Bisher wird lediglich die Unterrichtszeit von Lehrkräften erfasst, nicht jedoch die außerunterrichtliche Arbeit (Quelle: Canva)
Stuttgart. Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) stellt auf Nachfrage mehrerer SPD-Abgeordneter klar, dass “eine zeitnahe Einführung einer Arbeitszeiterfassung von Lehrkräften derzeit nicht geplant ist”. Grund dafür soll primär eine fehlende, aber angekündigte Richtlinie auf Bundesebene sein. Hintergrund ist das 2019 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefällte und 2022 durch das Bundesarbeitsgericht konkretisierte Stechuhr-Urteil, welches Arbeitgeber:innen zur Einführung eines objektiven und verlässlichen Systems zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet.
Bisher beschränkt sich die Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften auf das sogenannte “Deputatsmodell”, welches zwar die Unterrichtszeit erfasst, nicht jedoch die außerunterrichtliche Arbeit, welche durch Korrekturen, Vor- und Nachbereitungen oder Konferenzen geleistet wird. Über die Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften wird in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern bereits länger diskutiert (Lehrer-News berichtete). Die Kultusministerkonferenz (KMK) setzt sich dabei für eine Ausnahmeregelung für Lehrkräfte ein. Die “besondere Situation der Lehrkräfte”, welche sich in außerunterrichtlichen Aufgaben widerspiegele, könne in einem Arbeitserfassungssystem nicht berücksichtigt werden, so die ehemalige Präsidentin der Kultusministerkonferenz und CDU-Politikerin Katharina Günther-Wünsch. Dies trifft bei vielen auf Unverständnis, “Eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte zu erarbeiten, wird ein echter Kraftakt, aber die Landesregierung kann das Problem nicht einfach aussitzen”, sagt die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, Katrin Steinhülb-Joos.
Die konsequente Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte wird von vielen Akteuren gefordert: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) setzt sich zum Beispiel für die Erfassung aller Tätigkeiten und Arbeitszeiten von Lehrkräften ein. Dazu benötige es zugängliche Erfassungsinstrumente, welche den Abbau von Überstunden und eine geringere Belastung von Lehrkräften zur Folge haben. “Arbeitgeber in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes erfassen schon lange die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten. Nur das Kultusministerium kommt seiner Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht nach. Es wird Zeit, dass der verbindliche Rechtsanspruch endlich umgesetzt wird”, heißt es von Thilo Hartmann, Vorsitzender der hessischen GEW.
Eine Studie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen zeigt, dass Lehrkräfte im Durchschnitt rund mehr als 46 Stunden die Woche arbeiten. Eine akkurate Erfassung der Arbeitszeit für Lehrkräfte könnte den Beruf maßgeblich verändern. So könnte ein System zur Arbeitszeiterfassung Verantwortung schaffen und wesentliche Schwachstellen der aktuellen Schulpolitik aufdecken. Ob oder wann eine solche Regelung auf den Weg gebracht werden könnte, bleibt bisher jedoch unklar.