Große Kritik nach geleakten E-Mails um prüfung der Fördermittel: Als Reaktion entlässt Stark-Watzinger (im Bild) Staatssekretärin Sabine Döring (Quelle: BMBF / Hans-Joachim Rickel)
Berlin. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gab am Sonntag bekannt, ihre Staatssekretärin Sabine Döring entlassen zu haben. “Der entstandene Eindruck ist geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen”, ließ die Ministerin erklären. Hintergrund ist ein Prüfauftrag zu möglichen Konsequenzen für Hochschullehrer:innen, die einen offenen Brief zum Umgang mit propalästinensischem Protest an Berliner Hochschulen unterzeichnet hatten (Lehrer News berichtete).
Ein “personeller Neuanfang” sei nötig, weshalb sie den Bundeskanzler darum gebeten habe, Staatssekretärin Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, so Stark-Watzinger in einer Stellungnahme. Noch vor einigen Tagen wurde in einem Statement der BMBF mitgeteilt, dass der Entzug von Fördermitteln nie zur Debatte gestanden habe.
Zunächst verkündete Döring ihr eigenes Ausscheiden über die Plattform X mit den Worten: “So wird nun dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn ein jähes Ende finden“, an. Für Verwirrung sorgte der kurz darauf folgende Post: “Habe gerade Anruf bekommen, muss den Tweet löschen”. Kurz darauf verschwanden beide Posts und wenig später bestätigte das Bildungsministerium die Entlassung.
Aus dem durch Recherchen des ARD-Magazins Panorama veröffentlichten eMail-Verlauf ist ersichtlich, dass das BMBF die Streichung von Fördermitteln und gezielt rechtliche Schritte gegen Hochschullehrende veranlassen wollte, die zuvor einen offenen Brief unterzeichnet hatten. Der Brief war eine Reaktion auf die polizeilichen Maßnahmen gegen das propalästinensische Protestcamp auf dem Campus der Freien Universität Berlin. Stark-Watzinger kritisierte den Brief damals scharf.
Infolge des geleakten Mailverkehrs steht die Ministerin jetzt selbst unter massivem Druck. In den vergangenen Tagen mehrten sich die Stimmen aus Wissenschaft und Politik, welche ihren Rücktritt forderten. So wurde eine offene Stellungnahme verfasst, welche von über 2700 Wissenschaftler:innen unterschrieben wurde. In dieser werden die internen Prüfungen von politischen Sanktionierungen als Machtmissbrauch und Einschüchterungsversuch gegenüber der Wissenschaftsfreiheit beschrieben. Zudem wird Stark-Watzinger aufgrund ihrer Handlungsweise als “untragbar” bezeichnet.
Stark-Watzinger entgegnet den immer lauter werdenden Stimmen hinsichtlich ihres Rücktrittes nun mit der Entlassung jener Staatssekretärin, die formell die Prüfung veranlasst haben soll. In einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme beschreibt sie, es mache sie “fassungslos”, dass in dem offenen Brief der Terror der Hamas ausgeblendet wurde. “Ich habe veranlasst, dass der Sachverhalt gründlich und transparent aufgearbeitet wird. Fest steht, dass eine Prüfung potentieller förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten in der Tat erbeten wurde”. Weiter heißt es: “Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe”.
Mit der Entlassung von Döring soll offensichtlich auf die anhaltende Kritik reagiert werden. Dabei entsteht jedoch der Eindruck, dass Döring als Bauernopfer herhalten könnte. So fehlt bisher jegliche Reaktion von Stark-Watzinger bezüglich der an sie direkt gerichteten Kritik, wodurch unklar bleibt, inwieweit sie sich selbst mit dieser Vorgehensweise der Verantwortung entziehen möchte. Der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda sieht in der Reaktion Stark-Watzingers jedenfalls “keinen Befreiungsschlag”. “Vielen Beobachtern fällt schwer zu glauben, dass eine Staatssekretärin wirklich unabgestimmt mit der Ministerin einen derart sensiblen Prüfauftrag formuliert”, so Wiarda in seinem Blog.
Die Reaktionen aus der Bundespolitik auf den Schritt fallen entsprechend durchwachsen aus. “Wer Gesinnungsprüfungen gegen frei denkende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anregt und erwägt, Fördergelder zu kürzen, ist in einem Bundesministerium nicht tragbar”, sagte SPD-Bildungspolitikerin Carolin Wagner gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Ministerin müsse “dankbar sein, dass die Kontrollmechanismen in ihrem Haus funktionieren und besonnene Mitarbeitende die Pläne gestoppt haben.” Wichtig sei, “dass Frau Döring kein Bauernopfer ist”. Stark-Watzinger müsse die Vorgänge lückenlos aufklären und Stellung beziehen.
Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek, forderte die Ministerin zum Rücktritt auf. “Bundesministerin Stark-Watzinger hat Recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen“, erklärte er auf X. “Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden.” Damit habe sie die Richtung für das Ministerium vorgegeben. “Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe”, so Jarzombek.