Von rechts nach links: Nicolas Colsman (Gründer der ZDB), Stefan Happel (stellvertrender Schulleiter der DSP) und Kai Müller (Medienkoordinator der DSP). (Quelle: Redaktion)
Mit 135 deutschen Auslandsschulen in 70 Ländern weltweit will die Bundesrepublik den internationalen Bildungsaustausch fördern. Diese Schulen sind mehr als im Ausland ansässige Bildungseinrichtungen — vielmehr fungieren sie als kulturelle und gesellschaftliche Brücken zwischen dem deutschen Bildungssystem und ihren jeweiligen Gastländern. Ein spannendes Beispiel hierfür stellt die Deutsche Botschaftsschule in der chinesischen Hauptstadt Peking (DSP) dar, die das deutsche Schulwesen in die lebendige chinesische Gesellschaft einbettet und damit eine Schnittstelle für interkulturelle Begegnungen bildet. In unserer Serie über das Auslandsschulwesen am Beispiel der DSP stellen wir zunächst die Schule selbst vor. Vor Ort hat Nicolas Colsmann, Gründer der ZDB, exklusive Einblicke in ihr Konzept gewonnen und mit dem stellvertretenden Schulleiter Stefan Happel gesprochen.
Im Herzen von Peking, im Stadtviertel Chaoyang, liegt die Deutsche Botschaftsschule Peking, umgeben von Botschaften wie der koreanischen oder der US-amerikanischen sowie diversen Wohngebäuden für die Botschaftsangehörigen. Obwohl es sich bei Chaoyang allgemein um ein Diplomatenviertel handelt und sich Botschaftsgelände in unmittelbarer Nähe befindet, hat die Schule nicht unbedingt denselben Status, auch wenn sich der Status als “botschaftsähnlich” beschreiben lässt.
Im Gespräch mit Lehrer-News weist Happel darauf hin, dass nicht einmal die Botschaft selbst den Begriff „Botschaftsschule“ genau definieren könne. Das hänge vor allem von den chinesischen Regularien ab, die entweder nicht festgeschrieben seien oder, wenn sie es sind, einen gewissen Interpretationsspielraum lassen. „Was für uns wichtig ist als Schule: Wir werden nicht besucht. Wir können entscheiden, wer hier aufs Gelände kommt“, betont er. Konkret heiße das, dass beispielsweise in der Covid19-Pandemie die Umsetzung der von der chinesischen Regierung erlassenen Regeln für das Schulwesen nicht kontrolliert wurde. Auch müssen die verwendeten Schulmaterialien den chinesischen Kommissionen nicht vorgelegt werden, wie es an anderen Auslandsschulen in der Regel üblich ist.
Der Grund hierfür sei die Gewährleistung deutscher Bildungsstandards. Damit solle den Schüler:innen eine reibungslose Eingliederung in das deutsche Bildungswesen ermöglicht werden. „Die meisten Familien sind Deutsche, die hierher kommen und dann wieder zurück nach Deutschland gehen“, sagt Happel. Besonders ihnen müsse versichert werden, „die Kinder haben nach deutschen Standards gelernt, ihre Kompetenzen entwickelt und können diese dann in Deutschland nahtlos ins Schulsystem einbringen“.
Auch in ihrer Organisation und Struktur orientiert sich die DSP grundsätzlich an deutschen Vorgaben. Happel beschreibt die Strukturierung folgendermaßen: „Auf der organisatorisch strukturellen Ebene könnte man fast sagen, das ist eine deutsche Schule, wie wir sie in irgendeinem Bundesland finden und dementsprechend hier in die Mitte von Peking setzen.“ So können Schüler:innen nach dem Besuch des Kindergartens und der Grundschule den Hauptschul-, den mittleren Schulabschluss oder das deutsche internationale Abitur ablegen. Die Schule richte sich dabei nach den Vorgaben der KMK, einen Einfluss durch China gebe es auf struktureller Ebene nicht. Happel weist jedoch darauf hin, dass vermehrt Kinder aus deutsch-chinesischen Ehen an die Schule kommen. Zwar mache die Mehrheit immer noch die deutsch-deutschen Expats aus, der Anteil der deutsch-chinesischen Kinder wachse aber. Dadurch vergrößere sich auch der kulturelle chinesische Einfluss. „Das stellt auch für uns als Schule bestimmte Herausforderungen, weil wir schauen müssen, dass diese Kinder das notwendige Deutsch-Niveau erhalten, um dann später das Abitur zu machen“, so Happel. Dadurch kommt der Schule eine bedeutende Rolle als Sprachvermittlerin zu. Oftmals sei es laut Happel so, dass in einem bilingualen Haushalt ein Elternteil oder beide arbeitstätig seien, sodass Deutsch in der Schule das einzige „Sprachbad“ für die Kinder darstelle, wodurch der Schule die wichtige Aufgabe zuteil wird, das Sprechen zu intensivieren und „die Begegnung der beiden Kulturen hier im Hause“ zu fördern.
