Sonderzuschläge gegen Lehrermangel in Thüringen: “Die Zeichen stehen weiter auf Sturm”

Von
Helen Mattes
|
28
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July 2024
|
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Frau verdeckt sich das Gesicht mit einem Buch

Trotz Sonderzuschläge herrscht in Thüringen weiterhin Lehrermangel (Quelle: Unsplash)

Erfurt. In Thüringen soll der Lehrermangel unter anderem durch Sonderzuschläge bekämpft werden. Wie die Zahlen des Bildungsministeriums zeigen, bleibt der große Erfolg jedoch aus. In diesem Jahr wurden für 106 Beamt:innen Sonderzahlungen bewilligt, während es im vergangenen Jahr noch 209 Zuschläge waren. Zur Einordnung: An den allgemein- und berufsbildenden Schulen arbeiten landesweit mehr als 20.000 Lehrkräfte. Die vergleichsweise niedrigen Zahlen zeigen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels nicht greifen. 

Seit November 2022 wirbt Thüringen mit Sonderzuschlägen für neu eingestellte Lehrkräfte, um einen besonderen Anreiz für junge Lehrer:innen zu schaffen. Ziel ist es, dem Lehrermangel entschieden entgegenzutreten. Dafür wurden Stellen mit einem Zuschlag von 10 Prozent ausgeschrieben. Die Aktion ist zunächst auf fünf Jahre befristet und gilt für alle Lehrkräfte, die zwei von drei der folgenden Kriterien erfüllen: Bedarfsregion, Bedarfsfach oder Bedarfsschulart. Mit Ausnahme der größeren Städte wie Erfurt, Jena und Weimar gelten fast alle Gebiete als Bedarfsregion. Die Bedarfsschulart umfasst die Schularten des Sekundarbereichs I (Regelschulen, Gemeinschaftsschulen und Gesamtschulen), Förderschulen und Berufsbildende Schulen. Zu den Bedarfsfächern gehören, sofern sie nicht an einer Grundschule unterrichtet werden, unter anderem die Fächer Wirtschaft, Mathematik, Deutsch, Kunst und Informatik. Für das Projekt wurden 2023 insgesamt 1,6 Millionen Euro aus der Landeskasse bereitgestellt.

Nun die ernüchternde Realität: Vor allem in ländlichen Regionen stoßen die Sonderzuschläge auf wenig Resonanz. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) sieht die Ursache in der hohen Komplexität und Dynamik des Lehrergewinnungsprozesses. "Die Sonderzuschläge sind ein Stein im Mosaik vieler Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels”, betont er. Hinzu kommt, dass demnächst auch die Fächer Latein und Geografie als Bedarfsfächer eingestuft werden, da es für diese Bereiche kaum Nachwuchspädagog:innen gibt. Christian Tischner (CDU) sieht insbesondere im Bereich der Bürokratie Nachholbedarf: “Kein Lehrer entscheidet sich kurz vor Schulstart für ein anderes Bundesland. Wenn Thüringen ewig braucht für Zusagen, dann hilft auch keine Zulage mehr”. Die Einstellungsverfahren müssen daher beschleunigt werden, damit die Zuschüsse ihre Wirksamkeit behalten.

Der Thüringer Lehrerverband (tlv) weist darauf hin, dass viele Pädagog:innen und Schulleiter:innen frustriert sind und nicht wissen, wie sie die Personallücken schließen sollen. Der Vorsitzende des tlv, Tim Reukauf, betont: “Der Unterricht ist nicht das, was die Lehrkräfte stresst – es ist das ganze Drumherum”. Dies führt dazu, dass ältere Lehrkräfte den Schuldienst schnellstmöglich beenden möchten und dafür sogar Einbußen bei der Altersversorgung in Kauf nehmen, um möglichst früh in Rente oder Pension zu gehen. Der tlv weist darauf hin, dass kurz vor Ende der Sommerferien 970 offene Stellen im Karriereportal des Landes eingetragen sind. "Die Zeichen stehen weiter auf Sturm", so der Verband in einer Pressemitteilung über den Beginn des Schuljahres 2024/25. 

Reukauf macht erneut deutlich, wie katastrophal die Personalsituation in Thüringen ist. “Neunzehn von zwanzig Schulen im Freistaat haben Personalprobleme in einem Ausmaß, das sich direkt auf die Beschulung der Kinder und Jugendlichen auswirkt”. Die Landesleitung des tlv hat deshalb bereits einen umfangreichen Forderungskatalog an die Landesregierung übermittelt. Gefordert werden unter anderem der Abbau von Bürokratie, der Einsatz von Schulverwaltungsassistent:innen, die Verbesserung der digitalen Ausstattung und Bildung an Schulen, die Einführung multiprofessioneller Teams sowie die finanzielle, zeitliche und strukturelle Stärkung der Schulleitungen und Hortkoordinator:innen. 

Die bisher ergriffenen Maßnahmen, einschließlich der Sonderzuschlag, haben sich als wenig wirksam erwiesen und konnten den akuten Lehrermangel nicht beheben. Daher sind weitere Strategien und Anpassungen erforderlich, um das Problem nachhaltig lösen zu können.

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