KI in der Schule: Werden Lehrkräfte bald überflüssig?

Eine Menschenhand und eine Roboterhand berühren sich durch einen Bildschirm am Zeigefinger

KI im Klassenzimmer: Unterstützt sie Lehrkräfte oder ersetzt KI sie eines Tages? (Quelle: Canva)

Künstliche Intelligenz (KI) ist inzwischen fest in unserem Alltag verankert und nicht mehr wegzudenken. Seit der kostenlosen Veröffentlichung des generativen Sprachmodells ChatGPT im November 2022 steht auch der Einsatz von KI im Bildungsbereich verstärkt im Fokus öffentlicher Diskussionen. Der zunehmende Einsatz von KI stellt sowohl Schüler:innen als auch Lehrkräfte vor eine Bandbreite neuer Herausforderungen und Chancen.

Eine YouGov-Umfrage ergab, dass bereits 71 Prozent der jungen Menschen in Schule und Studium ChatGPT für ihre Hausaufgaben und Studienarbeiten nutzen. Ähnlich sieht es bei den Lehrkräften aus: Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom nutzt bereits die Hälfte von ihnen KI im Schulalltag zur Unterrichtsvorbereitung und Wissensvermittlung. 28 Prozent der befragten Lehrer:innen planen, KI in Zukunft einzusetzen, während nur 11 Prozent den Einsatz grundsätzlich ablehnen.

Doch was bedeutet der zunehmende Einsatz von KI für Schüler:innen und Lehrkräfte? Wie gehen Bildungseinrichtungen mit der Integration von KI um? Welche Chancen und Herausforderungen bringt der Einsatz mit sich? Und vor allem: Kann KI Lehrkräfte in Zukunft unterstützen oder gar ersetzen?

Künstliche Intelligenz: Fortschritte und Anwendungen 

Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, was Künstliche Intelligenz (KI) überhaupt ist. KI ist ein Teilgebiet der Informatik, das menschliche kognitive Fähigkeiten nachahmt, indem es Muster in Daten erkennt und verarbeitet. Sie kann entweder auf programmierten Prozessen oder auf maschinellem Lernen beruhen.

In den letzten Jahren hat allen voran das maschinelle Lernen große Fortschritte gemacht, vor allem dank der Verfügbarkeit großer Datenmengen und leistungsstarker Computer. Dabei lernt ein Algorithmus durch Wiederholung selbständig, eine Aufgabe zu lösen, ohne dass ein fester Lösungsweg vorgegeben ist. Ein Beispiel dafür ist ein Roboter, der durch Ausprobieren und Feedback lernt, Gegenstände richtig zu greifen und zu transportieren.

Was zunächst abstrakt klingt, ist längst Teil unseres Alltags, oft, ohne dass wir es merken: KI personalisiert Empfehlungen beim Online-Shopping, optimiert Suchmaschinen, digitale Assistenten wie Siri oder Alexa helfen bei der Organisation des Alltags, Übersetzungstools nutzen Künstliche Intelligenz für sprachliche Anpassungen, Smart Homes und Städte werden durch KI gesteuert, um Energie zu sparen und den Verkehr zu optimieren und Autos verfügen über KI-basierte Sicherheitsfunktionen. 

KI ist also nicht mehr nur ein Zukunftskonzept, sondern bereits ein integraler Bestandteil des täglichen Lebens, der es in vielen Bereichen unbemerkt effizienter und komfortabler macht. Auch im Bildungsbereich eröffnet der Einsatz von KI neue Möglichkeiten, die das Lehren und Lernen effizienter gestalten können. Angesichts der breiten Anwendung im Alltag stellt sich nun die Frage, wie KI gezielt eingesetzt werden kann, um den Schulalltag zu erleichtern und Lehrkräfte zu entlasten.

Die Zukunft der Bildung: KI im Schulalltag

Durch den rasanten technologischen Fortschritt sehen sich Lehrkräfte oft mit zusätzlichen Hürden konfrontiert, wenn es um den Einsatz digitaler Werkzeuge im Unterricht geht: Computerräume müssen gebucht, Beamer organisiert und Programme installiert werden. Zudem trägt Technologie nicht immer zu einer Verbesserung des Fachwissens bei und kann den Lernprozess sogar negativ beeinträchtigen. Künstliche Intelligenz könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie nicht nur theoretische Vorteile bietet, sondern auch praktische Lösungen für altbekannte Herausforderungen im Schulalltag liefert. 

