Verbeamtung — lohnt sich das überhaupt? Eine Frage, die sich nicht nur junge Lehrerinnen und Lehrer stellen müssen. Auch für die Regierung lohnt es sich, zum Schutz der Haushaltskasse einen kritischen Blick auf das System zu werfen. Trotzdem werden nun auch in Berlin, als letztes Bundesland, Lehrkräfte wieder verbeamtet.
Das Beamtentum ist in Deutschland bereits seit langem fest verankert: Die ersten schriftlich festgelegten Regelungen des Dienstverhältnisses für Beamte in Deutschland finden sich bereits 1794 im “Preußischen Allgemeinen Landrecht”. 1805 fertigte auch Bayern eine Niederschrift an, welche jedem Beamten gesetzlich ein gesichertes Einkommen inklusive Teuerungszuschlägen und eine garantierte Unkündbarkeit versicherte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Deutsche Beamtenbund gegründet und der Beamtenstatus so auch in der Moderne gesichert.
Heute sind fast 40 Prozent der Beamtinnen und Beamten in Deutschland im Schuldienst tätig. Doch seit einiger Zeit hält sich die Debatte, ob und inwieweit eine Verbeamtung der Lehrerschaft überhaupt notwendig ist. Mit der Föderalismusreform 2006 fand auch der vorherige Ent-Verbeamtungs-Kurs ein Ende und alle Länder können wieder unabhängig und selbstständig über die Vergütung ihrer Beamten entscheiden.
Bis vor kurzem war Berlin das einzige Bundesland, welches neu eingestellte Lehrer:innen nicht verbeamtet hat. Vor nun 18 Jahren beschloss dies der damalige Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Getragen wurde das Projekt vom damaligen rot-roten Senat. Seit einiger Zeit steht nun im Raum, die Verbeamtung von Lehrkräften in Berlin wieder einzuführen. Nun hat der jetzige rot-grün-rote Senat diesen Schritt endgültig entschieden: Lehrerinnen und Lehrer, die in Berlin angestellt sind, können seit Februar 2023 auf Antrag und unter bestimmten Bedingungen wieder verbeamtet werden. Laut der Senatsbildungsverwaltung handelt es sich um rund 16.000 Lehrkräfte. Diese dürfen, um infrage zu kommen, im aktuellen Schuljahr maximal 52 Jahre alt sein und müssen einen Gesundheitstest bestehen. Doch nicht jeder kann diese Bedingungen erfüllen: Die Bildungsverwaltung schätzt, dass bis zu 5.000 Lehrkräfte aufgrund dieser Beschränkungen leer ausgehen werden. Als Ausgleichszahlung ist eine Summe von 300 Euro pro Monat angesetzt, deutlich weniger als die vergeblich von der GEW geforderten 900 Euro. Bereits mehr als die Hälfte der berliner Lehrer:innen hat sich für die Verbeamtung entschieden und einen Antrag gestellt. Eine Entwicklung, die die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sehr begrüßt. Aber sie ruft auch zu noch mehr Handlung auf: “Gleichzeitig sind es aber auch erst die Hälfte. Das zeigt, dass es bei der Umsetzung des Vorhabens offenbar noch einigen Präzisierungsbedarf gibt“.
Als Grund für die erneute Änderung hin zur Verbeamtung wird vor allem der massive Lehrermangel in Berlin genannt. Laut den Berechnungen der Bildungsverwaltung fehlen der Hauptstadt momentan etwa 1000 Lehrkräfte. Die ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte im Juli letzten Jahres, sie habe immer wieder erlebt, dass sich Lehrerinnen und Lehrer aus Berlin verabschiedet hätten, um ein paar Kilometer weiter in Brandenburg verbeamtet zu werden. Nun soll die Rückkehr zur Verbeamtung dazu beitragen, die Hauptstadt wieder zu einem attraktiveren Arbeitgeber für Lehrer:innen zu machen und diese in der Stadt zu halten. Deshalb appellierte Giffey auch an alle abgewanderten Lehrkräfte: "Kommt nach Hause – hier ist es am schönsten!"
