Berlin. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) möchte die alleinige Zuständigkeit der Länder in der Bildung beenden. In ihren Forderungen macht sie deutlich, dass sie die Kompetenzen des Bundes aus die Schulpolitik übertragen möchte. Zudem sollen ab dem Schuljahr 2024/25 bundesweit Schulen in sozial herausfordernder Lage mit einer Bildungsmilliarde gefördert werden. Damit antwortet Stark-Watzinger auf die großen Bildungspläne, die unter anderem durch den Ukraine-Krieg an den Rand gedrängt wurden.
„Es kann nicht sein, dass der Bund immer nur Geld geben soll, aber kein Mitspracherecht hat. Deshalb müssen wir über eine neue Aufgabenverteilung sprechen“, so Stark-Watzinger. Die Bildungsministerin könne sich Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern vorstellen und ergänzt, dass sie sich zum Ziel nimmt, zu einem Kooperationsangebot bei der Bildung zu kommen. Zudem schlug sie vor, dass der Bund unter anderem die Zuständigkeit für die Digitalisierung und die Erhebung der Leistungsergebnisse übernimmt. Nötig sei ihrer Meinung nach, dass "wir endlich genau wissen, wo wir bei der Bildung der Kinder und Jugendlichen eigentlich stehen, damit gezielt nachgesteuert werden kann". Ebenso solle der Bund einheitliche Standards setzen, damit zum Beispiel ein Umzug in ein anderes Bundesland für die Schüler:innen nicht mehr zur Herausforderung beim Schulwechsel wird. Die FDP-Politikerin wünscht sich eine bessere Vergleichbarkeit der Bildungsergebnisse der Bundesländer. "Wir müssen den Mut haben, Daten zu erheben, uns den Ergebnissen zu stellen und offen und ehrlich damit umzugehen", sagte sie. Mehr Daten seien von großer Bedeutung, um Probleme frühzeitig zu erkennen und gezielt lösen zu können.
Ein weiteres Vorhaben ist es, die Bildungsmilliarde, mit der die Bildungsversprechen eingehalten werden sollten, zu einer Startchancenmilliarde zu machen. Mit dem Startchancenprogramm wolle Stark-Watzinger einen substanziellen Beitrag leisten, um Bildungserfolg von sozialer Herkunft zu entkoppeln. Das Startchancenprogramm stellt einen Paradigmenwechsel dar – weg von der Gießkanne, hin zu einer gezielten Förderung derjenigen, die unsere Unterstützung am meisten brauchen, mit dem etwa 4000 Schulen Jahr für Jahr, auf zehn Jahre gefördert werden sollen. Das heißt konkret, dass der Königsteiner Schlüssel, nach dem sonst Gelder auf die Länder verteilt werden, teilweise ausgehebelt und durch einen Mechanismus ersetzt werden soll, der sich an Bedürftigkeit orientiert. Weiterhin geht es um die Frage, wer wie viel zahlt. Stark-Watzinger erwartet, dass der Bund die Bildungsmilliarde und die Länder eine weitere Milliarde zur Verfügung stellen – das wären dann insgesamt zwei Milliarden Euro jährlich. Somit würden pro Schule eine halbe Million Euro im Jahr bereitstehen.
Aus den Ländern ist der Vorwurf zu hören, der Bund habe den Mund zu voll genommen – und versuche nun, die Länder zur Kasse zu bitten. In den Koalitionsverhandlungen sei das Startchancenprogramm auf zwei Milliarden Euro jährlich taxiert worden – zu zahlen vom Bund. Die Bildungsmilliarde ist demnach aus Ländersicht keine kräftige Investition, sondern eine kräftige Kürzung um 50 Prozent. Hinzu kommt die im Zuge der Verhandlungen ausgelöste Föderalismusdebatte. Stark-Watzinger selbst hat mehrfach bestätigt, dass sie Bildung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern sieht. Ihr Parteikollege und Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen forderte eine Debatte über die Entflechtung der Finanzen von Bund, Ländern und Gemeinden. Besonders die gut begründete Aufgabenteilung durch “Pakte” auszuhöhlen, müsse eingedämmt werden.
Die Zukunft des Startchancenprogramms und der damit verbundenen Aufgabenteilung bei zentralen Bildungsvorhaben ist also erstmal weiterhin ungewiss und wird dem Strudel der Föderalismusdebatte trotzen müssen. Gleichzeitig müssen sich im Zuge der Verhandlungen diejenigen, die von den neuen Maßnahmen am meisten profitieren sollen – nämlich Schüler:innen und Lehrkräfte – in ihrer Geduld proben.