VR meets KI – Wie das Momentum neuer Technologien die Bildung verändern kann

Ein Junge benutzt eine VR-Brille, um in eine virtuelle Welt einzutauchen. Das Bild trägt den Schriftzug "Bildung mit neuer Perspektive danke Virtual Reality"

Immer wieder gibt es Begriffe, die mit der Welle des Zeitgeistes wie selbstverständlich in unseren Sprachgebrauch einfließen und plötzlich unumgänglich sind. Dieser Tage sind dies insbesondere technologische Begriffe, und einer ganz besonders: KI – die künstliche Intelligenz. Oft mit Schrecken assoziiert, sei die KI doch imstande, Arbeitsplätze abzubauen oder, wer es ganz dystopisch mag, den Menschen überflüssig zu machen. Doch an den Tech-Hotspots dieser Welt, so auch im Silicon Valley, versteht man künstliche Intelligenz als helfende Hand, die eine erhöhte Effizienz und Automatisierung sowie die Entstehung personalisierter (Lern-)Erlebnisse provozieren und unser Leben verbessern soll. 

Ein konkreter Ansatz dabei: KI im Bildungswesen – doch wie kann das funktionieren, und wie kann künstliche Intelligenz einen Einklang mit anderen, bereits etablierten Technologien anstimmen, um in der Symbiose wirklich einen Mehrwert zu schaffen? In diesem Artikel widme ich mich genau dieser Frage und lege den Fokus dabei auf ein mögliches Tandem aus KI und Virtual Reality. Können diese beiden Technologien zusammen wirklich dazu beitragen, das Lernen im Klassenzimmer effektiver und persönlicher zu gestalten? Für euch (Lehrkräfte) stellt sich hier die spannende Frage, wie sich Inhalte so vielleicht noch anschaulicher und individueller vermitteln lassen.

Zurück zum Anfang – eine Begriffskunde

Bevor wir mögliche Synergien zwischen VR und KI aufdecken, lohnt sich eine kurze Begriffserklärung. So liegt die große Stärke von Virtual Reality insbesondere in der Visualisierung und Simulation von beliebigen Inhalten – das können Ereignisse, Orte oder Prozesse sein. Im Klartext bedeutet das, dass mittels virtueller Lernwelten historische Ereignisse aus der Ich-Perspektive nachempfunden werden können, was nicht nur die Empathie und das Verständnis für selbige schärft, sondern auch einen nachweislich besseren Lerneffekt mit sich bringt. Auch kann der Lernende als Blutteilchen durch den menschlichen Körper fliegen oder mathematische Graphen mit seinen eigenen Händen verschieben, um den Einfluss seiner Handlung auf die dazugehörige Funktion zu beobachten. Das nimmt komplexen Themenfeldern aus dem MINT-Bereich ihren hohen Abstraktionsgrad und damit ihren Schrecken.

Letztlich ist die VR durch ihre universelle Einsetzbarkeit und ihre Fähigkeit, Sprachbarrieren und geografische Distanzen in Luft aufzulösen, ein hochgradig inklusives und faires Lernmedium. Lernende können unabhängig von ihrem Standort an denselben virtuellen Lernumgebungen teilnehmen und dadurch Bildungserfahrungen teilen. Diese Zugänglichkeit macht VR zu einer wertvollen Ergänzung im modernen Unterricht.

Derweil kann KI, also künstliche Intelligenz (englisch: AI oder Artificial Intelligence) dabei helfen, Lernprozesse besser zu verstehen und zu optimieren. Durch die Analyse von Daten, die während des Lernens erfasst werden, kann KI individuelle Stärken und Schwächen identifizieren und darauf reagieren. Sie kann Lernpfade dynamisch anpassen und gezielt Inhalte anbieten, die auf das Lernverhalten der einzelnen Person abgestimmt sind.