Ein Beispiel ist der Umgang mit Heterogenität: In einer Klasse mit über 25 Schüler:innen variieren die Lerngeschwindigkeiten und Fähigkeiten stark. Während ein:e Schüler:in im Englischunterricht sofort das Simple Past versteht, hat jemand anderes noch Schwierigkeiten mit dem Simple Present. Im Mathematikunterricht kann jemand bereits Funktionen analysieren, während eine andere Person noch mit der schriftlichen Division kämpft. KI könnte den Unterricht so gestalten, dass alle genau die Unterstützung oder Herausforderung bekommen, die sie benötigen.

Um dies zu gewährleisten, ist es wichtig, beim Einsatz von KI im Bildungsbereich zwischen generativer künstlicher Intelligenz und intelligenten Tutorsystemen zu unterscheiden. Beide basieren auf KI, haben jedoch unterschiedliche Funktionen. Generative KI, wie ChatGPT, erzeugt menschenähnliche Texte und kann auf vielfältige Fragen reagieren oder kreative Inhalte generieren. Allerdings basiert ihre Leistung, wie oben beschrieben, auf trainierten Daten und sie kann weder tiefes Fachwissen vermitteln noch individuell auf Lernende eingehen. Intelligente Tutorensysteme hingegen bieten personalisiertes Lernen und simulieren Einzelunterricht. Sie passen den Unterricht an den Lernfortschritt an, erkennen Schwächen und bieten gezielte Übungen oder Erklärungen an. Diese Systeme stellen sich also individuell auf den Lernenden ein und bieten gezieltes Feedback.

Am Oskar-Maria-Graf-Gymnasium in Neufahrn bei München wird KI beispielsweise aktiv eingesetzt, um Lehrkräfte zu entlasten. Lehrer:innen testen, wie KI bei der Textkorrektur und Analyse von Leistungen helfen kann. Englischlehrerin Beate Giehrl nutzt z.B. ein Lernspiel, das die Fortschritte der Schüler:innen überwacht und so Korrekturarbeit reduziert. Auch bei der Übersetzung von Texten bei Sprachbarrieren wird KI als nützliches Werkzeug eingesetzt. Darüber hinaus hat sich das Textanalysetool PEER, das Texte analysiert und Feedback zu Satzbau, Ausdruck und Struktur gibt, als sehr hilfreich erwiesen. 

Dennoch bewegen sich Lehrkräfte beim Thema KI noch auf unsicherem Terrain, da viele zentrale Fragen aus Politik und Gesellschaft bislang unbeantwortet sind. Was passiert beispielsweise, wenn Schüler:innen der Nutzung einer KI-Software aus Datenschutzgründen nicht zustimmen möchten? Angesichts offener Fragen wie dieser wird die Debatte um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bildungswesen wohl noch länger anhalten und es gilt, Vor- und Nachteile abzuwägen (Lehrer News berichtete). Eines steht jedoch fest: Gezielt eingesetzt kann KI Lehrkräfte effektiv unterstützen, individuelle Lernbedürfnisse besser berücksichtigen und einige der täglichen Herausforderungen im Schulalltag nachhaltig lösen.

Können Lehrkräfte durch KI ersetzt werden: ChatGPT antwortet

Vor diesem Hintergrund stellt sich die entscheidende Frage: Könnten Lehrkräfte durch KI künftig ersetzt werden? Lassen wir die KI doch selbst zu Wort kommen: Auf die Frage “Kannst du eines Tages Lehrer:innen ersetzen?” antwortet ChatGPT: “Das ist eine spannende Frage! Künstliche Intelligenz wie ChatGPT kann Lehrkräfte in bestimmten Bereichen unterstützen, zum Beispiel bei der Wissensvermittlung, der Beantwortung von Fragen oder dem Erstellen von Lernmaterialien. Allerdings sind Lehrer mehr als nur Wissensvermittler. Sie fördern soziale und emotionale Kompetenzen, bieten individuelle Unterstützung und bauen eine persönliche Beziehung zu ihren Schülern auf – Dinge, die eine KI momentan nicht leisten kann.” Für ChatGPT bleiben Lehrkräfte demnach unersetzlich, da ihre Rolle weit über die reine Wissensvermittlung hinausgeht.

