Wenn die Angst mitschreibt: Prüfungsangst und ihre Auswirkungen

Ein Mädchen liegt mit dem Gesicht auf den verschränkten Armen. Vor ihr steht ein Wecker

Prüfungsangst kann durch das frühzeitige Erkennen und eine gezielte Unterstützung effektiv bekämpft werden (Quelle: Canva)

Prüfungsangst – ein weit verbreitetes Phänomen, das oft im Verborgenen bleibt. Was passiert jedoch, wenn aus anfänglicher Nervosität echter Stress wird, der die Schüler:innen bereits Wochen vor der eigentlichen Prüfung belastet? Schweißausbrüche, schlaflose Nächte und schließlich der gefürchtete Blackout sind für rund ein Viertel aller Schüler:innen und Studierenden bittere Realität. Der allgegenwärtige Druck stellt eine Dauerbelastung dar, die sowohl die schulischen Leistungen als auch das allgemeine Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt.

Was genau ist Prüfungsangst, und wie funktioniert der Mechanismus dahinter? Welche Auswirkungen hat anhaltender Prüfungsstress auf die Betroffenen? Und welche präventiven Maßnahmen können Schulen ergreifen, um frühzeitig auf Anzeichen von Prüfungsangst zu reagieren? Diese und weitere Fragen werden im folgenden Artikel behandelt.

Prüfungsangst: Ein Relikt des Überlebenskampfes

Um das Phänomen der Prüfungsangst besser verstehen zu können, ist es zunächst wichtig, das Konzept der Angst als solches zu begreifen. Der Begriff “Angst” leitet sich vom lateinischen Wort “angus” ab, was “Enge” bedeutet. Diese Enge äußert sich durch verschiedene körperliche Symptome: Druck auf der Brust, ein Kloß im Hals, das Sprechen fällt schwer, das Herz rast und die Hände zittern. 

Angst diente ursprünglich als ein wichtiger Überlebensmechanismus. Wenn unsere Vorfahren mit Bedrohungen wie Raubtieren konfrontiert wurden, reagierte der Körper sofort: Die Sinne schärften sich, die Muskeln spannten sich an und der Körper bereitete sich auf die Flucht oder den Kampf vor. Diese Reaktionen waren entscheidend, um in gefährlichen Situationen schnell handeln und somit überleben zu können.

Auch wenn wir heutzutage nur noch selten echten Raubtieren gegenüberstehen, reagiert der menschliche Körper auf Stresssituationen in ähnlicher Weise. Schon der Gedanke an eine bevorstehende Prüfung kann vergleichbare physiologische Reaktionen hervorrufen. Im Gegensatz zu früher gibt es jedoch oft keinen direkten Fluchtweg, sondern die innere Anspannung führt stattdessen zu einer mentalen Blockade. Was einst als überlebenswichtiger Schutzmechanismus diente, wird heute also zu einer Hürde, welche die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Prüfungsangst ist also der moderne ”Raubtierkampf”, gegen den unser Körper immer noch kämpft, obwohl die Bedrohung längst eine andere ist.

Angesichts solcher körperlichen Reaktionen ist es kaum verwunderlich, dass konzentriertes Lernen kaum möglich ist. Prüfungsangst entwickelt sich oft schleichend und verstärkt sich, je näher der Tag der Prüfung rückt. Wer über einen längeren Zeitraum in diesen Spannungszustand gerät, erlebt nicht nur die körperlichen Symptome, sondern oft auch eine psychische Erschöpfung. Der Stress kann sich schließlich zu einem Gefühl der Ausweglosigkeit ausweiten. Ein Kreislauf, aus dem es immer schwieriger wird, auszubrechen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, die Anzeichen von Prüfungsangst zu erkennen. Diese können sich wie folgt äußern:

Psychische Symptome: Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, rasende Gedanken, Blackouts, Unsicherheit bei Entscheidungen.

Physische Symptome: Schlaflosigkeit, schneller Herzschlag oder erhöhter Puls, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen, verspannte Muskeln.

Emotionale Symptome: Angst, ständige Sorgen, Nervosität, Überwältigung, das Gefühl von Erschöpfung oder Burnout, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Frustration.

Verhaltensbezogene Symptome: Vermeidungsverhalten, übertriebener Perfektionismus, exzessives Lernen, Rückzug von sozialen Kontakten, Reizbarkeit, fehlende Eigenverantwortung, nervöse Ticks, schlechtere Leistungen, veränderte Essgewohnheiten.

Wenn Schüler:innen diese Symptome bei sich selbst wahrnehmen oder Lehrkräfte diese erkennen, muss frühzeitig eingegriffen werden. Um Prüfungsangst erfolgreich bekämpfen zu können, ist es wichtig, die Ursachen zu verstehen und gezielt anzugehen.

