Berlin. Die Debatte um den akuten Lehrkräftemangel in Deutschland geht in die nächste Runde. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz hat jetzt in einem neuen Papier verschiedene Lösungsvorschläge erarbeitet. Die könnten für einige Diskussionen sorgen: Größere Klassen, „Erschließung von Beschäftigungsreserven“ mittels Anpassung des Ruhestandseintritts, Nutzung von Hybrideintritt und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung stehen im Vordergrund.
„Der Mangel an qualifiziertem Personal bedroht die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und beeinträchtigt auch die Qualität des Unterrichts“, heißt es in dem 40-Seiten dicken Papier, das auf den Seiten der Kultusministerkonferenz (KMK) vorliegt. Bis 2025 sollen bundesweit rund 25.000 Lehrkräfte fehlen. Bis 2030 soll das Negativsaldo auf 31.000 Stellen anwachsen, so die Prognose der Experten, denen Bildungsforscher verschiedener Einrichtungen angehören.
Als Hauptursache wird die demographische Entwicklung ausgemacht. „Aktuell treten sehr geburtenschwache Jahrgänge in Studium und Beruf über. Dies wird sich frühestens ändern, wenn die heute Achtjährigen ins Studium wechseln, sodass die Möglichkeiten einer Gewinnung von Abiturient:innen für ein Lehramtsstudium längerfristig begrenzt bleiben“, so die SWK.
Ein wesentlicher Ansatz zur Lösung soll laut den Empfehlungen in der Begrenzung von Teilzeitarbeit liegen. Hier liege laut der Kommission „die größte Beschäftigungsreserve“. Und weiter: „Bereits eine maßvolle Aufstockung der Arbeitszeit aller teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte hätte erhebliche Effekte.“ Ein weiterer wichtiger Schritt bestünde in der Austarierung von fehlendem Lehrpersonal durch größere Klassen sowie der Prüfung einer befristeten Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und Änderungen der Ruhestandsregelungen zugunsten einer längeren Beschäftigung.
Bildungsinfluencer Nico Colsmann, Gründer der Zukunft Digitale Bildung gGmbH, gab hierzu eine Stellungnahme ab: “Wir haben viele Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten, weil sie so überlastet sind. Ganz einfach, weil sie es nur so schaffen, ihre Aufgaben überhaupt zu bewältigen. Und dann empfehlen wir in Deutschland, wie wäre es denn, wenn wieder alle fulltime arbeiten?’. Da zeigt sich, dass wir das Problem überhaupt nicht verstanden haben”, so Colsman gegenüber Lehrer-News.
Lehrkräfteverbände kritisierten die Vorstöße als zu kurz gegriffen. „Vorschläge wie die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, Einschränkungen bei Teilzeitmöglichkeiten und höhere Klassenfrequenzen lehnt die Bildungsgewerkschaft ab“, heißt es dazu in einer Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Diese Empfehlungen der SWK werden die ohnehin überlasteten Lehrkräfte nur zusätzlich belasten“, so GEW-Vorsitzende Maike Finnern.” Die GEW mobilisierte in den letzten Jahren vor allem gegen größere Klassen, welche laut Ansicht der Gewerkschaft das Problem der Bildungsgewerkschaft keine Lösung für die bestehenden Probleme seien.
Es drohe eine Spirale aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung, die zur Abwanderung aus dem Beruf führen werde. „Die Politik darf nicht den Fehler machen, den dramatischen Lehrkräftemangel auf dem Rücken der Lehrkräfte und letztlich der Kinder, Jugendlichen und auch der Eltern auszutragen“, fügte Finnern hinzu.