Vergessene Heldinnen? Frauenperspektiven im Geschichtsunterricht

Internationaler Frauentag – Aber wie wird ihre Geschichte im Unterricht vermittelt? Und warum spielt es eine Rolle, wie wir Geschichte erzählen?  (Quelle: Canva)

Am 08. März 2025 ist Internationaler Frauentag – ein Tag, an dem weltweit Menschen zusammenkommen, um für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung einzutreten. Doch dieser Tag ist nicht nur ein Moment des Protests und der Forderungen, er ist gleichzeitig eine Gelegenheit, zurückzublicken: Auf die Leistungen, Kämpfe und Veränderungen, die Frauen in der Geschichte geprägt haben. Bereits in einem früheren Beitrag haben wir uns mit der Geschichte der Bewegung rund um den Internationalen Frauentag beschäftigt und aufgezeigt, wie aktuell die Thematik sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule ist (Lehrer News berichtete). 

Auch im Unterricht bietet sich die Möglichkeit, über Frauenrechte und Gleichberechtigung zu sprechen. Wenn Frauengeschichten stärker in den Mittelpunkt rücken und der Unterricht multiperspektivisch gestaltet wird, kann das dazu beitragen, das Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart zu erweitern. 

Geschichtsunterricht im Wandel

Noch bis in die 1960er-Jahre wurde Geschichte fast ausschließlich aus männlicher Perspektive vermittelt. Im personalisierten Geschichtsunterricht lag der Fokus auf den Geschichten großer Männer, Frauen stellten nur Randfiguren dar. Erst in den siebziger Jahren setzte ein Umdenken ein und die Geschichtsdidaktik erweiterte sich um die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen. Geschichte wurde nicht mehr allein durch das Wirken Einzelner, sondern durch die Einbettung der handelnden Personen in gesellschaftliche Zusammenhänge vermittelt.

Auch wenn die Personifizierung, als Gegenbegriff der Personalisierung, hauptsächlich die Geschichte der “kleinen Leute” in den Blick nimmt, ist mit diesem Perspektivwechsel weitaus mehr angestoßen worden. Ein moderner Geschichtsunterricht vereint heute verschiedene Betrachtungsweisen – die Lernenden können durch verschiedene Brillen auf historische Ereignisse blicken und ein Konstrukt der Vergangenheit herausbilden. Ein multiperspektivischer Unterricht eröffnet Einblicke in die Lebensrealitäten verschiedener Personengruppen: von Arm und Reich, Alten und Kindern, Männern und Frauen. Somit können Lehrkräfte Frauen nicht nur als Randfiguren der Geschichte, sondern als aktiv handelnde Akteurinnen sichtbar machen. 

Gleichberechtigung im Lehrplan – Aber auch in der Realität?

Aber sind Frauengeschichten tatsächlich Teil des schulischen Unterrichts? Ein Blick in den Rahmenlehrplan der gymnasialen Oberstufe in Berlin-Brandenburg zeigt: Das Thema “Gleichberechtigung von Mann und Frau” ist offiziell im Unterricht vorgesehen. Geschlechtsspezifische Perspektiven sollen Lernende dabei unterstützen, ein Bewusstsein für Unterschiedlichkeit, Individualität und Gleichberechtigung zu entwickeln. Ziel ist es, Schüler:innen zu befähigen, unabhängig von traditionellen Rollenbildern ihre berufliche und private Zukunft zu gestalten, heißt es darin. 

