Aktuelles Schulbarometer: Fast jede zweite Lehrkraft fordert mehr Personal an der eigenen Schule

Von
Marcel Kunzmann
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25
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April 2024
|
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Ein Lehrer blickt erschöpft auf den Boden

Fast jede zweite Lehrkraft berichtet laut der Erhebung von Gewalt an ihrer Schule (Quelle: Pexels)

In Deutschlands Schulen brodelt es weiter. Die jüngste Erhebung des “Schulbarometers” der Robert Bosch Stiftung hat ergeben, dass jede vierte Lehrkraft wenn möglich den Beruf wechseln würde. Gründe hierfür sind vor allem der hohe Druck und die mangelnden Ressourcen im Schulsystem. Lehrkräfte leiden unter Arbeitsüberlastung und fühlen sich bei der Integration und Inklusion unzureichend unterstützt. Die Studie fordert mehr Investitionen in Bildung und eine bessere Ausstattung der Schulen, um das Lernumfeld und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Für die seit 2019 regelmäßig durchgeführte Erhebung wurden 1.608 Lehrkräfte zwischen dem 13. November und dem 3. Dezember 2023 an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland befragt. 

Als größte Herausforderung aus Sicht der Lehrkräfte hat die Studie “das Verhalten und die Heterogenität” von Schüler:innen ermittelt. 35 Prozent der Befragten nannten ersteres, während 33 Prozent sich von der Heterogenität ihrer Schüler:innen herausgefordert sahen, womit der unterschiedliche Lernstand innerhalb der Klasse gemeint ist. Für Lehrkräfte an Grundschulen (45 Prozent) ist das aktuell die größte Herausforderung. An dritter Stelle werden die eigene Arbeitsbelastung und der Zeitmangel (28 Prozent) angegeben. Weiterhin werden der allgemeine Personalmangel (26 Prozent), die Bildungspolitik und Bürokratie (21 Prozent) sowie die Eltern der Schüler:innen (18 Prozent) von den Lehrpersonen als größte Herausforderungen angeführt.

Alarmierend: Knapp die Hälfte der Lehrkräfte (47 Prozent) beobachtet psychische oder physische Gewalt unter den Schüler:innen, dies betrifft insbesondere Schulen in sozial benachteiligter Lage (69 Prozent) sowie Förder- und Sonderschulen (67 Prozent). 

Die Beziehungsqualität zu ihren Schüler:innen wird von den Lehrkräften jedoch als hoch eingeschätzt. Auch glauben 92 Prozent der Lehrkräfte, dass sich ihre Schüler:innen an der Schule wohlfühlen. Ebenfalls auf der Habenseite steht: 75 Prozent der Lehrkräfte und 83 Prozent der Schulleitungen gaben an, mit ihrem Beruf “eher bis völlig zufrieden” zu sein. Im Vergleich zu 2022 bleibt die Berufszufriedenheit unter Lehrkräften mit einem Plus von einem Prozent praktisch unverändert. 

Nach dem aktuell dringendsten Bedarf an der eigenen Schule gefragt, nannte die befragte Lehrkräftekohorte an erster Stelle mehr Personal (41 Prozent). Jede zweite Grundschullehrkraft (51 Prozent) mahnt den Personalmangel an der eigenen Schule an. An zweiter Stelle zeigt ein Drittel der Lehrkräfte (35 Prozent) dringenden Bedarf an Sanierung, Renovierung und Investition an ihrer Schule auf. Eine Verringerung der Klassengröße sieht ein Fünftel der Lehrpersonen (21 Prozent) als wichtig an. 17 Prozent fordern eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen.

Interessant ist auch die Einstellung der Lehrkräfte zur digitalen Bildung. Obwohl viele digitale Medien nutzen, fühlt sich die Hälfte nicht ausreichend vorbereitet oder ausgestattet, um digital gestützten Unterricht effektiv zu gestalten. Die Fortbildungsaktivitäten werden als nicht ausreichend empfunden, insbesondere in Bereichen, die für den modernen Lehrberuf entscheidend sind, wie individuelle Unterrichtsgestaltung und pädagogische Kompetenzen.

Das Thema Inklusion sahen die befragten Lehrkräfte überwiegend kritisch. Nur 45 Prozent denken, dass eine inklusive Beschulung gewinnbringend für alle Schüler:innen ist. Auf die Unterrichtspraxis bezogen glaubt eine Mehrheit der Lehrkräfte (77 Prozent), dass Schüler:innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in einer inklusiven Beschulung nicht die spezielle Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Die Hälfte der Lehrpersonen (54 Prozent) fühlt sich im Alltag aktuell überfordert. Dennoch berücksichtigen weit über drei Viertel der Lehrkräfte (85 Prozent) leistungsbezogene Unterschiede in ihrem Unterricht. Auch ihre Selbstwirksamkeit ist als hoch einzuschätzen, denn 66 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich in der Lage, in ihrem Unterricht flexibel auf unterschiedliche Lernbedürfnisse einzugehen. 

Dagmar Wolf, Vertreterin der Stiftung, beschreibt die Situation als “Momentaufnahme eines kranken Systems”. Lehrkräfte würden seit Jahren unter den Folgen des Personalmangels leiden und ständig neue Herausforderungen bewältigen müssen. Um den Lehrerberuf zukunftsfähig zu machen, sei es entscheidend, das berufliche Wohlbefinden zu verbessern und den Beruf für die nächste Generation attraktiver zu gestalten.

Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbandes, äußerte sich besorgt über das hohe Maß an Gewalt, das Lehrkräfte täglich erleben. „Es ist erschütternd, dass so viele Lehrkräfte im Alltag verschiedene Formen von Gewalt erleben müssen. Dies ist allerdings ein gesamtgesellschaftliches Problem, nicht nur eines in den Schulen.” Das Schulbarometer bestätige darüber hinaus auch weitere negative Entwicklungen wie beispielsweise den durch zu geringe Einstellungsquoten mitverschuldeten Lehrkräftemangel oder den maroden Zustand vieler Schulen. “Dies alles führt zu zusätzlichem Stress für Lehrkräfte und ihre Schüler und Schülerinnen”, so Lin-Klitzing.

Die Bildungsgewerkschaft GEW fordert in Reaktion auf die Studie “mehr Geld für Bildung, mehr Entlastung für Lehrkräfte und mehr psychosoziale Begleitung für Lernende“. Der Personalmangel bleibe die Achillesferse des deutschen Schulsystems. “Die Lehrkräfte im System zu halten und zu entlasten, ist deshalb das Gebot der Stunde”, betonte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller, der die Forderung nach einem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bildung und einem Staatsvertrag zur Deckung des Lehrkräftebedarfs erneuerte.

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