderen Parteien eine starke Präsenz auf den sozialen Medien hat. Der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah erstellte beispielsweise ein TikTok Video, mit 1,4 Millionen Aufrufen, in dem er unter anderem verlauten lässt: “Echte Männer sind rechts“. Da TikTok häufig von jungen Menschen genutzt wird, ist davon auszugehen, dass die AfD die Strategie verfolgt, diese gezielt anzusprechen. Unterstützt wird die Verbreitung populistischer Videos auch vom Algorithmus der Plattform. So werden gerade emotionale und nicht differenzierte Videos oftmals häufig kommentiert und dadurch vom Algorithmus weiterverbreitet.
Die Unzufriedenheit junger Menschen, gepaart mit der starken digitalen Präsenz der AfD, dürfte einen ersten Erklärungsansatz dafür bieten, warum junge Menschen in der Europawahl vermehrt die AfD gewählt haben. In den letzten Wochen wurde versucht, diesem Trend entgegenzutreten. Unter dem Hashtag #ReclaimTikTok sollte ein demokratischer Diskurs gestärkt werden und Politiker:innen dazu bewegt werden, aktiver in digitalen Räumen in Erscheinung zu treten. So beschreibt beispielsweise der SPD-Stadtrat aus Nürnberg, Nasser Ahmed, der seit über drei Jahren auf TikTok tätig ist: "Für die Demokratie müssen wir in allen Räumen sein, wo Kommunikation stattfindet".
Festzuhalten ist, dass die sozialen Medien stark von Fake News und rechtspopulistischer Propaganda geprägt sind und gerade junge Menschen für solche Informationen anfällig sein können. Für den Bildungsort Schule bedeutet dies, weiterhin den Fokus auf den Geschichts-, Politik- und Sozialkundeunterricht vorzunehmen, um die historischen Hintergründe und die aktuellen Bedrohungen für die Demokratie zu thematisieren. Als fächerübergreifende Aufgabe müssen außerdem Meinungsbildung sowie demokratischer Streit in den Fokus rücken, und der Umgang mit digitalen Medien in Form von Medienkompetenz muss thematisiert werden.
Die Demokratiebildung bleibt somit eine wichtige Aufgabe für die Schule. Schulische Bildung soll junge Menschen in erster Linie dazu befähigen, politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen zu reflektieren und einzuordnen. Dabei muss das Wissen vorhanden sein, wie für die Themen Freiheit, Demokratie und Menschenrecht eingestanden werden kann. Um das Urteilsvermögen zu schärfen und dadurch die Handlungskompetenz zu fördern, müssen das historische Bewusstsein, die Empathie und das Wissen der Schüler:innen gestärkt werden. Kultusministerin Susanne Eisenmann beschreibt: “Jede Generation muss erneut von der Demokratie überzeugt werden. Das ist eine immens wichtige Aufgabe. Unsere Lehrerinnen und Lehrer leisten jeden Tag einen wichtigen Beitrag, um junge Menschen zur Demokratie ‚anzustiften‘. Der erst kürzlich durchgeführte bundesweite Aktionstag „#IchStehAuf – Schulen für Demokratie und Vielfalt“, an dem 1.700 Schulen teilnahmen, thematisierte die Bedeutung der Demokratiebildung an Schulen. Die Ergebnisse der Europawahl 2024 unterstreichen die Wichtigkeit solcher Aktionen.