Rassismus in der Schule – vergangener Schrecken oder gegenwärtiges Problem?

Von
Theo Westphal
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21
.
March 2023
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Südafrika im Jahr 1960 – über der damals unter dem Namen „Südafrikanische Union“ bekannten Nation wütet das Gespenst der Apartheit. Der Staat segregiert systematisch schwarze von weißen Menschen und schränkt die Menschen- und Bürgerrechte der nicht europäischstämmigen Menschen wesentlich ein. Die schwarze Mehrheitsgesellschaft leidet in jederlei Hinsicht aufs schlimmste unter den menschenverachtenden Restriktionen. Aus Protest gegen ihre allumfassende Unterdrückung schließen sich Teile der schwarzen Bevölkerung zusammen und gründen die Befreiungsbewegung “Panafrikanischer Kongress” (PAC). Am 21.03.1960 versammelten sich mehr als 5000 Anhänger der Befreiungsbewegung in Sharpeville, einer 50 Kilometer südlich von Johannesburg gelegenen Stadt, um gegen die bestehenden Passgesetze zu protestieren, die die räumliche Abtrennung von schwarzen zu weißen Menschen bedingen und die schwarze Bevölkerung dazu verpflichten sich nur mit einer Aufenthaltsgenehmigung in von weißen Menschen bewohnten Vierteln aufzuhalten. Es war ein friedlicher, gewaltfreier Protest geplant, bei dem die Demonstrierenden auf ein Polizeirevier zuliefen, um sich danach – weil sie keinen Pass mit sich geführt haben – widerstandslos verhaften zu lassen. Recht schnell häufte sich ein großes Polizei- und Militäraufgebot an. Nachdem wohl einzelne Anhänger der PAC Steine in Richtung des Polizeireviers geworfen haben, wurde ein Schießbefehl seitens eines Polizeioffiziers ausgesprochen. 69 schwarze Menschen, darunter mehrere Kinder, wurden, bei dem heute als „Sharpeville-Massaker“ bekannten Ereignis, getötet, mehrere hundert Menschen wurden dabei verletzt.

Der daraufhin eintretende internationale Protest war enorm, der UN-Weltsicherheitsrat forderte das Ende der Apartheit und viele ausländische Unternehmen zogen sich aus Südafrika zurück. Die Vereinten Nationen entschieden sich im Jahr 1966 diesen schrecklichen Vorfall zum Anlass zu nehmen am 21. März den Internationalen Tag gegen Rassismus einzuführen.

Internationale Wochen gegen Rassismus

Seit 1979 finden um den Internationalen Tag gegen Rassismus auch die Internationalen Wochen gegen Rassismus statt. Ziel der Aktion ist es, den Opfern von Rassismus Solidarität zu zollen und jeglicher Form von Rassismus und Rassendiskriminierung, international vereint, entgegenzutreten.

Dieses Jahr stehen die Internationalen Wochen gegen Rassismus, die bis zum 2. April andauern, unter dem Motto „Misch dich ein“. Jürgen Miksch, geschäftsführender Vorstand der Stiftung gegen Rassismus, spricht von 250.000 Menschen, die die zahlreichen, von Vereinen, Initiativen, Schulen, Kommunen und religiösen Institutionen geförderten, Diskussionsrunden, Workshops, Fotoausstellungen und Projekttage wahrnehmen werden. Miksch verspricht sich vom diesjährigen Motto „eine langfristige Offensive für ein gutes Miteinander und einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen“. Denn, so führt Miksch weiter aus, sehen in Deutschland wieder mehr Leute Rassismus als ein großes gesellschaftliches Problem. Belegbar ist das dadurch, dass beispielsweise die Anzahl antisemitischer Straftaten in den letzten Jahren wieder gestiegen ist.

