Der Investitionsrückstand an deutschen Schulen betrug 2023 fast 55 Milliarden Euro - so viel wie nie zuvor. (Quelle: Canva)
An deutschen Schulen herrscht seit Jahren ein massiver Investitionsrückstand. In vielen Städten und Gemeinden mangelt es an der nötigen finanziellen Ausstattung, um den Betrieb und die Instandhaltung von Schulgebäuden sicherzustellen. Zahlreiche Berichte von maroden Schulen, die teilweise für Unterrichtsausfall und sogar Schulschließungen sorgen, zeichnen ein düsteres Bild. Bundesweit berichten Kommunen von erheblichen Rückständen, die insbesondere Schulen betreffen.
Trotz Rekordinvestitionen der Kommunen kommt es aber zu einem immer größeren Investitionsstau, der langfristige Folgen für das Bildungssystem in Deutschland hat. Es gibt aber auch positive Beispiele, die innovative Maßnahmen zur Bewältigung der Investitionskrise ergriffen haben, während es in anderen Regionen noch immer einen erheblichen Rückstand gibt.
Der aktuelle Bericht des KfW-Kommunalpanels von 2024 zeichnet ein erschreckendes Bild der deutschen Schulinfrastruktur. Laut dem Bericht summiert sich der Investitionsrückstand im Bereich der Schulen auf fast 55 Milliarden Euro. Innerhalb eines Jahres ist der wahrgenommene Investitionsrückstand bei Schulen um rund 7,3 Milliarden Euro angestiegen. Besonders alarmierend: Jede zehnte Kommune gab an, dass sie die Unterhaltung der Schulen kaum oder gar nicht mehr gewährleisten könne. Damit machen die Schulen mit knapp 30 Prozent den größten Anteil des Investitionsrückstandes der Kommunen aus, noch vor maroden Brücken, schlechten Straßen und heruntergekommenen Verwaltungsgebäuden.
Dieser Investitionsstau zeigt sich sowohl in der baulichen Substanz vieler Schulen als auch in der technischen Ausstattung, die oft nicht den modernen pädagogischen Anforderungen entspricht. Das Resultat: undichte Dächer, mangelhafte Sanitäranlagen, veraltete Heizungsanlagen und fehlende digitale Infrastruktur. Während in einigen Regionen Deutschlands Schüler:innen in modernen, gut ausgestatteten Schulen unterrichtet werden, sitzen Kinder in anderen Teilen des Landes in maroden Gebäuden, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen sind.
Der drastische Anstieg des Investitionsrückstands an deutschen Schulen lässt sich auf eine Vielzahl von Ursachen zurückführen. Ein wesentlicher Faktor sind die stark gestiegenen Baukosten, die die Planung und Umsetzung von Projekten erheblich verteuert haben. Die Preise für Baumaterialien sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen, was die finanziellen Planungen vieler Kommunen durcheinandergebracht hat. Ursprünglich kalkulierte Projekte, deren Kosten vor wenigen Jahren noch tragbar erschienen, sind heute oft kaum noch finanzierbar. Hinzu kommen allgemeine Engpässe in der Bauwirtschaft. Viele Bauunternehmen sind bereits ausgelastet, was zu Verzögerungen führt, da notwendige Bauvorhaben nicht zeitnah umgesetzt werden können.
Eine weitere Ursache ist der akute Personalmangel in den Bauverwaltungen der Städte und Gemeinden. In vielen Kommunen fehlt es an qualifizierten Fachkräften, um die notwendigen Planungs- und Genehmigungsprozesse effizient voranzutreiben. Dieser Mangel führt nicht nur zu Verzögerungen bei der Umsetzung von Bauprojekten, sondern in vielen Fällen sogar dazu, dass dringend benötigte Vorhaben gar nicht erst angegangen werden. In mehr als der Hälfte der betroffenen Kommunen kommt es aufgrund fehlenden Personals zu erheblichen Verzögerungen, während in fast 30 Prozent der Fälle Projekte aufgrund dieser personellen Engpässe ganz scheitern.
Nicht zuletzt spielen auch die oft komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren eine zentrale Rolle. Obwohl es in Deutschland durchaus Fördermittel für Investitionen in die Schulinfrastruktur gibt, sind diese häufig schwer zugänglich. Der bürokratische Aufwand, der mit der Beantragung solcher Mittel verbunden ist, schreckt viele Kommunen ab oder verzögert die Umsetzung der Projekte erheblich. Diese strukturellen Hindernisse machen es den Kommunen schwer, die notwendigen Investitionen schnell und effizient zu tätigen.
