Umfrage zeigt: Lehrermangel eines der größten Probleme an deutschen Schulen

Von
Jonas Schneider
|
27
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January 2024
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Eine Lehrerin steht gestresst zwischen ihren Schülern. Sie wird mit Papier beworfen

Das Schulsystem leidet unter dem Lehrkräftemangel. Das trifft besonders Lehrer:innen. (Quelle: Envato)

Der Lehrermangel ist eines der größten Probleme im deutschen Bildungssystem und fast alle Menschen im Land sind sich dessen bewusst. Zumindest sagen das die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des NDR, bei der 89 Prozent dieses Thema als ein Kernproblem ausmachen. Wir wollen die wichtigsten Erkenntnisse aus der Befragung zum Mangel, der Gewinnung und Überlastung von Lehrkräften aufgreifen. Etwas Hoffnung macht eine Info der Bertelsmann Stiftung, die prognostiziert, dass die Demografie das Personaldefizit zumindest an den Grundschulen bald erledigen könnte.

Der Lehrkräftemangel beschäftigt alle befragten

Für sein Format “#NDRfragt” hat der öffentlich-rechtliche Sender über 17 Tausend Personen nach ihrer Einschätzung zum Schulbetrieb in ihren Bundesländern befragt. Die Ergebnisse beziehen sich nur auf Norddeutschland und die Umfrage ist auch nicht repräsentativ, jedoch wurde versucht, Verzerrungen sofern möglich heraus zu rechnen. Ein interessantes Stimmungsbild kann die Befragung auf jeden Fall bieten. Immerhin 40 Prozent gaben an, Kinder, Enkel oder nahe Verwandte zu haben, die Schüler:innen sind und weitere 10 Prozent sind oder waren Lehrer:in bzw. gehen noch selbst zur Schule.

Tatsächlich war bei den befragten Lehrer:innen der Lehrkräftemangel mit 17 Prozent die meistgenannte “größte Herausforderung” im Beruf. Im Vergleich entfielen auf den Mangel an Sozialarbeit/Förderpädagogen noch 14 Prozent und die Themen Bürokratie, Integration, das Verhalten der Schüler:innen sowie Leistungsunterschiede/Überforderung in der Klasse jeweils 10 Prozent. Einig waren sich die Lehrkräfte selbst darüber, eine eher hohe (38%) oder sehr hohe (56%) Arbeitsbelastung zu verspüren. Dieses Ergebnis zeigt, dass der Handlungsbedarf hoch ist.

Lehrkräfte müssen schnell entlastet werden

Die hohe Belastung im Beruf ist nämlich auch der Grund, weshalb viele Lehrkräfte nur Teilzeit arbeiten möchten. In der Sendung “NDR Info - Redezeit” spricht auch Kathrin Langel, stellvertretende Vorsitzende des Landeselternrats Niedersachsen, diesen Punkt an: “Was Sorge machen sollte, ist der Anteil an jungen Lehrkräften die gar keine Familie haben und trotzdem Stunden reduzieren, weil sie eben sagen, sie sind überlastet, überfrachtet mit Aufgaben”. Dies zeigt, dass die Debatte darum, diesen das Recht auf Teilzeit einzuschränken, wie es unter anderem Markus Söder kürzlich tat (Lehrer-News berichtete), nicht zielführend ist. “Ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden, um nicht vor die Hunde zu gehen”, erklärt Kerstin Felgner nüchtern ihre Entscheidung für eine Teilzeitstelle in einem TV-Beitrag von NDR Info.

