Für die geplante und umstrittene Cannabis-Legalisierung hat das Bundeskabinett sogenannte Eckpunkte beschlossen. Künftig sollen Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft und somit entkriminalisiert werden. Was beinhaltet der Entwurf des Eckpunktepapiers, was sagen Umfragen und Studien und wie wirkt sich die geplante Legalisierung auf die Präventionsarbeit an Schulen aus?
Hanf (lateinisch Cannabis) zählt zu den ältesten Nutzpflanzen der Erde. Aus verschiedenen Pflanzenteilen können Produkte wie Seile, Speiseöl oder eben auch Marihunana hergestellt werden. Heiler in China und Ägypten behandelten schon vor über 1000 Jahren Kranke mit Cannabis. In Europa gibt es sie seit dem 19. Jahrhundert. Für Patienten mit chronischen Schmerzen oder bei einer Krebsbehandlung kann die Therapie mit medizinischen Cannabis Präparaten wirkungsvoll sein. Seit März 2017 dürfen in Deutschland Arzneimittel aus Cannabis verschrieben werden.
Um eine kontrollierte Abgabe von Cannabis im Sinne des Jugend- und Gesundheitsschutzes umzusetzen, beinhaltet das Eckpunktepapier der Bundesregierung folgende Maßnahmen:
Laut Ansicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe das bisherige Verbot nichts gebracht, es sei Zeit für einen neuen Ansatz. “Wir wollen keinen ausgeweiteten Cannabiskonsum, sondern einen besseren Kinder- und Jugendschutz und einen besseren Gesundheitsschutz erreichen'', so Lauterbach. Dr. Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer, kritisiert die geplante Legalisierung: "Die Legalisierung einer Substanz, von der wir wissen, dass sie hirnorganische Veränderungen produziert, zu Verhaltensauffälligkeiten führt, Abhängigkeiten produziert und psychische Veränderungen auslöst, finden wir im Grundsatz erschütternd." Auch Simone Borchardt, drogenpolitische Sprecherin von CDU und CSU warnt vor Langzeitfolgen des Cannabis-Konsums. Sie bemängelt Unklarheiten über die Obergrenzen des Anbaus sowie des Kaufes. Die Aussage des Gesundheitsministers, dass die Drogenpolitik erneuert werden müsse, stützt auch die aktuelle Studie der Bundeszentrale für Gesundheit aus dem Jahr 2021. Aus der geht hervor, dass der Konsum von Cannabis leicht ansteigt.
Zur Drogenpolitik gehört aber nicht nur der Umgang mit illegalen Drogen, sondern auch mit legalen Drogen wie Alkohol und Zigaretten. Interessant ist dazu die Studie des britischen Psychiaters David Nutt, der die Gefährlichkeit verschiedener Substanzen in einer Studie verglichen hat:
Es lässt sich ablesen, dass Alkohol um einiges schädlicher als Cannabis ist, sowohl für sich selbst als auch für andere. Vergleichbare Resultate fand die Umfrage von frontiersin.org heraus. Aus anderen Studien geht hervor, dass Alkohol und Zigaretten die Einstiegsdrogen Nummer eins für junge Menschen sind. Das könnte an der gesetzlichen Altersbegrenzung mit 16 Jahren, zur Einnahme von Bier und Sekt, liegen. Das Eckpunktepapier sieht die Freigabe zur Nutzung von Cannabis frühestens ab 18 Jahren vor.