Daher hebt das Schulprogramm die Deutschförderung als Themenschwerpunkt hervor, und auch Happel betont diese, neben der Selbstregulierung bzw. Personalisierung und der Digitalisierung, als eins der drei zentralen Arbeitsfelder. Durch sprachsensiblen Unterricht, der die deutsche Sprache nicht nur als Unterrichtssprache integriert, sondern auch spezielle Arbeitsgruppen zur Förderung von „Deutsch als Zweitsprache“ einschließt, möchte die Schule sicherstellen, dass die vielfältigen Sprachperspektiven der Schüler:innen nicht als Hürden, sondern als Potenziale wahrgenommen werden können. Der Ansatz adressiert die sprachlichen Bedürfnisse der diversen Schülerschaft und fördert gleichzeitig die Integration in das deutsche Bildungssystem, da ein bestimmtes Augenmerk auf die chinesischen Erstsprachler:innen gelegt werde. Dadurch haben die Lehrkräfte die Möglichkeit, den Lernstand in Echtzeit mitzuverfolgen.
Eine Herausforderung sei allerdings die Förderung des kulturellen Interesses und Verständnisses der deutschen Expats an ihrem Gastland. Zwar passiere dies bereits in den Klassen,aber Gruppierungen auf dem Pausenhof seien trotzdem noch häufig. Daher hat sich die Schule die interkulturelle Förderung zum Ziel erklärt, „auf das Gastland zuzugehen und sich auszutauschen“.
Neben der Deutschförderung nimmt Englisch ab der Klasse 1 die Position der ersten Fremdsprache ein. Ab der sechsten Klasse können Schüler:innen Französisch als zweite Fremdsprache erlernen. Alternativ bietet die Schule Chinesisch als Landessprache an, für das allerdings ein gewisses Niveau nötig ist und somit vor allem für die zweisprachigen Kinder von Bedeutung ist. Eine Neuerung ist, dass Chinesisch auch als Abiturfach durchgängig belegt werden kann, was den Schüler:innen eine zusätzliche Option in ihrer akademischen Laufbahn eröffnet.
Als Französisch- und Chinesischlehrer erhält Happel selbst einen tiefen Einblick in die Sprachbildung an der DSP. Er betont die realistische Betrachtung eines soliden Chinesisch-Niveau für Kinder aus deutschen Expat-Familien, die meist für etwa drei Jahre nach Peking kommen. In dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne gestaltet sich das Erlernen der chinesischen Sprache für die Kinder oftmals als anspruchsvoll. Die meisten Kinder können in dieser Zeit nicht die erforderlichen Sprachkenntnisse erwerben, da ihre Hauptpriorität auf anderen Aktivitäten liege. Trotzdem bietet die DSP Chinesischunterricht ab der ersten Klasse bis zur neunten Klasse als außerschulische Arbeitsgemeinschaft an. Allerdings stehen diese Stunden im Wettbewerb mit anderen Freizeitaktivitäten wie Tischtennis, Fußball, Basteln und Singen. Daher erkennt die Schule an, dass die Kinder Freiräume für Spiele und Aktivitäten benötigen und verpflichtet den Unterricht nicht.
Mit einem klaren Fokus auf die Förderung der Deutschkenntnisse und einer interkulturellen Ausrichtung zeigt die Deutsche Botschaftsschule Peking, wie sie eine Brücke zwischen dem deutschen Bildungssystem und der chinesischen Gesellschaft schlägt. Schüler:innen werden nicht nur deutsche Bildungsinhalte, sondern auch eine offene interkulturelle Haltung inmitten der chinesischen Hauptstadt vermittelt. In den folgenden Artikeln dieser Reihe möchten wir die beiden weiteren Schwerpunktfelder der DSP beleuchten. Neben der Schulentwicklung im Ausland soll auch die Digitalisierung genauer betrachtet werden. Im Kontrast zu der deutschen Auslandsschule Peking steht das chinesische Bildungssystem, mit dem sich Lehrer-News innerhalb der Reihe Bildungssysteme der Welt bereits auseinandergesetzt hat.