OpenAI präsentiert ChatGPT-4o – welche Änderungen bringt das neue KI-Modell für den Bildungsbereich? (Quelle: Unsplash)
OpenAI hat diese Woche das neue Sprachmodell ChatGPT-4o vorgestellt, das mit einer Reihe neuer und verbesserter Funktionen aufwarten kann. Das KI-Tool ermöglicht nahezu Echtzeitkommunikation über Sprachausgabe. GPT-4o baut auf den Fähigkeiten des Vorgängermodells GPT-4 auf, bietet jedoch verbesserte Geschwindigkeit und erweiterte Funktionen in den Bereichen Text-, Sprach- und Bildverarbeitung.
Neu an GPT-4o ist unter anderem seine Fähigkeit, über Bilder zu diskutieren und sogar das Lösen von mathematischen Formeln zu bewältigen – in Echtzeit. Für Lehrkräfte bedeutet das ein hohes Maß an Unterstützung. Routineaufgaben wie zum Beispiel das Überprüfen von Hausaufgaben oder das Generieren von Übungsfragen oder Ideen für Präsentationen können – zumindest teilweise – automatisiert werden. Die vorherige kostenlose Version von ChatGPT, basierend auf der GPT-3.5-Architektur, hat bereits über ein breites Wissensspektrum bis Anfang 2022 verfügt und wurde von Millionen von Menschen weltweit genutzt. Trotz ihrer Fähigkeit, realistische Konversationen zu führen, hatte die KI oft Schwierigkeiten bei komplexen Aufgaben, die spezifisches Fachwissen erfordern und lieferte nicht selten Fehlinterpretationen von Kontexten. Trotzdem galt die Version längere Zeit als eines der fortschrittlichsten KI-Modelle und legte den Grundstein für zukünftige Entwicklungen in der KI-gestützten Sprachtechnologie. Erste Demonstrationen von GPT-4o zeigen die erweiterten sprachlichen Fähigkeiten des Modells, welches rund 50 Sprachen beherrschen soll.
GPT-4o wird zunächst für ChatGPT-Plus- und Team-Nutzer priorisiert verfügbar sein. Anschließend soll GPT-4o auch kostenfrei für alle ChatGPT-Nutzer nutzbar sein, jedoch mit bestimmten Einschränkungen. Aktuell ist GPT-4o noch nicht für alle Nutzer zugänglich, und die verbesserten Seh- und Sprachfähigkeiten sind auch nach den iOS- und Android-Updates noch nicht für alle verfügbar. OpenAI plant, diese neuen Funktionen in den kommenden Wochen schrittweise einzuführen. Mira Murati, CTO von OpenAI, erklärte, dass ChatGPT-4o als Omnimodell, bei dem keine verschiedenen Modelle mehr miteinander kommunizieren müssen, nicht nur die Latenzzeit, sondern auch die Kosten reduziert.
Die fortschreitende Integration von KI in den Alltag lässt sich auch an den neuen Funktionen deutlich erkennen, beispielsweise sollen mit GPT-4o Smartphones als Kameras genutzt werden können, um Fragen zu stellen oder Codes zu überprüfen und wie mit einem persönlichen Assistenten diskutieren zu können. Darüber hinaus demonstriert ChatGPT-4o die Fähigkeit, Emotionen in Live-Selfies zu erkennen – ein Schritt in Richtung noch menschenähnlicherer Interaktionen.
Die neue ChatGPT-Version dürfte das Potenzial von KI im Bildungssektor deutlich steigern. Salman Khan, der Gründer der Khan Academy, eine gemeinnützige Organisation, die kostenlose Übungen und Lehrinhalte für Lehrkräfte bereitstellt, demonstrierte das in einem Video auf YouTube zusammen mit seinem Sohn. Sie testeten darin die Fähigkeiten der KI anhand einer Matheaufgabe. Während des Videos bat Khan ChatGPT seinem Sohn beim Lösen der Matheaufgabe zu helfen, ohne die Lösung vorzugeben. Die KI wurde dabei angeleitet, Imran bei der Problemlösung Hilfestellung zu geben und beim Lernprozess den Fokus auf Verständnis anstatt auf pures Auswendiglernen zu legen. GPT-4o führte Khans Sohn geschickt in einen Dialog, indem es ihm gezielte Fragen stellte und ihn indirekt auf den richtigen Lösungsweg lenkte, anstatt direkte Antworten zu geben. Durch die Anleitung der KI konnte der Junge die Konzepte besser verstehen und das Problem mit nur geringfügiger Unterstützung lösen.
