Quo vadis? Woran es im deutschen Bildungssystem krankt.

Von
Jonas Schneider
|
24
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January 2024
|
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Ein Mädchen malt eine Erdkugel mit Kreide auf den Boden

Quo vadis? Woran es im deutschen Bildungssystem krankt.

Lernen befähigt die Menschen, ihre eigene Zukunft und die unserer Gesellschaft zu entwickeln und zu verbessern. Hunderte Millionen von Kindern weltweit können nicht zur Schule gehen, doch auch in das deutsche Bildungssystem muss dringend investiert werden, um zukunftsfähig zu sein. Am 24. Januar will die UNESCO mit dem Internationalen Tag der Bildung auf das Thema Aufmerksam machen. Er dient dazu, die Weltgemeinschaft an einen wichtigen Teil der UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 zu erinnern. Nämlich das Ziel, bis zu jenem Jahr “eine hochwertige, inklusive und chancengerechte Bildung für Menschen weltweit und ein Leben lang sicherzustellen”. Wir möchten zum Aktionstag daher den Nachholbedarf der deutschen Schulpolitik in den Fokus nehmen und einen Blick darauf werfen, wie es weltweit um die Bildungsziele der Vereinten Nationen steht.

Woran es im deutschen Bildungssystem am meisten krankt

Es braucht keine niederschmetternden Pisa-Ergebnisse, um zu erkennen, dass in der deutschen Bildungspolitik Handlungsbedarf herrscht. Deutschlands Lehrkräfte sind überlastet und machen größtenteils Überstunden. Einer der vielen Gründe dafür ist schlicht die Masse an Aufgaben, die erledigt werden müssen. Es braucht mehr flankierendes Personal, beispielsweise in der Schulpsychologie und -sozialarbeit, um den komplexen Problemen von Kindern gerecht werden zu können. Außerdem müssen dringend zeitaufwändige Verwaltungsaufgaben und Datenschutzanforderungen vereinfacht werden. Diese nehmen zu viel Zeit in Anspruch, weshalb sich die Pädagog:innen zu wenig auf ihre Stärken und Aufgaben im Unterricht konzentrieren können. Ein weiterer Grund ist der Lehrkräftemangel. Dabei würde es schon helfen, die Arbeitsumstände für diesen Beruf durch die genannten Punkte zu verbessern. Aber auch gesellschaftliche und politische Wertschätzung ist dringend erforderlich, damit sich junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden. Da hilft es eben nicht, wenn der Pisa-Chef heftige Kritik an Lehrkräften übt oder Markus Söder diesen zu viel Teilzeitarbeit vorwirft und so ein negatives Bild der Berufsgruppe zeichnet.

Auch die marode Infrastruktur darf nicht länger für Ablenkung und Belastung im Schulalltag sorgen. Vergangenes Jahr betrug der Sanierungsstau an deutschen Schulen laut KfW rund 50 Milliarden Euro. Zu wenig Platz, heruntergekommene Klassenräume und Turnhallen oder Schimmel in den Toiletten. Überall machen sich fehlende Investitionen bemerkbar. Ebenso verhindert eine mangelhafte technische Ausstattung effizientes Lehren, Digitalisierung im Unterricht und damit auch die Vermittlung von Medienkompetenz an die Kinder. Trotz des Digitalpakts und den Planungen für einen Digitalpakt 2.0 fehlt es hier schlicht an Tempo. Es kommt auf die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen an, damit Investitionen nicht durch Zuständigkeits-Streitereien verschleppt werden.

All diese Defizite verhindern, dass unser Bildungssystem angemessen auf die unzähligen Herausforderungen im Schulalltag eingehen kann. Denn so können Lehrkräfte mit der Integration von Geflüchteten, Lernrückständen aus der Pandemie, wachsenden Unterschieden im Bildungsniveau abhängig von der sozialen Herkunft und weiteren Problemen nicht gerecht werden. Der internationale Tag der Bildung ist ein guter Anlass, um die Gesellschaft eindringlich darauf aufmerksam zu machen. Die UNESCO möchte die Mitgliedstaaten damit direkt daran erinnern, ihren Verpflichtungen in diesem Bereich nachzukommen. Doch woher kommt der Tag eigentlich?

