Lehrermangel in Niedersachsen und NRW: Wie geht es nach den Sommerferien weiter?

Ein leeres Klassenzimmer mit leeren Tischen und Stühlen.

Der Fachkräftemangel bleibt auch in den Schulferien nicht unbemerkt. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fordern Lösungen. (Quelle: Pexels)

Hannover. Die Sommerferien stehen vor der Tür, doch anstatt sich zu entspannen, sehen einige Eltern mit Sorge in die Zukunft. Grund dafür ist die Situation an den meisten niedersächsischen Schulen im kommenden Schuljahr: Unterrichtsausfall an allen Schulformen, weil Lehrkräfte fehlen. Miriam Kaschel, die neue Vorsitzende des Landeselternrates Niedersachsen, erklärt, dass am stärksten die Ober- und Grundschulen betroffen seien. Doch schaut man genauer hin, wird klar, dass alle Schulformen  betroffen sind. “Weil Lehrkräfte fehlten, könnten auch Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf mancherorts nicht mehr unterstützt werden”, so Kaschel. Da der Fachkräftemangel jedoch nicht so schnell gelöst werden kann, wird eine Option gesucht, die den Mangel an manchen Orten erträglicher gestalten kann.

Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) hatte Anfang diesen Jahres darauf hingewiesen, dass etwa 2000 zusätzliche Lehrkräfte für eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung notwendig seien. Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) befürchtet, dass die Forderung schlichtweg nicht umzusetzen sei. Zahlreiche ausgeschriebene Stellen können für das neue Schuljahr nicht besetzt werden. Fächer wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen werden durch den Mangel nicht unterrichtet. Besonders der ländliche Raum Niedersachsens sei davon betroffen, hier wird nur die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen besetzt, so der Verband. Das Kultusministerium in Hannover besänftigt die Sorgen der Eltern: “Aktuell sind 1144 von 1457 ausgeschriebenen Stellen besetzt. Wir bewegen uns also im üblichen Rahmen”, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Quote sei damit erfüllt und entspreche den Werten der vergangenen Jahre zum selben Zeitpunkt vor den Ferien. Dennoch bleiben weiterhin Sorgen bestehen.

Ähnlich sieht es in  Nordrhein-Westfalen aus. Trotz neuer Stellen und mehr Personal sind immer noch knapp 6.000 Lehrstellen nicht besetzt. Hinzu kommt, dass ungefähr 33.000 geflohene Kinder und Jugendliche im Schulalltag und Klassen integriert werden müssen. Im Ruhrgebiet sind besonders viele Lehrstellen frei, vor allem an Grundschulen. Abordnungen für zwei Jahre sollen diesen Freiraum kurzfristig schließen. Allerdings werden die Lehrkräfte von Grundschulen nicht an andere Grundschulen versetzt, sondern sollen ihren Unterricht an einer anderen Schulform bewältigen. Dadurch entstehen mehrere Lücken gerade an kleineren Grundschulen. Wie diese gefüllt werden, scheint allerdings noch offen zu sein. “Der gesamte Prozess der Abordnungen ist noch nicht abgeschlossen”, so die Bezirksregierung Münster. Franziska Müller-Rech, die schulpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, kritisiert das Vorgehen ebenfalls. “Bis zu drei Kollegien müssen verändert werden, um eine Lehrstelle zu besetzen. Stattdessen sollten junge Lehrkräfte direkt an Schulen mit Mangel eingestellt werden. Hierfür müssen Anreize geschaffen werden”, so Müller-Rech. Anreize könnten laut Doris Feldmann vom VBE folgendermaßen aussehen:  Neben den Abordnungen von Lehrkräften von Schule zu Schule kann es Abordnungen ins Ministerium oder an Bezirksregierungen geben. Sonderaufgaben, wie die Qualitätsanalyse des Unterrichts, könnten außerdem hinzukommen. Schulministerin Dorothee Feller (SPD) erklärt, dass die Abordnungen von Lehrkräften an anderen Schulen keine Dauermaßnahme sein soll. Studienplätze für das Lehramt wurden ausreichend geschaffen und der Seiteneinstieg in den Beruf sei dadurch weiter geöffnet worden. Allerdings zeigt sich die Umsetzung erst in ein paar Jahren. Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, kritisiert Fellers Aussage stark: “Feller wurde als Verwaltungsfachkraft geholt, um Ruhe in das System zu bringen. Das ist ihr bisher nicht gelungen.”

Ein weiterer Faktor ist die Integration von Schüler:innen aus dem Ausland, deren zunehmende Zahl den Lehrkräftemangel verstärkt. “Wir machen das mit Herzblut”, so Martin Sina, Schulleiter des Abtei-Gymnasiums in Brauweiler. Die Kapazitäten sind jedoch ebenfalls ausgeschöpft. Nicht nur fehlendes Personal, sondern auch fehlende Räumlichkeiten erschweren den Schulalltag. In den vergangenen Jahren kam neben Integration auch die Inklusion von Schüler:innen mit Förderbedarf hinzu. Auch Themen wie Berufsorientierung und Digitalisierung sollten innerhalb des Lehrplans behandelt werden. “Man muss ein gutes Konzept haben, in dem Kinder gut integriert werden und mit anderen Schülern in einem regelmäßigen Austausch stehen", so Feller. Doch diese Aufgabe sollte nicht zu unterschätzen sein, appelliert Engin an Feller. Lieber sollen Förderprogramme entwickelt werden, die Entlastung und Erleichterung bringen. Wie der Fachkräftemangel in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen verringert wird, bleibt also abzuwarten.

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