Der Teufelskreis Namens Prüfungsangst: Wenn Lernen zur Belastung wird

Die Ursachen für die Prüfungsangst sind zwar sehr vielfältig, können aber einen ersten Einblick geben und Lehrkräfte dabei unterstützen, diese schneller zu erkennen (Lehrer-News berichtete). Insbesondere zwei Gruppen von Schüler:innen sind besonders anfällig für Prüfungsangst: Zum einen diejenigen, die den hohen Erwartungen gerecht werden wollen, sei es durch ihren eigenen Perfektionismus oder durch den Druck von außen, und zum anderen die Schüler:innen, die sich unzureichend oder ineffektiv auf Prüfungen vorbereiten, da die Angst vor der Klassenarbeit sie bereits im Vorfeld daran hindert, den Stoff zu verarbeiten. Beide Gruppen haben eines gemeinsam: Ein mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das Ergebnis ist dann häufig eine Art selbsterfüllende Prophezeiung: Die Angst vor dem Scheitern führt genau zu dem, was sie fürchten – schlechte Noten. Durch den anhaltenden Druck und die Panik geraten Schüler:innen in einen Teufelskreis, aus dem sie ohne Unterstützung nur schwer wieder entkommen können. 

Prüfungsangst hat viele Gesichter und kann durch unterschiedliche Auslöser verstärkt werden. Ein häufiger Grund ist die mangelnde Motivation: Schüler:innen, die kaum Interesse am Lernen haben, empfinden Prüfungen als besonders stressig. Die Angst verstärkt dieses Gefühl und der Lernprozess wird zu einer lästigen Pflicht. Auch der Bezug zum Lernstoff spielt eine Rolle: Empfinden Schüler:innen den Stoff als uninteressant oder sinnlos, schwindet ebenso die Motivation. Aber auch das Gegenteil kann zu Prüfungsangst führen: Schüler:innen, die übermäßig viel lernen und sich zu hohe Ansprüche setzen, neigen dazu, sich selbst unter enormen Druck zu setzen und fühlen sich nie ausreichend vorbereitet.

Ebenso kann das Gefühl, dass Lernen die Freizeit einschränkt, Prüfungsangst verstärken. Schüler:innen, die den Eindruck haben, ihre Hobbys und sozialen Aktivitäten opfern zu müssen, um gute Noten zu erzielen, entwickeln oft eine ablehnende Haltung gegenüber Prüfungen. Die daraus resultierende Unzufriedenheit erhöht den Stress und führt dazu, dass die Prüfung als noch belastender empfunden wird. Hinzu kommt außerdem das Gefühl, dass das Bewertungssystem oft nicht die Anstrengungen der Schüler:innen widerspiegelt. Nach stundenlangem Lernen dennoch nur eine mittelmäßige oder schlechte Note zu erhalten, führt zu Enttäuschung und dem Gefühl, dass der Aufwand sich sowieso nicht lohnt.

Die vielfältigen Ursachen von Prüfungsangst verdeutlichen, dass es sich um ein komplexes Thema handelt, das sowohl durch äußeren Druck als auch durch innere Zweifel verstärkt wird. Ist jedoch der Hauptauslöser für die Prüfungsangst erkannt, können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um die Angst zu lindern. Den Lehrkräften kommt hier eine entscheidende Rolle zu: Sie sind gefordert, nicht nur die Anzeichen von Prüfungsangst frühzeitig zu erkennen, sondern auch aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um Schüler:innen bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch ein Verständnis für die emotionalen Herausforderungen der Schüler:innen zu entwickeln. Die Rolle der Lehrkräfte und ihr Einfluss auf den Umgang mit Prüfungsangst ist daher von großer Bedeutung.

Prüfungsangst entgegenwirken: Strategien und Maßnahmen

Gerade weil Prüfungsangst so tiefgreifende Auswirkungen auf die Schüler:innen haben kann, ist es unerlässlich, dass sich Lehrkräfte intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Lehrer:innen spielen eine Schlüsselrolle dabei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Schüler:innen Ängste nicht nur erkennen, sondern auch bewältigen können. Indem Lehrer:innen ein Bewusstsein für Prüfungsangst entwickeln und Wege finden, Schüler:innen zu unterstützen, können sie erheblich dazu beitragen, diesen Teufelskreis aus Angst und Versagen zu durchbrechen und das Wohlbefinden und die schulischen Leistungen der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Wenn also auffällt, dass ein:e Schüler:in vor oder während einer Prüfung unter starkem Stress steht, sollte dies keineswegs unbeachtet bleiben. Ein persönliches Gespräch mit der betroffenen Person kann bereits helfen, herauszufinden, ob Prüfungsangst die Ursache ist. Auch der Austausch mit den Eltern ist in solchen Fällen wichtig, um gemeinsam Unterstützung anzubieten.

