Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will Zivilschutzübungen an Schulen einführen – und stößt damit eine kontroverse Debatte an. (Quelle: Pexels)
Berlin. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat Vorgeschlagen, Zivilschutzübungen an Schulen einzuführen. Angesichts der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges ist die FDP-Politikerin der Meinung, dass die Gesellschaft insgesamt besser auf Krisen vorbereitet sein sollte. Zivilschutz sei “immens wichtig” und gehöre auch in die Schulen. “Ziel muss sein, unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken”, sagte sie in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
2023 war in weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg beschlossen worden, einen jährlichen Aktionstag zum Thema Katastrophenschutz einzuführen. “Kinder und Jugendliche sollten lernen, in einer entsprechenden Lage instinktiv das Richtige zu tun. Dabei gilt: Wissen schafft Sicherheit” sagte Thomas Strobl, stellvertretender Innenminister und Ministerpräsident zur Auftaktveranstaltung des Programms.
Stark-Watzinger hat ihr Vorhaben,mit Blick auf Großbritannien untermauert, wo “Übungen für den Katastrophenfall” an Schulen zum Alltag gehören. Obwohl sie keine Notwendigkeit darin sieht, den Katastrophenschutz als eigenes Schulfach zu etablieren, sollte es dennoch Lerninhalt sein. Es sei wichtig, jungen Menschen die Bedrohungen der Freiheit bewusst zu machen, damit sie im Ernstfall darauf reagieren können.
"Ich halte es für wichtig, dass Jugendoffiziere in die Schulen kommen und berichten, was die Bundeswehr für unsere Sicherheit tut", so die Bildungsministerin. Des Weiteren rät sie den Schulen, ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" zu entwickeln. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht lehnt Stark-Watzinger allerdings ab. Mit “derzeit verfehlt” beschrieb sie die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht.
Die Lehrergewerkschaft VBE lehnt den Vorstoß der Ministerin ab. Trotz “gesellschaftlicher Herausforderungen wie Kriegen, Pandemien oder Naturkatastrophen” liege die Vermittlung schulischer Aufgaben immer noch in den Händen der dafür ausgebildeten Pädag:innen. Gerhard Brand, Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) warnt, dass solche Herausforderungen bei Kindern oft Angst hervorrufen. "Hier ist es die Aufgabe der Lehrkräfte an den Schulen, den Kindern diese Angst zu nehmen, indem wir die Situationen bestmöglich erklären und aufarbeiten. Dazu ist es nicht notwendig, Vertreterinnen und Vertreter großer privatwirtschaftlicher Unternehmen, der Bundeswehr oder der Politik in die Schulen einzuladen".
Der Deutsche Lehrerverband hatte zuvor Stark-Watzingers Vorschläge gelobt. Verbandspräsident Stefan Düll führt an: "Der Ukraine-Krieg schafft ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss". Allerdings entgegnet er auch, dass er “von Schulübungen für den militärischen Ernstfall” nichts halte. “Schulen in Deutschland sind keine Appellplätze und keine Orte für vormilitärische Übungen”.
Der Bundeselternrat hingegen habe grundsätzlich keine Einwende gegen Stark-Watzingers Vorschläge. Der Bundeselternrat-Vorsitzende Dirk Heyartz sagt: "Angesichts der aktuellen Ereignisse, insbesondere des Ukrainekrieges, verstehen wir die Bedeutung einer verstärkten Thematisierung von Krieg und Krisen in Schulen". Gleichzeitig überrascht ihn der Alleingang der Bundesbildungsministerin. Weiter forderte Heyartz “eine ausführliche Diskussion und Einbindung aller relevanten Akteure, einschließlich der Elternvertreter, bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden". Das Thema Zivilschutzübungen müsse mit hoher Sensibilität behandelt werden, gerade mit Hinblick auf die vielen Schüler:innen mit Migrationshintergrund. “Ich denke nicht, dass wir eine Bedrohungslage haben, wo es notwendig wäre, jetzt hier in Deutschland Zivilschutzübungen durchzuführen.”, fasst er zusammen.
Auch von anderer Seite ernteten die Ideen der Bildungsministerin Kritik. „Ich finde das wirklich erschreckend, wie wir versuchen – oder wie einige in unserem Land jetzt versuchen – Deutschland auf einen Krieg einzustellen“, sagt Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (BSW). „Einen Krieg mit Russland würden wir alle nicht überleben. Wir müssen alles dafür tun, dass es nicht dazu kommt“, appellierte sie. Wagenknecht hält es für falsch „Schulen mit solchen militärischen Ausbildungen zu belasten“. Gegenüber dem Welt-Nachrichtensender äußerte sie, dass sie sich in die DDR zurückversetzt fühle und eine solche Debatte “nur noch entsetzlich” fände.
Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) steht dem Thema kritisch gegenüber. „Es hilft nicht, der Bevölkerung und insbesondere Kindern und Jugendlichen Angst zu machen“, so Prien. Unionspolitiker Thomas Jarzombek weist darauf hin, dass es nach den Ergebnissen der PISA-Studie andere, präsentere Probleme gibt. “Wir müssen unsere Kinder schultüchtig machen und nicht kriegstüchtig“. Dem stimmte Kai Gehring (Die Grünen), Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bundestag, zu. Es seien erst zentrale Herausforderungen für das Bildungssystem anzugehen.
Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hebt hervor, dass der Schutzraum, den die Schule für Schüler:innen darstellt, von der Bundesregierung gewahrt werden müsse. Es sei Aufgabe der Bundeswehr, für Deutschlands Sicherheit zu sorgen. Ebenso gibt es Kritik aus Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) nennt Stark-Watzingers Forderungen "nicht nachvollziehbar". "Ich halte es eindeutig für falsch, so was in Schulen durchzuführen", sagt SPD-Landtagsabgeordnete Rüdiger Erben.