Die Vorführung illustriert nicht nur das Potenzial künstlicher Intelligenz für maßgeschneiderte Nachhilfe und ein individualisierbare Lernunterstützung für Leistungsschwächere, sondern wirft auch Fragen bezüglich der Zukunft traditioneller Lehrmethoden auf. Die Fähigkeit von ChatGPT-4o, komplexe mathematische Konzepte effektiv zu vermitteln, deutet auf einen möglichen Wandel in der Bildungslandschaft hin, indem KI-gestützte Plattformen zunehmend menschliche Tutoren ersetzen könnten. Während traditionelle Lehransätze lange Zeit den Bildungssektor dominierten, bieten Fortschritte in der KI nun skalierbare, individualisierte und kostengünstige Alternativen.
Wie ChatGPT beispielsweise in den Deutschunterricht implementiert werden kann, erklärt der Bildungsinfluencer Bob Blume auf seinem Blog: Zum Thema “Bericht” bekam die KI die Aufgabe, ein Unfallszenario zu beschreiben, dessen Ausgang nicht bekannt ist. Im Prompt wurde festgelegt, dass man den Beteiligten des Unfalls spezifische Fragen stellen kann, auf welche sie nur mit der Wahrheit antworten dürfen. Anhand dieser Informationen sollten die Schüler:innen anschließend ihren Bericht verfassen. Anders als im Lehrbuch konnten die Kinder die Personen allerdings befragen und hatten so die Hürde, erst zu einer Version kommen zu müssen, die dann in einen Bericht umgewandelt werden konnte. Beim Formulieren von Prompts für ChatGPT sollte vor allem auf einfache klare Sprache, präzise Formulierungen, das Festlegen eines spezifizierten Kontextes und Rahmens für die Aufgabe, die Vermeidung von Ja/Nein-Fragen und das Vermeiden von Fachjargon oder Slang geachtet werden.
Durch Verbesserungen im Modelltraining und in den Algorithmen kann ChatGPT-4o jetzt noch besser auf subtile Formulierungsunterschiede reagieren und ist weniger anfällig für die Verbreitung von veralteten und Fehlinformationen. Zuvor war die Formulierung der Aufgabe, die man an die KI richtete, sehr entscheidend. Durch die Bereitstellung von Schulungsmaterialien, Best-Practice-Leitfäden und Fallstudien kann OpenAI dazu beitragen, die Hemmschwelle für die Einführung neuer Technologien in den bisherigen Unterricht zu überwinden und das Bewusstsein für die Vorteile von ChatGPT zu schärfen. Auf der OpenAI-Website selbst findet sich ein Guide für Lehrkräfte, der erklärt, wie sie ChatGPT in ihren Unterricht integrieren können. Wie Lehrkräfte mit ChatGPT im Unterricht umgehen können, hat uns bereits Joscha Falk in einem Interview mit Lehrer News erklärt.
Dennoch gilt der Umgang mit KI-Tools im Bildungskontext als umstritten. Die Verfügbarkeit der Sprachmodelle stellt vor allem herkömmliche Prüfungsformen in Frage. Ob Texte mit Hilfe einer KI erstellt wurden oder nicht, lässt sich oft schwer nachvollziehen. Als Reaktion auf einen möglichen Einsatz von ChatGPT in einer Abiturklausur in Hamburg letztes Jahr, forderte der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sogar eine Reform des aktuellen Notensystems.
ChatGPT-4o hat das Potenzial, den Bildungssektor zu verändern. Jedoch unter Vorbehalt. Durch personalisierte Nachhilfe und die Fähigkeit, komplexe Konzepte auf verständliche Weise zu vermitteln, kann das KI-Tool Schüler:innen individuelle Unterstützung bieten. ChatGPT-4o ermöglicht einen breiteren Zugang zu Bildungsmaterialien und Lernressourcen. Lehrkräfte können so ihre Unterrichtsvorbereitung effektiver gestalten und Zeit sparen, indem repetitive Aufgaben automatisiert werden. Bisher hatten Expert:innen eher davon abgeraten, ChatGPT bei pädagogischen Aufgaben einzusetzen, sondern eher bei routinemäßigen Aufgaben heranzuziehen. Nach wie vor nicht einheitlich geregelt ist auch der Umgang mit textgenerierender KI im Unterricht in den Bundesländern.