Ein anschauliches Beispiel dafür sind adaptive Lernplattformen wie ALEE und SchulKI, die auf Grundlage von KI arbeiten. Diese Systeme passen den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben, das Tempo und die Art der Präsentation an den Lernfortschritt an und ermöglichen einen Höchstgrad an Individualisierung des Feedbacks für die Lernenden. Wenn jemand etwa bei einem Thema Schwierigkeiten hat, kann die KI zusätzliche Erklärungen, Übungen oder alternative Darstellungsformen vorschlagen. Durch diese Personalisierung wird das Lernen effizienter und auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt. Doch nicht nur auf Seiten der Lernenden setzt künstliche Intelligenz erhebliche Potenziale frei – so gibt es unter anderem mit der o.g. Plattform SchulKI auch KI-Plattformen von Lehrenden für Lehrende, etwa um das Anfertigen und Aufbereiten von Lehrmaterial an den jeweiligen Lernstand oder individuelle Stärken und Schwächen anzupassen.

VR & KI – Ein perfektes Duo?

Doch was bedeutet das für das Zusammenspiel zwischen virtuellen Lernwelten und künstlicher Intelligenz? Kann das funktionieren, und sind neben technologischen Voraussetzungen auch die Bereitschaft, neue Technologien einzusetzen, gegeben? Diese Fragen sind entscheidend, wenn es darum geht, die potenziellen Vorteile von VR und KI voll auszuschöpfen und zu erkennen, wo diese sinnvoll zum Einsatz kommen.

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es eine klare Arbeitsteilung zwischen den beiden Technologien gibt – sie müssen gezielt und gemäß dem Mehrwert, den sie stiften können, eingesetzt werden. Dabei liegt die große Stärke von VR in der Immersion – hier werden virtuelle Räume und Erlebnisse bereitgestellt, um Inhalte auf eine Art zu visualisieren, wie ein Buch, Whiteboard oder zweidimensionales Bewegtbild es nicht könnte. 

Die KI bietet derweil große Vorteile in der Analyse: Interpretation von Daten und Antizipation von Lernerfolgen ermöglichen ein individuelles Zuschneiden von Lernabläufen auf den Lernenden. Das Ergebnis sind personalisierte Lernumgebungen, die sich dynamisch an die Anforderungen und Lernstile der einzelnen Nutzenden anpassen. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass KI die menschliche Komponente nicht ersetzt - sie benötigt harte Daten und bereitet diese souverän auf; die zwischenmenschliche Bindung von Lehrkraft und Lernenden bleibt essentiell für eine finale Einschätzung und etwaige Inbetriebnahme KI-unterstützter Materialien.

Doch wie sieht so etwas in der Lebenswirklichkeit aus? Ein denkbares Beispiel ist eine virtuelle Unterrichtsstunde in einem virtuellen Labor, in dem die Lernenden mit Experimenten beauftragt werden. Die KI könnte in Echtzeit analysieren, wie gut die Schüler:innen mit den Aufgaben zurechtkommen, und sofort auf Fehler oder Rückfragen reagieren – etwa durch das Einblenden visueller Hinweise, das Anbieten zusätzlicher Informationen oder der Anpassung des Schwierigkeitsgrades.

Auch bei der Begleitung durch KI-gesteuerte virtuelle Lehrkräfte oder Avatare zeigt sich das Potenzial des VR-KI-Tandems. So könnten diese Avatare in VR interaktiv auf Fragen antworten und ihre Erklärungen individuell an den Wissensstand anpassen. Somit entsteht eine Lernumgebung, die nicht nur realistisch wirkt, sondern gleichzeitig intelligent, flexibel und vor allem individuell auf die Lernenden reagiert.

Kommt jetzt die digitale Revolution?

Doch ist die Kombination aus VR und KI nun das Allheilmittel für die deutsche Bildungslandschaft? Ganz so trivial ist es dann doch nicht. Wenngleich mit der Möglichkeit, Lernende individuell zu betreuen, ohne dadurch mehr Personalaufwand zu erzeugen, sicherlich ein spannender Punkt aufgemacht wird, und durch das spielerische Lernen in virtuellen Welten ein nachweislich besseres Erinnerungsvermögen entsteht, sind beide Technologien stark in ihrem Einsatzgebiet limitiert, und sollten auch nur dort eingesetzt werden, wo sie realen Mehrwert bieten.