Wie es um die UN-Agenda Bildung 2030 steht

Im September 2015 haben die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele ausgegeben. Unter der sogenannten Agenda 2030 formulierten sie einen “Plan zur Förderung nachhaltigen Friedens und Wohlstands und zum Schutz unseres Planeten”. Bildung ist dabei das vierte Nachhaltigkeitsziel, um allen Menschen “Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung" sowie die “Möglichkeiten des lebenslangen Lernens” zu gewährleisten, so die UN. Wie der SDG-Fortschrittsbericht 2023 des UN-Generalsekretärs António Guterres zeigt, geht es beim Erreichen der Ziele in vielen Ländern zu langsam voran. Auch 2030 würden demnach “etwa 84 Millionen Kinder und Jugendliche (...) noch keine Schule besuchen, und etwa 300 Millionen Schülerinnen und Schüler werden nicht über die für den späteren Erfolg im Leben notwendigen Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen”, lautet die erschreckende Erkenntnis im Bericht.

Zum internationalen Tag der Bildung legt auch Bildungsinfluencer Nico Colsmann, Gründer der Zukunft Digitale Bildung gGmbH (ZDB), den Finger in die Wunde: “Jedes Kind hat das Recht auf eine Schulausbildung und jeder Mensch ein Anrecht darauf, seine Lernbedürfnisse zu befriedigen”. Diese Rechte würden verletzt, wenn heute 250 Millionen Kinder und Jugendliche nicht zur Schule gehen können und 763 Millionen Erwachsene noch Analphabeten seien, wie Colsmann in seinem Statement erklärt. “Jeder Tag ohne Bildung ist ein Schritt zurück”, bringt der Experte das Problem auf den Punkt.

„Lernen für dauerhaften Frieden“ als diesjähriges Motto

Für den Aktionstag in diesem Jahr hat die UNESCO das Motto “Lernen für dauerhaften Frieden” ausgerufen. Die Organisation begründet dies in einer “Welle gewaltsamer Konflikte”, die die Welt erlebe und zeigt sich alarmiert vom damit einhergehenden Anstieg von “Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hassrede”. Konkret adressiert die UNESCO mit ihrem Motto den Anstieg an Hassbotschaften im Netz. Weil man den Kampf dagegen nur mit Bildung gewinnen könne, erklärt sie: 

“Lernen für den Frieden muss transformativ sein und dazu beitragen, den Lernenden das notwendige Wissen, die Werte, Einstellungen sowie Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu vermitteln, damit sie in ihren Gemeinschaften zu Friedensstiftern werden können.”

Wenn in diesen Tagen Hunderttausende Menschen auf die Straße gehen, um gegen “Rechts” und damit gegen Fremdenhass, Rassismus und Diskriminierung zu demonstrieren wird sichtbar, wie aktuell dieses Thema in Deutschland ist. Auch durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Eskalation im Nahostkonflikt hat die Polarisierung in öffentlichen Debatten zugenommen. Kinder werden damit früh konfrontiert, weshalb hier die Bildung in die Verantwortung rückt. Wie ihr schwierigen Themen in eurem Unterricht begegnen könnt, haben wir für die Lage in Israel in einem Artikel erklärt. Die Schule ist der Ort, an dem alle Kinder, unabhängig von ihrem sozialen, religiösen oder politischen Umfeld, die Chance erhalten, sich ein Wissen aufzubauen, um damit umgehen zu können.

Das sieht auch ZDB-Gründer Colsmann so, der in seinem Statement ebenfalls erklärt: “Es ist die kollektive Pflicht aller Bürger, jeden Alters zu befähigen, Hass zu dekonstruieren und eine Grundlage für eine integrative, demokratische und gerechte Gesellschaft zu legen”. Er weist in diesem Zusammenhang auch direkt auf die Menschen hin, die bei dieser Herausforderung den Unterschied machen. “An vorderster Front stehen Lehrende”, zeigt er auf und führt aus: “Ihnen steht bei der Überwindung dieser Problematik die größte Aufgabe zu, Hass durch Bildung zu unterbinden”. Dass diese Aufgabe gerade für Lehrkräfte auch in einem reichen Land wie Deutschland eine Herausforderung ist, zeigt der Blick, den wir eingangs auf unser Schulsystem geworfen haben.

Was sind eurer Meinung nach die dringendsten Baustellen der deutschen Schulpolitik? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

Wenn ihr noch mehr darüber lesen wollt, wo die deutsche Bildungspolitik dringend ansetzen sollte, dann sind vielleicht die Gastbeiträge von Stefan Düll, dem Präsidenten des deutschen Lehrerverbandes und von Susanne Lin-Klitzing vom Deutschen Philologenverband interessant. Lehrer-News hat die Beiden zum Jahreswechsel gebeten, ihre Forderungen für 2024 auszuführen.

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