Die körperlichen und emotionalen Symptome können durch Entspannungstechniken und gezielte Lernstrategien gelindert werden. Bei der Einführung neuer Lernstrategien ist es wichtig, die richtige für den individuellen Lerntyp des Kindes zu finden. Die Umstellung kann etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber der Erfolg wird sich lohnen: Wer rechtzeitig mit der richtigen Lernstrategie beginnt, sich gut vorbereitet fühlt und den Stoff sicher beherrscht, geht mit mehr Selbstvertrauen in die Prüfung. Als Entspannungstechniken eignen sich autogenes Training, Yoga, Atemübungen oder progressive Muskelentspannung.

In schweren Fällen kann es notwendig sein zusätzlich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus können Eltern spezielle Beratungsangebote in Anspruch nehmen, in denen Lehrkräfte praktische Unterstützung und Anleitung im Umgang mit schulischen Belastungen anbieten. Die Zusammenarbeit ist entscheidend, um Schüler:innen den Druck zu nehmen und ihnen zu helfen, ihre Ängste zu überwinden.

Eine weitere wirksame Methode ist das Erlernen von positivem Denken. Statt sich von Gedanken wie “Ich schaffe das sowieso nicht!” leiten zu lassen, sollten junge Menschen ermutigt werden, Selbstvertrauen zu entwickeln – etwa mit dem Leitsatz “Ich glaube an mich, und ich kann das meistern!”. Diese positive Einstellung muss regelmäßig gefestigt werden, indem Jugendliche immer wieder daran erinnert werden, sie zu verinnerlichen. Als Tipp: Besonders effektiv ist es, wenn Schüler:innen kurz vor dem Schlafengehen positive Affirmationen wiederholen. Während des Schlafes kann das Gehirn diese positiven Botschaften besser verarbeiten und festigen. 

Auch das Üben von Prüfungssituationen kann hilfreich sein. So wie Sportler:innen vor einem Wettkampf die Abläufe immer wieder durchgehen, können Schüler:innen durch das wiederholte Simulieren von Prüfungen mehr Sicherheit gewinnen. Die Bearbeitung von Aufgaben unter Zeitdruck nimmt der Prüfung den Schrecken, macht die Situation vertrauter und zeigt, dass der Prüfungsstoff überschaubar ist.

Auch das Umfeld spielt eine wichtige Rolle, da Prüfungsangst durch die Umgebung verstärkt oder gelindert werden kann. Daher ist es sinnvoll, dass eine betroffene Person, die unter Prüfungsangst leidet, neben Schüler:innen sitzt, die ruhiger und weniger ängstlich sind. Auch das familiäre Umfeld hat einen großen Einfluss: Wenn Eltern vor Prüfungen sehr nervös sind, überträgt sich das oft auf das Kind. Stattdessen sollten Eltern offen zugeben, dass auch sie nervös sind, aber gleichzeitig erklären, wie sie mit der Situation umgehen.

Weniger Druck hilft ebenfalls: Schüler:innen sollten lernen, dass eine schlechte Note kein Weltuntergang ist. Eltern und Lehrkräfte können hier durch Gelassenheit und Unterstützung viel bewirken. Ein realistischer Blick auf Prüfungen und das Vermeiden unnötiger Leistungsanforderungen helfen, Stress abzubauen.

Prüfungsangst kann tiefgreifende Auswirkungen auf Schüler:innen haben. Daher ist es wichtig, dass Lehrkräfte und Eltern frühzeitig eingreifen. Lehrkräfte können ein unterstützendes Umfeld schaffen und effektive Lern- und Entspannungstechniken vermitteln. Durch gezielte Maßnahmen und Zusammenarbeit mit Eltern und professionellen Helfer:innen kann der Kreislauf aus Angst und Versagen durchbrochen werden, sodass Schüler:innen mit mehr Selbstvertrauen in Prüfungen gehen können.

Auch die Institution Schule steht hier in der Verantwortung und muss bei dem Thema Prüfungsangst Unterstützung bieten. Schulen haben zahlreiche Möglichkeiten, Schüler:innen bei der Bewältigung von Prüfungsangst zu unterstützen. Eine der effektivsten Maßnahmen ist die Einführung regelmäßiger Workshops und Seminare. Solche Veranstaltungen könnten Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, mentale Stärke und Stressbewältigung abdecken. Darüber hinaus können individuelle und gruppenbasierte Coachings eine wertvolle Unterstützung bieten. Ein weiteres unterstützendes Konzept sind Mentoring-Programme, bei denen ältere Schüler:innen als Mentor:innen für jüngere Mitschüler:innen fungieren.

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