Ganztagsbetreuung steht in Bayern auf der Kippe

Schulkinder stehen vor einem Exponat

Ob Bayern die Umsetzung einer flächendeckenden Ganztagsbetreuung gelingt, scheint derzeit mehr als fraglich (Quelle: Commons)

München. Ab dem Schuljahr 2026/27 soll zumindest für die neu eingeschulten Grundschulkinder ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gelten. Dies wurde vor drei Jahren von der damaligen Großen Koalition auf Bundesebene beschlossen. Ob die Umsetzung auch in Bayern gelingt, scheint derzeit fraglich. 

Man arbeite derzeit "unter Hochdruck" an der Umsetzung, signalisieren die zuständigen Landesministerien für Arbeit und Soziales sowie Kultus. Hinter den Kulissen würden aktuell viele Gespräche stattfinden, berichtet der Bayerische Rundfunk, der darauf verweist, dass es sich möglicherweise um Krisengespräche handelt. 

Problem ist vor allem der Mangel an Personal. “Bei dem, was ich an Rückmeldungen bekomme, was es an Unterrichtsausfall und Klassenzusammenlegungen gibt, frage ich mich, wie man da den Ganztag stemmen will”, sagt Martin Löwe, Vorsitzender des Bayerischen Elternverbands.

Die Kommunen sind für die Organisation des Ganztagsangebots an Grundschulen verantwortlich. Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, beklagt, dass Städte und Gemeinden dabei in eine schwierige Lage gebracht würden. Es sei unmöglich, Versprechungen zu machen, von denen man bereits weiß, dass man sie nicht einhalten kann. Laut Brandl mangelt es vor Ort an geeigneten Räumlichkeiten, Betreuungspersonal und den notwendigen finanziellen Mitteln.

Der Bayerische Elternverband steht solchen Forderungen skeptisch gegenüber. Florian Eschstruth von der Erlanger Eltern-Gruppe äußert, dass es allgemein bekannt sei, dass der Ganztagsanspruch in Bayern bei der derzeitigen Umsetzungsgeschwindigkeit nicht realisiert werden kann.

Die Staatsregierung betont, dass die Verantwortung für den Ausbau bei den Städten und Gemeinden liegt, wie das Kultusministerium mitteilt. Ein Sprecher erklärt, dass die Einhaltung des Zeitplans maßgeblich von den Kommunen abhängt.

Uwe Brandl vom Städte- und Gemeindebund widerspricht und meint, die Schulen selbst könnten wesentlich mehr zum Erfolg beitragen. Er fordert gebundene Ganztagsangebote mit staatlichem Personal, um den Rechtsanspruch schneller umzusetzen, als es derzeit absehbar ist. Die Diskussion darüber, wer welchen Beitrag zum Ausbau leisten muss, ist in vollem Gange, da allen Beteiligten klar ist, dass die Zeit drängt. 

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Bayern im bundesweiten Vergleich bei der Ganztagsbetreuung von Grundschülern und der entsprechenden Nachfrage zu den Schlusslichtern gehört. Laut der Studie "Kindertagesbetreuung Kompakt", die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt wurde, haben 59 Prozent der Eltern in Bayern einen Bedarf an Betreuungsplätzen, während die tatsächliche Betreuungsquote nur bei 36 Prozent liegt. Im Vergleich dazu liegt der Bedarf an Ganztagsbetreuung bundesweit durchschnittlich bei 73 Prozent.

Florian Eschstruth vom Bayerischen Elternverband vermutet mit Blick auf die Zukunft, dass Eltern zumindest bei der Qualität Abstriche machen müssten. Der “Ausnahmezustand wird zum Normalzustand werden”, so seine Befürchtung. Er appelliert an die Politik: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung dürfe nicht zum “Aufbewahrungsanspruch” verkommen.

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