So gibt es durchaus Themenfelder und Szenarien, in denen eine Podiumsdiskussion, ein Zirkeltraining oder auch eine gelesene Buchseite das bessere Lehrmittel sind. Daher ist es wichtig zu betonen, dass neue Technologien, zu denen VR und KI zählen, als Ergänzung fungieren, nicht aber als Revolution der Art, wie wir Lehren und Lernen. Sie haben ihren Platz, können und wollen aber traditionelle Methoden nicht vollständig ersetzen.

Darüber hinaus ergeben sich andere Fragezeichen beim Einsatz von KI und VR im Schulunterricht – vordergründig ist eine Anschaffung mit hohen Kosten, sowohl für virtuelle Lernlösungen als auch auf KI-Seite, wo insbesondere der immense Datenfluss eine gewisse Infrastruktur erfordert. Schließlich ergeben sich auch datenschutzrechtliche Fragestellungen: Wie ist umzugehen mit Analyseergebnissen der Lernenden – kann und muss eine Anonymisierung erfolgen, ohne den Nutzen der KI zu verringern?

Umfassende Antworten auf diese Fragen hat zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand – die Herausforderungen sind komplex und erfordern noch intensive Forschung und praktische Erprobung. Dennoch gibt es aus der Politik klare Signale und Bekenntnisse zum Einsatz neuer Technologien im Schulkontext. So schafft das Ministerium für Schule und Bildung in NRW etwa 3.000 VR-Einheiten für Medienzentren und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung an. Lehrer News berichtete hierzu bereits im August. Diese Maßnahme zeigt, dass die Politik den Mehrwert von VR im Bildungswesen erkannt hat und bereit ist, Ressourcen bereitzustellen, um Lehrkräfte auf die Arbeit mit diesen neuen Medien vorzubereiten.

Blick nach vorn: Wo geht die Reise hin?

Trotz der Herausforderungen bieten VR und KI gemeinsam spannende Möglichkeiten, wie Lernen in Zukunft aussehen könnte. Diese Technologien werden zunehmend in Bildungsinstitutionen und Unternehmen Anwendung finden, um nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch praxisnahe Fähigkeiten zu trainieren. Es ist zu erwarten, dass sich diese Technologien weiterentwickeln und auch in anderen Bereichen als dem klassischen Schul- oder Hochschulwesen genutzt werden – etwa in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Unternehmen könnten ihren Mitarbeitenden maßgeschneiderte Trainings anbieten, die spezifisch auf die Anforderungen im Job ausgerichtet sind. In Berufen, die praktische Fähigkeiten erfordern, etwa in der Medizin oder im Handwerk, können durch VR realitätsnahe Übungssituationen geschaffen werden, die durch KI begleitet und gesteuert werden.

Zusammengefasst zeigt sich, dass die Kombination aus VR und KI im Bildungsbereich weit mehr ermöglicht als bisherige Lehrmethoden. Sie bietet Lernenden die Möglichkeit, aktiv in personalisierte Lernumgebungen einzutauchen, in denen sie ihre Stärken gezielt ausbauen und an ihren Schwächen arbeiten können. Diese Technologien haben das Potenzial, Bildung auf ein neues Niveau zu heben – weg von starren Lehrplänen hin zu einem dynamischen, flexiblen Lernen, das jedem Lernenden gerecht wird.

Mehr zur Person

Simon Kleff
Simon Kleff, gebürtiger Rheinländer Jahrgang 1982, ist seit 15 Jahren in den Bereichen Bildung und Technologie tätig. Seine Motivation liegt darin, kontinuierlich neue Wege zu gehen und nie aufzuhören, sich weiterzuentwickeln. Mit einem Master in Digitaler Bildung betrachtet Kleff Bildung als weit mehr als formale Ausbildung – sie ist ein zentraler Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Technologie sieht er als innovatives Werkzeug, das das Lernen erleichtern sollte. Mit Neugier verfolgt er technologische und didaktische Trends, um ein zeitgemäßes und zugleich zeitloses Verständnis von Lernen zu fördern.
Anzeige

Mehr zum Thema

Mehr vom Autor

Das ist der erste Artikel des Autors

Neuste Artikel

Kommentare

Zurück nach oben Icon
No items found.