Die Meinungsumfrage zeigt, dass die Menschen in Bremen die Schulen sowie die Bildungspolitik im Stadtstaat überwiegend schlecht bewerten. (Quelle: Canva)
München / Bremen. Die Menschen in Bremen sind im deutschen Vergleich am unzufriedensten mit ihrem Bildungssystem. Das zeigt das Bildungsbarometer des ifo Instituts, eine bundesweite repräsentative Meinungsumfrage zu diversen Bildungsthemen, die das Münchner Institut von April bis Juni 2024 durchgeführt hat. Diesen Dienstag veröffentlichte es die Ergebnisse. Befragt wurden 9.739 Menschen im Alter von 18 bis 69 Jahren, 476 davon in Bremen.
Auf die Aufforderung hin, den Zustand der Schulen im eigenen Bundesland mit einer Schulnote zu bewerten, vergaben 26 Prozent der Bremer:innen die Note Vier, 19 Prozent von ihnen die Note Fünf oder Sechs. Im deutschen Durchschnitt bewerteten 17 Prozent der Befragten ihre Schulen mit einer Vier und gerade einmal acht Prozent mit einer Fünf oder Sechs, in Bayern waren es je zwölf und sechs Prozent. Mit dem höchsten Anteil an Befragten, welche die schlechtesten Noten vergaben, bildet Bremen auch mit seiner Durchschnittsnote von 3,5 das Schlusslicht und weist somit die unzufriedensten Teilnehmer:innen der Umfrage auf. Die beste Durchschnittsnote erhielten die Schulen in Bayern mit einer 2,77, gefolgt von Hamburg und Sachsen mit einer 2,92 und einer 2,94. Deutschlandweit empfinden die Befragten den Zustand ihrer Schulen also hauptsächlich als befriedigend.
In der Umfrage hat man die Teilnehmer:innen ebenfalls gebeten, die Bildungspolitik ihres Bundeslandes auf gleiche Weise mit einer Note zu versehen. Insgesamt fiel diese Bewertung negativer aus als die der Schulen selbst, was darauf hindeutet, dass die Befragten die Probleme des Bildungssystems vor allem in der Politik verorten. Auch hier waren die Anteile der schlechten Zensuren in Bremen deutlich höher als anderswo. Mehr als die Hälfte der Bremer:innen gaben der Bildungspolitik des Stadtstaats eine schlechtere Note als Drei: 30 Prozent entschieden sich für eine Vier, 28 Prozent vergaben eine Fünf oder Sechs. Dies übertrifft den Bundesdurchschnitt von je 23 und 12 Prozent deutlich.
Erwartungsgemäß hoch ist bundesweit die Zustimmung zu der Aussage, dass mehr in die Bildung investiert werden sollte. In Deutschland wünschten sich dies 78 Prozent der Teilnehmer:innen, in Bremen 83 Prozent. Am weitesten vorne liegen in dieser Frage die drei ostdeutschen Bundesländer Brandenburg (87 Prozent), Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern (beide 85 Prozent). Unter den westdeutschen Bundesländern ist demnach der Wunsch nach höheren Ausgaben in Bremen sowie in Schleswig-Holstein am größten.
Zu allen sieben Reformvorschlägen, welche in der Umfrage vorgelegt wurden, zeigten sich die Befragten überwiegend bejahend. In den meisten Fällen waren die Zustimmungsraten zu den Vorschlägen unter den Bundesländern recht gleich. Die größte Bestätigung erhielten Maßnahmen zur Früherkennung besonderer Bedürfnisse der Schüler:innen: Jährliche, standardisierte Tests zur Ermittlung von Förderbedarfsfällen erhielten eine Zustimmung von 84 Prozent, verpflichtende Sprachtests für Kinder im Alter von vier Jahren, gegebenenfalls mit anschließendem Deutschunterricht, eine Bestätigung von 82 Prozent. Die Forderung nach einem einheitlichen Ganztagsangebot bis 15 Uhr stieß auf verhältnismäßig gemischte Gefühle und konnte bundesweit nur eine Zustimmung von 52 Prozent erzielen. Vor allem in den Stadtstaaten war dieser Vorschlag allerdings beliebt und wurde in Bremen von 56 Prozent der Befragten gefordert, was das Bundesland in dieser Hinsicht auf den sechsten Platz befördert. In Berlin und Hamburg stimmten diesem Vorschlag sogar jeweils 60 und 64 Prozent zu.