Rassismusformen in der Schule

Und auch in der Institution Schule findet Rassismus in vielen verschiedenen Formen weiterhin Einklang. Eine wäre die systematische Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund, trotz Erbringung der gleichen Leistungen wie Kindern ohne Migrationshintergrund. Das ergab eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). „Schüler:innen mit Migrationshintergrund werden in den Fächern Mathematik und Deutsch bei der Erbringung der gleichen Leistung durchschnittlich schlechter benotet.“ Ähnlich schwierig verhält es sich bei Gymnasialempfehlungen, die Schüler:innen mit Migrationshintergrund trotz gleicher Ergebnisse in standardisierten Leistungstests seltener bekommen.

Eine weitere Form von Rassismus, die in Schulen häufig erscheint, ist Alltagsrassismus, der im Schulkontext häufig unter sogenannten Mikroaggressionen zu Tage tritt. Dazu gehören verächtliche Blicke, eine aggressive Sprache und viele weitere Formen, die es zufolge haben, dass Kinder ausgegrenzt werden. Wissenschaftler:innen warnen vor den schweren psychischen und physischen Konsequenzen, die Mikroaggressionen haben.

Prof. Dr. Karim Fereidooni, Didaktik Professor an der Universität Bochum, benennt weitere, tiefsitzende Rassismusprobleme, die es an vielen Schule gibt. So wohnen vielen Schulbüchern immer noch viele Rassismus relevante Elemente inne, konkret moniert er die undifferenzierte Darstellung des afrikanischen Kontinents, der seinen Aussagen nach, zu sehr auf „wilde Tiere, Lehmhütten und unnötige Kriege“ reduziert wird und nicht die gleiche Vielfältigkeit in der Darstellung wie zum Beispiel Europa und Nordamerika bekommt.

Prof. Dr. Fereidooni beleuchtet auch, dass Lehrer:innen of Color zuweilen schweren rassistischen Ressentiments ausgesetzt sind. Aufgrund ihres Aussehens wird Lehrkräften häufig das „Deutschsein“ abgesprochen und darüber hinaus auch die Fachkompetenz.

Wie begegnet man Diskriminierung?

Um Rassismus nachhaltig aus dem Schulalltag zu beseitigen wünscht sich Prof. Dr. Fereidooni, dass das Thema Rassismus nicht weiterhin großflächig tabuisiert wird. Darüber hinaus appelliert er an Schulleitungen, Verantwortung zu tragen und sich lautstark gegen Rassismus auszusprechen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat einen Praxisleitfaden zum Abbau von Diskriminierung in der Schule herausgegeben, in dem sie schildert, wie Lehrkräfte präventiv und interventiv gegen Diskriminierung in der Schule vorgehen können. Als Präventivmaßnahmen wird beispielsweise empfohlen mögliche Opfer über ihre rechte aufzuklären und sie darin zu bestärken, diese im Ernstfall auch wahrzunehmen. Da es aber zweifelsohne fatal wäre, bei Präventivmaßnahmen nur bei den Opfern anzusetzen, werden Antidiskriminierungsworkshops nahegelegt, die Schüler:innen sensibilisieren.Um bei bereits geschehener Diskriminierung angemessen zu reagieren, wird geraten immer eine mediierende Person einzuschalten, um eine konstruktivere Kommunikation zu gewährleisten. Genauere Praxisanweisungen der Antidiskriminierungsstelle findet Ihr hier.

Es lässt sich konstatieren, dass Rassismus auch noch im Jahr 2023, besonders in Schulen, ein großes Problem darstellt. Gerade weil Rassismus in so vielen verschiedenen Formen auftritt, ist er so gefährlich und das Verhindern so kompliziert und situativ. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus sind ein wichtiger Schritt, um dem gesamtgesellschaftlichen Problem Rassismus langfristig die Stirn zu bieten und ein einheitliches Zeichen gegen rassistisches Gedankengut zu senden. Dass die Schule als frühe Sozialisationsinstanz und Wertevermittler klare Hilfsangebote bietet, ist daher unabdingbar. Welche Programme es konkret gegen Rassismus in der Schule gibt, findet ihr hier.

Wie nehmt ihr Rassismus in euren Schulen wahr? Wie geht ihr damit um? Lasst es uns gerne wissen und schreibt einen Kommentar!

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