Da die Curricula der Bundesländer zunehmend kompetenzorientiert sind und weniger konkrete Themen und Persönlichkeiten vorgeben, sind weibliche Personen nicht explizit benannt. Die Geschichtslehrerin Goldenstedt kritisierte, “dann könnte jeder Lehrer selbst entscheiden, welche Persönlichkeiten er thematisiert”. Ebendiese Offenheit des Lehrplans und die Rückschau auf die eigene Schulzeit erwecken oftmals den Eindruck, dass Frauengeschichten im Unterricht nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für einen Artikel des Spiegels zählte die Autorin Zoronjić im Jahr 2019 in zwei Geschichtsschulbüchern die aufgelisteten Frauennamen. Das Ergebnis: Überproportional viele männliche Persönlichkeiten. Auch wenn diese Zählung nicht repräsentativ ist, verbildlicht sie den zuvor beschriebenen Eindruck, dass häufig kein Gleichgewicht zwischen Männer- und Frauengeschichten im Unterricht besteht. 

Letztlich liegt es nämlich in den Händen der Lehrkräfte, den Unterricht aktiv zu lenken und zu gestalten. Die Freiheit in den Curricula kann bewusst genutzt und als Chance verstanden werden, denn wenn verschiedene Perspektiven in ihren historischen Kontext eingeordnet und mit der aktuellen Lebenswelt der Schüler:innen verknüpft werden, kann ein reflektierter Blick auf Vergangenheit und Gegenwart gefördert werden. Wie würden bedeutende Frauen der Geschichte heute handeln: Würde Rosa Parks auch heute noch gegen Ungleichbehandlung protestieren – und wenn ja, in welcher Form? Und was würde eine Frauenrechtlerin wie Simone de Beauvoir zur aktuellen Abtreibungsdebatte sagen? Die Antworten haben weder Lehrkräfte noch Lernende. Trotzdem weckt es Freude am Lernen neben den historischen Themen, die auch den Alltag “kleiner Leute” einbeziehen, über große Fragen der Gegenwart nachzudenken. 

Im Folgenden findest du vier Frauen und Frauengruppierungen, die im Unterricht thematisiert werden können. Es wird sich lohnen, Geschichte durch die Augen dieser inspirierenden Persönlichkeiten zu betrachten. 

Olympe de Gouges (1748-1793): Verfasserin der “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin” während der Französischen Revolution und Kämpferin für die Gleichstellung von Frauen. Für ihren Einsatz wurde sie hingerichtet, doch ihre 17 Artikel sind bis heute geschichtsträchtig. 

Clara Zetkin (1857-1933): Sozialistin und treibende Kraft bei der Einführung des Internationalen Frauentags. Ihr Engagement macht sie zu einer zentralen Figur, die bei der Thematisierung des Frauentags nicht vergessen werden sollte.

Mies Gies (1909-2010): Helferin der Familie Frank, die sowohl deren geheime Versorgung übernahm als auch Annes Tagebuch nach der Deportation sicherte. Dieses Tagebuch zählt heute zu den wichtigsten Zeugnissen aus der NS-Zeit. 

Malala Yousafzai (geb. 1997): Pakistanische Aktivistin, die sich für die Rechte von Mädchen und Frauen einsetzt und als jüngste Trägerin des Friedensnobelpreises Geschichte schrieb. Ihr Wirken  verdeutlicht die anhaltende Relevanz von Frauenrechten weltweit. 

Die Auswahl der Themen und Persönlichkeiten im schulischen Unterricht zeigt, welche Perspektiven als gesellschaftlich bedeutsam erachtet und welche häufig übersehen oder nicht ausreichend beleuchtet werden. Auch Frauen haben Geschichte geschrieben, daher sollte ihre Teilhabe ausreichend in Lehrplänen und Lernmaterialien gewürdigt werden.

Dabei endet diese Debatte nicht im Klassenzimmer, sie hat auch Einzug in die Lehrerzimmer des Landes erhalten. Wie bereits in unseren früheren Beiträgen zur Besoldungsgruppe von Lehrkräften und den Plänen zur Einschränkung der Teilzeitarbeit in Bayern deutlich wurde, sind es oft Frauen, die im Lehrberuf dominieren, zugleich aber benachteiligt werden. Der Internationale Frauentag erinnert uns daran, welche Kämpfe Frauen in der Vergangenheit geführt haben und welche Herausforderungen noch vor uns liegen. 

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