Nicht nur in Deutschland ist das Thema Legalisierung von Cannabis seit Jahren Gegenstand von Diskussionen. Andere Länder wie Portugal, Kanada, Niederlande oder Teile der USA haben den Schritt zur Entkriminalisierung gewagt. Portugal scheint ein Vorzeigeland im Umgang mit dem Konsum und der Legalisierung zu sein. Hier wird seit 2001 der Konsument nicht als Krimineller, sondern im gegebenen Fall als Suchtkranker behandelt. Portugal setzt auf frühe und flächendeckende Aufklärung und Hilfsangebote. Es gibt derzeit noch keine wissenschaftlich fundierten Studien, welche die Auswirkungen der Legalisierung klar einordnet. Es kristallisiert sich durch Befragungen aber der Trend zur positiven Veränderung auf dem Schwarzmarkt ab. In einem aktuellen Video von Quarks werden die Risiken und eventuellen Folgen einer Legalisierung wissenschaftlich aufgearbeitet. Das Argument der Entkriminalisierung hätte auch den Vorteil, dass sich der Staat die Kosten der Strafverfolgung sparen kann. Laut der Studie von Prof. Dr. Justus Haucap und seines Teams, würden über eine Milliarde Euro jährlich eingespart und mit einer Steuer auf Cannabisprodukte jährlich 650 Millionen Euro in die Staatskassen gespült werden.
Unabhängig von der aktuellen Debatte der Legalisierung, hätte der bereits beobachtbare steigende Konsum längst Auswirkungen auf die Suchtprävention an Schulen haben müssen. Die Suchtprävention an Schulen ist Ländersache, daher gibt es kein einheitliches Konzept oder gesetzliche Vorgaben für Lehrer und Lehrerinnen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beschreibt in Ihren Zielen als Schwerpunkt den Umgang mit Alkohol und Tabak. Was mit anderen Konsumgütern? Denn nicht nur der Cannabiskonsum, vor allem aber auch der Medienkonsum ist seit Jahren enorm angestiegen. Es gibt gute Beispiele, wie man den Schüler:innen Suchtprävention näher bringen kann. Zum Beispiel das Projekt S.P.A.S. im Landkreis Vorpommern-Rügen. Seit 2021 wird es erstmalig getestet. Durch Suchtpräventionsfachkräfte werden vorerst die Pädagog:innen geschult und im weiteren Verlauf die Schüler und Schülerinnen. Der Umfang des Präventionsprojektes beläuft sich auf drei Jahre. Mehr Informationen findet ihr hier. In allen Bundesländern gibt es ähnliche Projekte, die nicht nur das Thema Drogenkonsum, sondern auch Essstörungen oder Medienkonsum unter die Lupe nehmen. Auch werden zunehmend die Schüler:innen selbst zu sogenannten Multiplikatoren ausgebildet und tragen so zur gesundheitlichen Aufklärung bei. Die Statistik zeigt, dass die Konsument:innen steigen und mit einer Legalisierung, sei sie noch so gut vorbereitet, die Herausforderungen für die Suchtprävention an Schulen wachsen werden. Fakten und Informationen diesbezüglich aus den oben genannten Ländern sind kaum zu finden. Tendenzen zeigen, dass eine Legalisierung kaum Einfluss auf die verfrühte oder missbräuchliche Nutzung von Cannabis hat.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass es richtige und wichtige Argumente, für und gegen eine Legalisierung von Cannabis, gibt. Die gesundheitlichen Risiken, gerade für die jungen Mitmenschen, sind nicht unerheblich. Langzeitfolgen einer Legalisierung von Cannabis sind noch nicht gut genug erforscht. Was aber gut erforscht ist, sind die Auswirkungen des Missbrauchs von Alkohol. Sollte vielleicht umgekehrt gedacht werden und der Alkoholmissbrauch stärker in den Fokus von Jugendschutz und Prävention rücken? Wirksame und nachhaltige Schritte zur Suchtprävention wurden bereits verpasst. Sollte die EU-Kommission also entscheiden, dass die geplanten Maßnahmen zur Cannabis-Legalisierung rechtlich umsetzbar sind, wäre eine Aktualisierung der bisherigen Präventionsprogramme und das Schaffen der dazugehörigen Infrastruktur, vor dem in Kraft treten des neuen Gesetzes, wünschenswert. Wenn dann wirklich qualitativ und quantitativ hochwertige Arbeit im Vorhinein geleistet wurde, bleibt abzuwarten, ob der Weg der Legalisierung wirklich der Bessere ist.
Was meint ihr, ist der Weg der Legalisierung von Cannabis der Richtige und welche Erfahrungen habt ihr mit Suchtpräventionsangeboten gemacht?