Ob Lehrkräfte durch KI überflüssig werden könnten und welchen Nutzen KI für das Lernen in der Schule hat, wird derzeit im Rahmen des Projekts “KI4S’cool” von 1000 Schüler:innen in Hessen getestet. Im Albert-Einstein-Gymnasium in Schwalbach bearbeiten 20 Schüler:innen der elften Klasse auf ihren Tablets verschiedene Multiple-Choice-Fragen zu unterschiedlichen Themen der Physik. Nachdem sie eine Antwort ausgewählt haben, erhalten sie direkt eine Rückmeldung über die Richtigkeit ihrer Wahl. Anschließend wird der Lösungsweg umfassend und auf verschiedenen Ebenen dargestellt. Die Jugendlichen können außerdem bewerten, wie herausfordernd sie die Aufgabe empfanden und welche der Erklärungsformen ihnen am meisten geholfen hat. 

Bis zu diesem Punkt ähnelt das Vorgehen den gängigen digitalen Lernprogrammen und hat noch keinen Bezug zu Künstlicher Intelligenz. Der Einsatz von KI erfolgt erst im darauffolgenden Schritt: Jochen Kuhn, Leiter des Projekts, erklärt, dass für das Training einer KI zunächst Daten benötigt werden. Diese erhält sie beispielsweise durch die Rückmeldung der Schüler:innen über den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe oder welche Erklärung besonders hilfreich war. Im nächsten Schritt erhalten die Schüler:innen dann Aufgaben, die für sie besonders geeignet sind. “Jeder und jede lernt dann individuell und nach eigenem Tempo”, erklärt Kuhn. Er ist auch davon überzeugt, dass es in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird, Lehrkräfte durch Künstliche Intelligenz zu ersetzen, da der Mensch als “Kontrollinstanz” unverzichtbar bleibe und den pädagogisch-didaktischen Rahmen vorgeben müsse. Als unterstützendes Werkzeug, das den Unterricht bereichert, wird KI jedoch immer wichtiger.

Auch der Freiburger Gymnasiallehrer Patrick Bonner sieht KI nicht als Ersatz für Lehrkräfte: “Lernen ist und bleibt ein sozialer Prozess. KI kann mich hier unterstützen, aber kann mich auf keinen Fall ersetzen”, betont er. Bonner selbst nutzt für seinen Unterricht eine datenschutzkonforme Version von ChatGPT. Er legt aber großen Wert darauf, dass seine Schüler:innen immer bessere “Prompts” formulieren können und gleichzeitig die Antworten des Bots kritisch reflektieren. 

Einen weiteren interessanten Einblick gibt die Studie des McKinsey Global Institute (MGI), dem volkswirtschaftlichen ThinkTank der Unternehmensberatung McKinsey & Company aus dem Jahr 2023, die zeigt, dass generative KI (GenAI) ein enormes Potenzial für die globale Wirtschaft hat. Für den Lehrberuf stellt die Studie fest, dass GenAI insbesondere bei der Erstellung von Unterrichtsmaterialien und Aufgaben ein erhebliches Automatisierungspotenzial bietet. So könnten Lehrkräfte entlastet werden, indem KI etwa erste Entwürfe von Aufgaben generiert, die dann von Menschen überprüft und angepasst werden. Dies könnte Lehrkräften mehr Zeit für wertvolle Tätigkeiten wie die individuelle Betreuung von Schüler:innen oder die Moderation von Diskussionen ermöglichen. Damit würde GenAI den Lehrberuf nicht ersetzen, sondern ergänzen und bereichern.

KI und Mensch sind sich also einig: Lehrkräfte werden nicht überflüssig. Sie sind und bleiben essenziell für den Bildungsprozess und sind unverzichtbar. Künstliche Intelligenz kann zwar viele Aufgaben im Schulalltag erleichtern, wie z.B. Lernmaterialien automatisiert erstellen und individuell auf die Lernbedürfnisse der Schüler:innen eingehen, doch die menschliche Komponente bleibt unentbehrlich. Lehrkräfte fördern nicht nur fachliches Wissen, sondern auch soziale und emotionale Kompetenzen, die durch KI nicht ersetzt werden können. Wie steht ihr zu diesem Thema? Seht ihr KI als Unterstützung in eurem Schulalltag oder eher als Herausforderung? Und wie plant ihr die Integration von KI in euren Unterricht?

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