Die Studie des ifo Instituts bleibt eine Meinungsumfrage und bildet die allgemeine Wahrnehmung der Bildungssysteme in den einzelnen Bundesländern unter den Erwachsenen möglichst repräsentativ ab. Die stellvertretende Leiterin des ifo Zentrums für Bildungsökonomie, Katharina Werner, die zu den Autor:innen der Umfrage gehört, betonte in einer Pressemitteilung, dass die Ergebnisse ergänzend zu Leistungstests, welche das echte Bildungsniveau der Schüler:innen darstellen können, gesehen werden müssen. Die Ko-Autorin Vera Freundl hob hervor, dass “viele Reformvorschläge zur Stärkung der Basiskompetenzen mehrheitsfähig” seien. Auf diese Weise dient das Bildungsbarometer als Bestätigung für konkrete Verbesserungsvorschläge, die vor dem Hintergrund einer starken Unzufriedenheit unter den Befragten für die Politik relevant sein dürften.
Die Zustimmung zur Idee, ein tägliches 20-minütiges Lesetraining in die Grundschulbildung einzubauen, stieß in ganz Deutschland auf eine gleichmäßige Zustimmung und wurde auch von 76 Prozent der Bremer:innen gewünscht. Ein vergleichbares Programm existiert in Bremen allerdings bereits. Die Bildungssenatorin des Stadtstaats, Sascha Karolin Aulepp (SPD), zog daraus gegenüber dem Sender Buten un Binnen den Schluss, dass man “das auch noch einmal deutlicher kommunizieren” müsse, wenn Reformideen bereits umgesetzt würden.
Die auffällig negative Auffassung des Zustands der Schulen und des Bildungssystems in Bremen unter den Befragten bestätigt, was in der öffentlichen Diskussion schon länger eine signifikante Rolle spielt. Wie zuletzt der INSM-Bildungsmonitor zeigte, ist die Bildung in Bremen in vielen Punkten von Problemen betroffen (Lehrer-News berichtete). Die Studie untersucht diverse Indikatoren des Bildungsniveaus in verschiedenen Handlungsfeldern von Bildungsarmut über Migration bis Internationalisierung. Auch hier gab Bremen ein schlechtes Bild ab und belegte den letzten Platz. Beim IQB-Bildungstrend der Berliner Humboldt-Universität, der Basiskompetenzen unter Neuntklässler:innen im Jahr 2022 bundesweit untersuchte, schnitten Bremer Schüler:innen im Fach Deutsch mit Abstand am schlechtesten ab. 46,8 Prozent unter ihnen erfüllten nicht den Mindeststandard.
Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Basiskompetenzen werden in Bremen auch durch die Frustration deutlich, die viele Eltern von Grundschulkindern offenbar spüren. In einer öffentlichkeitswirksamen Aktion luden Eltern der Schule an der Gete im Juni dieses Jahres einen Haufen blauer Briefe, in Anlehnung an die einstige Farbe der schulischen Mahnbriefe, beim Bremer Rathaus ab. In diesen Briefen schilderten sie ihre Sorgen angesichts des erhöhten Unterrichtsausfalls und den resultierenden Lücken im Lernprozess ihrer Kinder.
Als allgemeine Meinungsumfrage repräsentiert das ifo Bildungsbarometer die Gemütslage in der breiten Bevölkerung, was Bildungsthemen betrifft. Obwohl daraus kein tatsächlicher Zustand an deutschen Schulen abgeleitet werden kann, sind die Ergebnisse symptomatisch für zunehmende Sorgen und Unzufriedenheit über das Bildungsniveau in Deutschland. Die herausragend negative Auffassung in Bremen deckt sich mit einem Trend, der in diversen Erhebungen und Presseberichten hervortritt und ein absteigendes Niveau vor allem der Basiskompetenzen im Bundesland feststellen lässt.