Die Tagesschau in einfacher Sprache: Was das Angebot für Schulen bringen könnte

Von
Clara Schwarzlose
|
18
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June 2024
|
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Alter Fernseher mit dem Logo der Tagesschau auf einem dunklen Holztisch

Aktuelle Nachrichten können seit Anfang Juni in einfacher Sprache abgerufen werden. Ziel soll ein inklusives Informationsangebot sein, das Menschen erreicht, die Schwierigkeiten mit komplexen und fachsprachlichen Inhalten haben. (Quelle: Unsplash)

Die Tagesschau ist eine Institution in der deutschen Medienlandschaft: Sie liefert täglich Nachrichten aus Deutschland und der Welt. Aber was ist, wenn die komplexen Themen und die formale Sprache für einige Zuschauer:innen schwer zu verstehen sind? Hier kommt die Tagesschau in einfacher Sprache ins Spiel – die auch für den schulischen Kontext interessant sein könnte.

Wozu Nachrichten in einfacher Sprache?

Die Tagesschau in einfacher Sprache wurde erst vergangene Woche gestartet. Das  neue Format zielt darauf ab, Nachrichten für alle zugänglich zu machen. Hierzu werden einfache Wörter und kurze Sätze verwendet, um sicherzustellen, dass die Nachrichten für jede Person verständlich sind. Bundesweit ist es das erste tagesaktuelle Fernsehnachrichten-Angebot dieser Art. Die Tagesschau einfacher Sprache wird von Montag bis Freitag um 19 Uhr auf tagesschau24 ausgestrahlt. Ab 18 Uhr kann das Format bereits in der Tagesschau-App angesehen werden. Außerdem finden sich die Berichte in der ARD Mediathek und auf dem YouTube-Kanal der Tagesschau wieder.

Rund 17 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren haben Probleme damit, komplexere Texte zu verstehen. Die Gründe dafür können unterschiedlicher nicht sein: Menschen mit Lernschwierigkeiten, kognitiven Beeinträchtigungen oder ungleichen Bildungschancen sind zentrale Beweggründe für ein inklusives Informationsangebot. Doch auch Menschen, die Deutsch nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschen, können anhand der einfachen Sprache mit Berichten erreicht werden. Die einfache Sprache ist eine sprachlich vereinfachte Version der Standardsprache oder Fachsprache. Um die Nachrichten für eine breitere Bevölkerungsschicht zugänglicher zu machen, wurde sich neben dem Zugang der barrierefreien Nachrichtenangebote, zusätzlich für das Konzept der einfachen Sprache entschieden. Die leichte Sprache hingegen bietet neben Sprachregeln auch Rechtschreibregeln an, sowie Empfehlungen zur Typografie und umfasst dadurch das leichteste Verständnis von Texten. Im Vergleich dazu bietet die einfache Sprache einen größeren Wortschatz an. Dadurch wird ein allgemeines Verständnis von aktuellen Ereignissen unterstützt, aber auch die Förderung der Medienkompetenz. Gerade in einer Welt, die von schnelllebigen und vielen Informationen lebt, ist es entscheidend, dass alle Menschen Zugang zu verständlichen Nachrichten erhalten. Durch die einfache Sprache besteht die Möglichkeit, dass mehr Menschen an gesellschaftlichen und politischen Ereignissen teilnehmen können und zu aktiven demokratischen Prozessen dazugehören. 

Auch in Bildungseinrichtungen kann das neue Format der Tagesschau eine wertvolle Ressource sein. Deutschkurse für Migrant:innen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten können ihre Sprachbarriere stärken. Kenntnisse in der Sprache sind unerlässlich und bilden somit einen zentralen Aspekt für die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie ausländischen Studierenden. Lehrer:innen können die Nachrichten als Unterrichtsmaterial anwenden, um zum einen das Sprachverständnis der Schüler:innen zu verbessern, zum anderen kann ein Einblick in das aktuelle Geschehen geleistet werden. Außerdem können die aktuellen Ereignisse in unterschiedlichen Fächern wie beispielsweise Politik, Ethik oder auch Geographie gemeinsam besprochen werden. Gerade wenn es um alltägliche Phänomene wie Klimawandel oder politische Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Gruppierungen geht, kann innerhalb der Schulform auf die Tagesschau in einfacher Sprache aufgebaut werden.

