Darf sie Lehrerin werden? Die Debatte um Lisa Poettingers politische Haltung (Quelle: Wikimedia Commons / C.Suthorn )
München. Eine angehende Lehrerin steht in Bayern vor einer ungewissen Zukunft: Lisa Poettinger droht der Ausschluss vom Referendariat, da das bayerische Kultusministerium ihren politischen Aktivismus als problematisch ansieht. Die 28-Jährige, die sich in der Gruppe “Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München” engagiert, nahm an Protesten gegen Braunkohleabbau und die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) teil. Nun wird geprüft, ob ihr Einsatz als Lehrkraft mit der Verfassung vereinbar ist – und ob sie den “Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien” antreten darf.
Die Süddeutsche Zeitung hatte zunächst berichtet, das Kultusministerium habe Poettinger bereits vom Referendariat ausgeschlossen. Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) stellte jedoch klar, dass die Entscheidung noch ausstehe. Poettinger hingegen sprach auf X von einem “Berufsverbot”. Das Ministerium betont, sie habe bislang lediglich ein Anhörungsschreiben erhalten und darauf bereits geantwortet.
Herrmann stellte klar, dass das Anhörungsverfahren nicht wegen des Klima-Aktivismus Poettingers eingeleitet worden sei, sondern wegen ihres Engagements in linksextremistischen Gruppen und damit verbundenen strafrechtlichen Ermittlungen. Der bayerische Verfassungsschutz stuft die Gruppe “Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München” nämlich als linksextremistisch ein.
Als Begründung führt das Ministerium zudem Poettingers Wortwahl in einem Interview an. In einem Bescheid an die 28-Jährige, den die Süddeutsche Zeitung zitiert, heißt es: “Gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) äußerten Sie als Sprecherin von ‘#noIAA am 05.09.2021, dass die Messe ein Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima’ sei.” Weiter wird argumentiert, dass der Begriff “Profitmaximierung” aus der kommunistischen Ideologie stamme, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei.
Poettinger selbst bezeichnet sich als Marxistin, betont jedoch ihre feste Überzeugung für das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung. Herrmann hielt dem jedoch entgegen: “Extremisten haben im Staatsdienst nichts verloren, im Schuldienst erst recht nicht. Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen.”
Im Januar 2024 organisierte Poettinger außerdem eine Massendemonstration gegen die AfD in München. Dabei geriet besonders ein X-Post von ihr in den Fokus: “Aber was wollen CSU-Politiker:innen vor Ort? Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!”
Laut Berichten laufen derzeit zwei Ermittlungsverfahren gegen Poettinger. Nach den Protesten in Lützerath wird ihr Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie ein tätlicher Angriff auf diese vorgeworfen. Zudem soll sie AfD-Wahlplakate zerstört haben. In einer Stellungnahme an das Kultusministerium, aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert, begründete sie dies damit, dass die Plakate eine “klar antisemitische Bildsprache” verwendet hätten. Überzeugt hat das die Behörden offenbar nicht. Poettinger kann juristisch gegen die Entscheidung vorgehen. Auf X betonte sie: “Ich werde dagegen vorgehen und mich nicht einschüchtern lassen.”
Der Ausschluss vom Referendariat käme einem Berufsverbot gleich – eine Praxis, die in Deutschland seit den 1970er und 1980er Jahren seltener geworden ist. Damals galt der Radikalenerlass von 1972, der den öffentlichen Dienst vor vermeintlichen Verfassungsfeinden schützen sollte, bis Bayern ihn 1991 als letztes Bundesland abschaffte. Ob Poettinger ihr Referendariat antreten kann und ob ihr Fall ein neues Kapitel in der Debatte um die politische Neutralität im Schuldienst aufschlägt, bleibt abzuwarten.