Schüler:innen und Eltern nehmen deutlich wahr, wie die Lehrer:innen unter den Umständen leiden: “Die Lage ist prekär. Viel zu wenig Lehrer, viel zu viel Bürokratie”, erklärt Claudia Langula im Fernsehbeitrag über die Schule ihrer Kinder. ”Manchmal ist es auch so, dass die Lehrer zwei Klassen zu betreuen haben. (...) Der Lehrer rennt dann immer von einer Klasse zur anderen”, schildert sie ihre Erfahrungen. Auch die Schülerin Emma Hansen sieht eine große Belastung in der Vertretungsarbeit, die Lehrer:innen leisten müssen: “Dadurch kommen wir in einen Teufelskreis. Weil die werden dann auch krank, bleiben dann auch länger weg”, schildert sie in der “Redezeit”-Sendung. Großes Verständnis zeigt sie in diesem Zusammenhang für ihre Lehrer:innen: “Da steht auch ein Mensch vor mir, der auch ausgelaugt ist, der gerade vielleicht an seinem oder ihrem Limit ist und trotzdem hierhin geht und versucht, uns was beizubringen”, zeigt sie sich besorgt. Deutlich wird bei diesen Aussagen, dass es letztendlich sofort Entlastung für diejenigen braucht, die täglich an ihrer Schule kämpfen, um den Mangel aufzufangen. 

Der NDR hat auch danach gefragt, wie man die Pädagog:innen im Berufsalltag kurzfristig entlasten könnte. Die Wunschlösung für 64 Prozent der Betroffenen selbst wären demnach kleinere Klassen, für die es aber Personal bräuchte. Auch externe Vertretungspersonen mit Fachkenntnis (44%), mehr Entscheidungsfreiraum in Bezug auf den Lehrplan und Prüfungen (35%) und bessere technische/digitale Ausstattung (21%) würden den Stress für die Lehrer:innen entlasten. Doch es stellt sich die Frage, woher die benötigten Lehrkräfte kommen sollen, damit sich die Lage nachhaltig verbessert.

Was gegen den Lehrkräftemangel helfen könnte

Eine viel diskutierte Lösung ist es, mehr Quereinsteiger:innen für das Lehramt zu gewinnen, um den Mangel zu bekämpfen. Über 80 Prozent aller Befragten sehen diesen Ansatz positiv und befürworten Quereinsteiger:innen grundsätzlich im Schuldienst. Etwas mehr als ein Viertel sieht im erleichterten Einstieg von Quereinsteiger:innen auch tatsächlich den richtigen Lösungsansatz, knapp vor der höheren Attraktivität von Studium/Referendariat (24%) und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen (19%). Die Lehrkräfte selbst sehen in letzterem den viel wichtigeren Punkt, wenn es darum geht, neue Menschen zum Schuldienst zu begeistern. Jede:r zweite von ihnen nennt bessere Arbeitsbedingungen als beste Maßnahme, die erleichterte Zulassung für Quereinsteiger:innen nur 11 Prozent. Daher ergibt sich das logische Ziel, mehr Menschen für den Beruf zu begeistern und ins Lehramt zu bringen. 58 Prozent aller Teilnehmenden waren sich einig, dass man mehr Lehrkräfte einstellen müsse. Mit Quereinsteiger:innen alleine ist dem großen Bedarf aber kaum nachzukommen.

Eine bessere Bezahlung sehen die wenigsten Befragten (5%) als wichtigen Ansatz bei der Lehrkräftegewinnung. Auch Anna, eine 42-jährige Lehrerin aus Schleswig-Holstein macht dies im Rahmen der Befragung deutlich: “Natürlich wäre ein höheres Gehalt in Fächern mit Lehrermangel zunächst eine Verlockung. Allerdings löst das Gehalt die Probleme nicht. Lehrer müssen bei uns zu viele andere Aufgaben übernehmen. Hier sollte Entlastung stattfinden”. Diese wäre sowohl für das vorhandene Personal dringend notwendig, als auch ein Argument, wenn es darum geht, mehr Menschen in den Schuldienst zu bringen.

