Geleakte BMBF-Mails: Rücktrittsforderungen an Stark-Watzinger werden laut

Es ist Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu sehen

Stark-Watzinger in der Kritik: Das Bildungsministerium hat aufgrund eines kritischen offenen Briefes intern die Streichung von Fördermitteln und rechtliche Schritte gegen Hochschullehrende geprüft (Quelle: BMBF / Christina Czybik)

Berlin. Medienberichten zufolge wollte das Bundesbildungsministerium unter der Leitung von Bettina Stark-Watzinger (FDP) nach einem offenen Brief von Hochschullehrenden eine Streichung von Fördermitteln initiieren. Der Brief war eine Reaktion auf die polizeilichen Maßnahmen gegen das propalästinensische Protestcamp auf dem Campus der Freien Universität Berlin.

Vergangenen Mai hatten rund 150 propalästinensische Studierende im Zentrum der Freien Universität Berlin ein Protestcamp errichtet. Wenig später räumte die Polizei den Platz, einzelne Aktivist:innen wurden vorübergehend aufgrund von Volksverhetzung und Hausfriedensbruch festgenommen. Nach dem Vorfall meldeten sich über 300 Professor:innen und Dozent:innen zu Wort und kritisierten die Räumung des Campus. In einem offenen Brief wiesen die Hochschullehrende auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Studierenden hin. Dort wurde ausgeführt: “Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen”. Damals erklärte Stark-Watzinger, sie sei “fassungslos” über die Kritik an der Räumung.

Im Rahmen von Recherchen des ARD-Magazins Panorama wurde ein E-Mail-Verlauf veröffentlicht, der zeigt, dass das Bildungsministerium in Reaktion auf den offenen Brief offenbar Fördermittel streichen wollte. In der E-Mail wird erwähnt, dass die Leitung sich gegen den offenen Brief stellt und eine “juristische Prüfung” über die dortigen Aussagen eingeleitet werden solle. Außerdem wird um eine förderrechtliche Einschätzung gebeten, die mögliche Konsequenzen wie den Widerruf von Mitteln umfasst. Aus dem E-Mail-Verlauf geht ebenso hervor, dass Mitarbeitende des Ministeriums irritiert über die Prüfbitte sind und “keinen prüffähigen Sachverhalt erkennen”. 

Vertreter aus Politik und Wissenschaft zeigten sich über die Veröffentlichung der Recherchen empört. “Es ist unerträglich, wie die Wissenschaftsministerin dieses Landes in Unis reinregiert und mit autoritären Maßnahmen versucht die Meinungsfreiheit zu torpedieren“, erklärte der Rechtsanwalt und Politiker Dr. Niema Movassat (Die Linke). Rupert Stüwe (SPD) beschrieb das Vorgehen des BMBF auf X als “Einschüchterungsstrategie“, bei der es “mehr um das Symbol als den Inhalt” gehe. 

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die Spannungen zwischen staatlicher Kontrolle und akademischer Freiheit. Der Soziologe Linus Westheuser von der Humboldt-Universität Berlin bezeichnete den Vorgang als “absolut unwürdig für die vielbeschworene liberale Demokratie”. Insbesondere im akademischen Mittelbau sei ein Klima der Angst entstanden, bei dem Mitarbeitende sich aus Sorge um ihre Karriere nicht mehr zu politischen Fragen äußern würden.

Das Bildungsministerium hat nach Veröffentlichung der geleakten Mails am Dienstag Stellung bezogen. Man habe “eine juristische Einordnung” des offenen Briefes vorgenommen. Dieser bewege sich “noch im grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit”, weswegen sich “keine weiteren Konsequenzen” ergeben würden. “Damit erübrigen sich alle weiteren Spekulationen”, so das BMBF. Besonders bizarr: Später veröffentlichte das Ministerium ein Statement auf X, in dem es heißt: “Der Entzug von Fördermitteln in Reaktion auf den offenen Brief stand in der Hausleitung nicht zur Debatte“. Dies steht allerdings in Widerspruch zu den Inhalten des Mailverkehrs, in dem klar gefordert wurde, zu prüfen, inwiefern ein “Widerruf” von Fördermitteln möglich sei.

Noch am Dienstag traten erste Stimmen auf, die Stark-Watzinger aufgrund von Machtmissbrauch zum Rücktritt aufforderten. Der Skandal “schade dem Wissenschaftsstandort Deutschland”, schrieb die taz in einem Kommentar zu der Causa und forderte die Ministerin zum Rücktritt auf, “um keinen weiteren Schaden anzurichten”. “Ich denke, es ist an der Zeit für die Ministerin, einzugestehen, dass sie einen enormen Vertrauensverlust in der Wissenschaft zu verantworten hat”, sagte Politikwissenschaftler Ilyas Saliba gegenüber der Zeitung. Es ist davon auszugehen, dass sich die nächsten Tage noch einige kritische Stimmen zu Wort melden werden. Die Debatte um die Freiheit der Wissenschaft und den Einfluss der Politik dürfte weiter an Fahrt aufnehmen.

Abzuwarten bleibt, wie die Leitung des BMBF auf die stark anhaltende Kritik reagieren wird und welche Konsequenzen für Ministerin Stark-Watzinger folgen.

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