„Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung.“ heißt es im 26. Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Lesen und Schreiben machen einen großen Teil der elementaren Bildung aus. Die Teilhabe an einer modernen menschlichen Gesellschaft basiert nämlich auf der Verwendung von Sprache in Schriftform. Auch wenn die Menschenrechtserklärung das Recht auf Bildung vorsieht, haben viele Menschen kaum Bildungschancen. Wie steht es um die Alphabetisierung in der Welt?
Mit Blick auf die ganze Welt verfügen 87 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren über grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten (Stand 2020). Bei Betrachtung einzelner Kontinente fallen deutliche Unterschiede auf. Amerika und Europa stehen verhältnismäßig gut da. In Europa sind zirka 16 Prozent der Erwachsenen Analphabeten, in den USA nur zwölf Prozent und in Südamerika liegt die Alphabetisierungsrate sogar nur bei neun Prozent. Dagegen sind Afrika und Asien schwer betroffen. In Asien sind rund 26 Prozent und in Afrika sogar 34 Prozent der Erwachsenen Analphabeten.
Der UNESCO Weltbildungsbericht zeigt, dass Analphabetismus konkret mit dem Reichtum eines Landes zusammenhängt. Der Südsudan gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind dort mehr als 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von Analphabetismus betroffen. Hier muss sich auch die westliche Welt einer Verantwortung stellen. Da ihr Reichtum teilweise auf der Ausbeutung von Entwicklungsländern basiert, müssen grundlegende Maßnahmen gegen diese Ungerechtigkeit in Gang gesetzt werden.
Wenn man sich die Geschlechterverteilung anschaut, wird deutlich, dass Frauen häufiger von Analphabetismus betroffen sind. In Asien sind zum Beispiel zwei Drittel der Analphabeten Frauen. Laut der UNESCO ist die Frauenquote mit 17 Prozent höher als die Männerquote mit 10 Prozent. Hier in Deutschland sind jedoch mehr Jungen und Männer betroffen. Diese Verteilung könnte auf den Mangel an männlichen Vorbildern in Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen zurückzuführen sein. Wenn ihr mehr über den Stand der Alphabetisierung in Deutschland erfahren wollt, schaut in diesen Artikel rein. Außerhalb von Europa werden Jungen teilweise für die Bildung priorisiert. Vor allem in wirtschaftlich schwachen Länder werden eher die männlichen Nachfahren in die Schule geschickt, während Mädchen auf das Muttersein und Haushaltsaufgaben vorbereitet werden. So verdeutlicht die Alphabetisierungsrate die Geschlechterungerechtigkeit in vielen Ländern.
Theoretisch sollte jedem zumindest eine kostenfreie Grundschulbildung zustehen, was sich in der Realität nicht so abzeichnet. Erschreckend viele Menschen sind nicht oder kaum dazu in der Lage zu lesen und zu schreiben. Eine gute Nachricht ist, dass die Alphabetisierung in jüngeren Generationen deutlich zugenommen hat. Mögliche Gründe sind die wachsende Weltwirtschaft und die länderübergreifende Beachtung des Themas durch Forschung und konkrete Unterstützung zum Beispiel von der „International Literacy Association“. Zudem haben die Vereinten Nationen in ihrer ‚Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung‘ konkrete Alphabetisierungsziele festgehalten: Alle Jugendlichen und ein substanzieller Anteil der Erwachsenen sollen lese- und schreibfähig werden. Zu diesem besonderen Vorhaben werdet ihr in unserer aktuellen Themenwoche zur Alphabetisierung mehr erfahren.
Durch die Coronapandemie wurden in vielen Länder Bildungseinrichtungen geschlossen. Es ist zu vermuten, dass es dadurch zu einem Rückschlag in der Alphabetisierung kommt. Die wirtschaftliche Krise wird sich im Bildungssektor negativ ausgewirkt haben. Auch in Deutschland hatten gefährdete Heranwachsende noch weniger Kontakt zu Schreib- und Lesevorbildern sowie Zugriff auf Hilfestellungen seitens der Lehrkräfte oder Hausaufgabenhilfen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Pandemie auf den Stand der Alphabetisierung in der Welt ausgewirkt hat.
Die Alphabetisierungsrate eines Landes steht in Korrelation mit ihrem Reichtum. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht auf der Welt. Die westlichen Länder versuchen durch verschiedene Projekte Verantwortung zu übernehmen und die Alphabetisierung in ärmeren Ländern voranzutreiben. Ein für jede Gesellschaftsschicht zugängliches Bildungssystem ist eine Grundvoraussetzung, um die Lese- und Schreibfähigkeit in der Bevölkerung zu stärken. In Förderprojekten wird der Fokus vor allem auf Kinder und Jugendliche gesetzt, um dem Problem langfristig entgegenzuwirken.