Die Sendungsinhalte stammen aus der regulären Tagesschau, allerdings werden diese anders aufbereitet. So gibt es neben dem Wetter nur vier Themen pro Sendung. Chefredakteur Marcus Bornheim erklärt: “Die Meldungen und Beiträge werden völlig neu formuliert. Die Texte setzen wenig Wissen voraus und werden langsamer gesprochen”. Außerdem soll der Hintergrund der jeweiligen Nachricht zusätzlich erklärt werden, bevor die eigentliche Neuigkeit eingesprochen wird. Schwierige Wörter werden erläutert, um das Verständnis der jeweiligen Nachricht zu bekräftigen. Durch den Zugang zu unterschiedlichen Informationen wird die Selbstbestimmtheit und Chancengleichheit innerhalb der Gesellschaft unterstützt und ausgebaut. Ein zentrales Kriterium für die Themenauswahl ist dabei die Relevanz für die breite Öffentlichkeit. Meist werden dabei die Themen bevorzugt, die einen direkten Einfluss auf das alltägliche Leben der Gesellschaft haben, beispielsweise politische Entscheidungen, gesellschaftliche Entwicklungen oder auch wirtschaftliche Veränderungen. Lehrer:innen und Bildungseinrichtungen spielen auch hier eine besondere Rolle. Um als Lehrperson alle Schüler:innen auch sprachlich zu erreichen, hat die Internetseite lehrer-online wichtige Regeln für die Leichte Sprache erstellt. Unter anderem wird darauf verwiesen, dass Synonyme nicht verwendet werden sollen, um den Lernprozess von verschiedenen Begrifflichkeiten nicht zu unterbrechen. Sprachschwache Lernende werden durch verschiedene Begriffe für dieselbe Sache verunsichert und können daraufhin erneute Schwierigkeiten beim Text- und Sprachverständnis haben. Gesellschaftliche Ereignisse können innerhalb des Unterrichts analysiert werden und als Grundlage für unterschiedliche Projekte dienen. Gerade im Bereich der Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt kann das Fach für Politik oder Geschichte anhand der einfachen Sprache ausgebaut werden. Beispielsweise kann ein Tagesschau-Thema innerhalb einer Unterrichtsstunde detaillierter betrachtet werden, indem über Begriffe gesprochen wird und wo man diese vielleicht im eigenen Alltag wiederfindet. Gleichzeitig könnte man den Bezug zwischen den Erfahrungen von Schüler:innen und den Ereignissen in der Welt herstellen und das Verständnis von gesellschaftspolitischen Themen fördern. Aber auch Grammatikregeln und Sprechspiele durch einfache Lesetexte können anhand einfacher Sprache die Sprachkompetenz gefördert und unterstützt werden.

Sozialverband begrüßt das neue Tagesschau-Format

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) begrüßt das neue Programmformat. Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier sagt, dass “dies eine nachahmenswerte Entwicklung für Inklusion und Barrierefreiheit” sei. Im Netz hingegen ist die Meinung eher gespalten. Einige User:innen der Plattform X haben nur Spott und Hohn für den Vorschlag der Tagesschau übrig. So schreibt ein User: “Es hat etwas von Kinderfernsehen” oder “Man wird schon ein wenig dümmer beim Zuhören”. Andere Nutzer:innen hingegen zeigen sich begeistert und stufen das Format als “wichtig und richtig” ein. Sie befürchteten, dass wichtige Informationen verloren gehen könnten. Die einfache Sprache versucht, allen Menschen gerecht zu werden und schafft dadurch ein Problem: Einzelne Erklärungen werden von einigen Personengruppen für überflüssig gehalten, für andere Gruppierungen sind diese Erklärungen für ein transparentes Verständnis notwendig. Wie sich die Nutzung der Tagesschau in einfacher Sprache entwickelt und ob weitere Nachrichtensender dieses Angebot auch nutzen, lässt sich erst in der Zukunft feststellen. 

Für Lehrer:innen ist die einfache Sprache eine weitere Möglichkeit, auf Schüler:innen innerhalb des Unterrichts zuzugehen. Anhand unterschiedlicher Unterrichtsmaterialien, die in einfacher und klar strukturierter Sprache verfasst sind, können Grammatikregeln spielerisch den Schüler:innen vermittelt werden. Die Internetseite Lehrerbüro hat neben dem Unterrichtsmaterial für sonderpädagogische Förderung auch zahlreiche Arbeitsblätter und Geschichten in einfacher Sprache verfasst für Kinder und Jugendliche mit sprachlich-schwachen und nicht-muttersprachlichem Sprachverständnis. Interessant könnte dies für Lehrer:innen an Schulen mit einem hohen Migrationsanteil der Schüler:innen sein. Gerade Kinder und Jugendliche, die dabei sind, Deutsch zu lernen und zu verstehen, können das spielerische Lernen von Grammatik und Begriffsverständnis von Vorteil sein. Wichtig für das Verständnis der Sprache kann auch als Grundstein für die spätere berufliche Laufbahn verstanden werden. Isabel Rink von der Universität Hildesheim unterstützt dieses Vorgehen: “Nur wenn ich verstehe, kann ich auch mitreden und mitmachen - teilhaben an Diskursen”.  

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