Ein erheblicher Teil des Investitionsstaus ist aber auch direkt mit der finanziellen Lage der deutschen Kommunen verbunden. Laut dem KfW-Bericht bewerten mittlerweile 58 Prozent der Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Finanzsituation als negativ – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Nur noch 17 Prozent der befragten Finanzverantwortlichen kommen zu einer positiven Einschätzung ihrer Lage.
Die gestiegenen Zinsen haben die Finanzierungssituation für viele Kommunen weiter verschärft. Wo früher Kredite zu günstigen Bedingungen aufgenommen werden konnten, sieht die Situation heute anders aus. Für viele Kommunen sind die Kreditkonditionen inzwischen so unattraktiv, dass sie Investitionen in die Schulinfrastruktur lieber verschieben, als neue Schulden aufzunehmen.
Ein Beispiel, wie es auch anders gehen kann, liefert die Stadt Hamburg. Hier hat die Stadtregierung frühzeitig erkannt, dass der Investitionsstau in der Schulinfrastruktur langfristig negative Folgen haben wird und dementsprechend gehandelt. Hamburg hat eine eigene Schulbaugesellschaft gegründet, die gezielt in den Bau und die Modernisierung von Schulen investiert. Dieses Modell erlaubt es der Stadt, schneller auf Bedarfe zu reagieren und Projekte effizienter umzusetzen.
Ein entscheidender Faktor in Hamburg ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Schulbehörde, den Bauverwaltungen und der eigens gegründeten Schulbaugesellschaft. Durch diese zentrale Steuerung und Bündelung von Ressourcen konnten in den letzten Jahren zahlreiche Projekte schneller umgesetzt werden, als es in vielen anderen deutschen Städten der Fall ist. Ein weiterer Vorteil dieses Modells ist die Entlastung der kommunalen Bauverwaltungen, die sich auf andere Projekte konzentrieren können.
Im Gegensatz zu Lage in Hamburg sieht die Situation in Hessen düster aus. Hier schätzt die GEW den Investitionsstau an den Schulen auf rund fünf Milliarden Euro – eine gewaltige Summe, die von den Kommunen alleine nicht gestemmt werden kann. Besonders kritisch ist die Lage in Frankfurt, wo alleine 2,5 Milliarden Euro des Investitionsstaus verortet sind.
Die GEW Hessen forderte daher zuletzt von der Landesregierung ein umfassendes Investitionsprogramm, um den Rückstand aufzuholen und die Chancengleichheit im Bildungsbereich zu gewährleisten. “Es kann nicht sein, dass in einer Region Hessens Kinder in modernen Schulen lernen, während in anderen Regionen die Gebäude verfallen”, kritisiert der Vorsitzende der GEW Hessen, Thilo Hartmann.
Angesichts der gravierenden Investitionsprobleme suchen viele Städte und Gemeinden nach alternativen Lösungsansätzen. Ein Modell, das immer häufiger diskutiert wird, ist das serielle Bauen. Durch standardisierte Baupläne und modulare Bauelemente sollen Schulen schneller und kostengünstiger errichtet werden. Dieses Modell könnte auch in Deutschland eine Antwort auf den akuten Schulraummangel sein. In Hamburg wurde das typische “Klassenhaus” bereits 40 Mal gebaut. Durch die schnelleren Verfahren ist eine Bauzeit von weniger als einem Jahr möglich.
Ein weiteres vielversprechendes Konzept ist die Gründung von Schulbaugesellschaften, wie es in Hamburg oder auch in Köln der Fall ist. Diese spezialisierten Einheiten können effizienter planen und bauen, da sie sich ausschließlich auf den Bildungsbereich konzentrieren und so auf die besonderen Bedürfnisse der Schulen eingehen können. Außerdem unterliegen sie oft weniger strengen Vorgaben, wodurch viel Zeit und bürokratischer Aufwand gespart wird.
Für die Kommunen wird es in Zukunft wichtig sein, solche alternativen Wege zu gehen, da ohne zusätzliche Unterstützung von Bund und Ländern der Investitionsrückstand immer größer werden zu droht.