Bertelsmann Studie gibt Entwarnung für Lehrkräftemangel an Grundschulen

Eine aktuell veröffentlichte Prognose der Bertelsmann Stiftung stellt zumindest für Grundschulen ein baldiges Ende in Sachen Lehrermangel in Aussicht. Schon ab dem kommenden Schuljahr stünden demnach etwa 2300 Grundschullehrer:innen mehr als Stellen zur Verfügung. Bis 2035 könnten es laut Einschätzung der Experten sogar über 45 Tausend fertig Ausgebildete sein. Grund dafür ist die demografische Entwicklung, so die Herausgeber. Weil in den letzten beiden Jahren wieder weniger Kinder geboren wurden als noch bis 2021, unterscheidet sich die neueste Prognose deutlich von älteren Vorhersagen. Erst Ende letzten Jahres hatten die Berechnungen der Kultusministerkonferenz einen Überschuss von nur 6300 Absolventen im Primarbereich ergeben. Dirk Zorn, Co-Autor der Bertelsmann Studie, nennt die Ergebnisse einen “Lichtblick” für die sonst eher düstere Lage im deutschen Bildungswesen. Dennoch weist er darauf hin, dass sich der Effekt je nach Bundesland unterschiedlich schnell bemerkbar mache und eine Überversorgung in der Großstadt keinen Mangel im ländlichen Raum ausschließe.

Trotz der positiven Nachricht, warnt der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, vor voreiligen Schlüssen und mahnt an, dass die Bedarfszahlen sich nur am Status Quo orientieren würden: “Die Prognosen müssen sich endlich an den tatsächlichen Aufgaben (...) orientieren. Inklusion, Ganztag und die zunehmende Heterogenität stellen Anforderungen an Lehrkräfte, die nicht allein zu stemmen sind”. Auch Klassengrößen zu verringern sei ein dringender Schritt, so Brand. “Jetzt ist es an der Zeit, sie zu entlasten”, fordert er von der Bildungspolitik eine Aufstockung des Personals, auch mit Verweis darauf, wie viel Lehrkräfte krankheitsbedingte Abwesenheiten von Kolleg:innen auffangen müssten. Auch die Studienherausgeber haben ihre Veröffentlichung mit dem Verweis versehen, man solle das Personal unter anderem für den Ausbau von Ganztagsangeboten nutzen, sozial benachteiligter Schüler:innen gezielter zu fördern und das Schulsystem resilienter für beispielsweise große Fluchtbewegungen machen. 

Das Bild von Deutschen Schulen bleibt verheerend

Dennoch, “vor allem in den nicht-gymnasialen weiterführenden Schulen sowie in den MINT-Fächern herrscht noch auf absehbare Zeit ein großer Mangel an Lehrkräften”, so die Verfasser der Studie. Diesen Handlungsbedarf unterstreicht auch das Bild, das die sonstige Befragung des NDR ergeben hat. 62 Prozent sind der Meinung, es wird an Schulen insgesamt zu wenig Wissen vermittelt, 17 Prozent davon empfinden es sogar als “viel zu wenig”. Ähnlich ernüchternd zeigt sich auch welche Schulnoten die Befragten den Schulen generell gegeben haben: Die meisten Antworten entfielen auf "befriedigend" (31%) oder “ausreichend” (30%) und noch jede:r Fünfte gab ein “mangelhaft”. Für “gut” (8 Prozent) und “sehr gut” (0%) wurden die Schulen kaum befunden.

Sicherlich stehen die Umfrageergebnisse auch unter dem Eindruck der schlechten Pisa-Ergebnisse. Eine große Zahl an Problemen im Bildungssektor und besonders der Mangel an Lehrkräften scheint jedoch den meisten Menschen sehr bewusst zu sein. Egal welchen Weg die Politik gehen möchte, um dieses Defizit zu beheben, es braucht große Investitionen in unser Schulsystem. Vielleicht können zumindest die Grundschulen schon bald von einer indirekten Personalaufstockung profitieren.

Welche Ergebnisse der Umfrage haben euch überrascht? Und was sollte eurer Meinung nach dringend getan werden, um Lehrkräfte zu entlasten? Schreibt es uns in die Kommentare!

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