Doch war die fehlende Verbeamtung tatsächlich der einzige Grund für diese massive Abwanderung? Blickt man auf den Zustand der Berliner Schulen, liegt die Vermutung nahe, auch andere Umstände könnten die Lehrkräfte dazu gebracht haben, sich ein anderes Bundesland als Arbeitgeber auszuwählen. Vielfach wird von Seiten der Betroffenen über heruntergekommene Gebäude, schlechte Internetverbindungen, fehlende Software für Verwaltung und Unterricht, Stoffdruck und eine Separation verschiedener Schichten in der Stadt geklagt . All das kann auch durch eine Verbeamtung der Lehrkräfte nicht behoben werden. Stattdessen könnte dieser Schritt lediglich bewirken, die Lehrer:innen von den unzureichenden Arbeitsbedingungen in Berlin abzulenken oder sie vielmehr dazu bringen, sich mit diesen zufrieden geben.
Beamte sind sehr stark an die Landeshoheiten gebunden. Sie müssen aufgrund der nicht von ihnen steuerbaren Zuweisung umziehen oder weit pendeln. Auch der Übertritt in die freie Wirtschaft wird erschwert. Doch viele Lehrkräfte zählen trotzdem auf Verbeamtung, weil sie von der Sicherheit des Beamtenstatus profitieren möchten. Dieser bringt viele Privilegien wie eine leistungsunabhängige Bezahlung und die Unkündbarkeit, welche durch die Arbeitsplatzgarantie seit 1949 im Grundgesetz verankert ist, mit sich. Die Verbeamtung ermöglicht außerdem durch die Pension ein fast doppelt so hohes Ruhegehalt, verglichen mit der herkömmlichen Rente. Neben günstigen Krankenversicherungen sind auch die Beihilfeleistungen ein großer Vorzug. Außerdem werden die Abgaben für die Arbeitslosenversicherung und die Rentenversicherung nicht vom Lohn abgezogen. Finanziell lohnt sich eine Verbeamtung für die Lehrkraft also in jedem Fall, nicht aber für den Staat, welcher etwa 13 Prozent des Staatshaushalt nur für Pensionen ausgibt.
Nach Artikel 7 des Grundgesetzes gehört das Schulwesen jedoch zu den “Öffentlichen Pflichtaufgaben”. Als Legitimation für die Existenz des Beamtenstatus wird deshalb oftmals die hohe Verantwortung genannt, die jede Lehrer:inn durch ihren Bildungsauftrag trägt. Somit müssen diese vom Staat gefördert werden und ihnen mit einer Form von Sicherheitsgarantie die Möglichkeit gegeben werden, dieses Ziel bestmöglich auszuführen. Der Beamtenstatus gewährleistet für den Staat und die Gesellschaft außerdem, dass die Schule ein neutraler Ort bleibt, indem die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Lehrkräfte gesichert ist. Darüber hinaus wird durch das Streikverbot sichergestellt, dass das Schulangebot immer erfüllt werden kann. Somit ist es durchaus nachvollziehbar, warum sich nun alle Bundesländer für eine Verbeamtung ihrer Lehrkräfte entschieden haben, auch wenn sie damit die Situation des Bildungssystems nicht verbessern können.
Obwohl die Verbeamtung der Berliner Lehrkräfte jetzt beschlossene Sache ist, bleiben weiter Fragen: Wird die Verbeamtung in Berlin tatsächlich den dortigen Lehrermangel lösen, oder sind es andere Faktoren, welche die Berliner Lehrkräfte zur Abwanderung in andere Bundesländer bewegen? Und wäre es nicht sinnvoller, das Geld, welches für die Verbeamtung und spätere Pensionierung benötigt wird, in die Mängel der Schulen zu investieren, die tatsächlich beseitigt werden müssen?
Was haltet ihr von der Verbeamtung der Lehrkräfte? Denkt ihr, diese wird das Personalproblem an Berliner Schulen lösen? Schreibt es in die Kommentare!