Aufgrund von Russlands Überfall auf die Ukraine sind seit Anfang März bereits mehrere Millionen Menschen vor dem Krieg geflohen. Es wird davon ausgegangen, dass etwa die Hälfte der in Deutschland angekommenen Geflüchteten Kinder und Jugendliche sind. Ihre Bildung darf trotz dieser schwierigen Situation nicht untergehen, egal wie lange sie tatsächlich in Deutschland bleiben. Doch wie will Deutschland die Bildung der ukrainischen Kinder gestalten und sicherstellen?
In den Bundesländern laufen bereits erste Vorbereitungen für die Integration der ukrainischen Kinder. Um das Ankommen im deutschen Schulunterricht zu ermöglichen, sollen Willkommensklassen gebildet werden, so Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, hat zusätzlich eine Taskforce gegründet, die dieses Konzept koordinieren und weitere Details erarbeiten soll. Im Rahmen dieser Taskforce wird weiterhin die mögliche Beschäftigung ukrainischer Lehrkräfte und Erzieher in Deutschland besprochen, so dass die geflüchteten Kinder weiterhin unter ihrem bisherigen System lernen können. Die Bildung nach ukrainischem Schulsystem könnte eventuell sogar online über bestimmte Plattformen weitergehen. Für Kinder verschiedener Altersklassen ist die deutsche Bildungspolitik dabei eben vor verschiedenen Herausforderungen und Lösungsansätzen gestellt; so sollen Jugendlichen, die kurz vor ihrem Abschluss stehen, ihren Abschluss unter dem ukrainischen System machen. Jüngeren Kindern sollen überwiegend vor Ort in Schulen unterrichtet werden. Dadurch möchte man den Kindern wieder etwas Normalität und Routine in den Alltag bringen, aber sie auch gesellschaftlich einbinden, da die Schule ja nicht nur für Bildung, sondern auch für das Miteinander da ist.
Bedingt durch die aktuelle COVID-19 Pandemie steht das deutsche Schulsystem schon generell vor der Herausforderung der hohen Infektionszahlen und dem nicht immer reibungslos laufenden Online-Unterricht.
Außerdem leidet das deutsche Schulsystem schon seit Jahren an einem Mangel an Lehrkräften. Dieser lässt sich vor allem auf Hürden im Studium, fehlender Wertschätzung und einer nicht angemessene Bezahlung zurückführen.
Die Infografik auf Basis einer Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass allein bis 2026 die maximale Anzahl an Absolvent:innen für das Grundschullehramt nicht für den Personalbedarf ausreichen werden.
So klagen unter anderem Bildungsverbände in Baden-Württemberg, dass das Schulsystem nicht auf die geflüchteten Kinder vorbereitet sei, und fordert 4.000 zusätzliche Lehrstellen. Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband schlägt vor, pensionierte Lehrkräfte für die Integration ukrainischer Kinder zurückzuholen.
Letztlich sammeln diese ganzen Zusatzangebote Kosten an, unter anderem für zusätzliche Materialien und Starterpakete für die Kinder, aber vor allem für Personalkosten. Meidinger verpflichtet den Bund und empfiehlt einen Fördertopf ähnlich dem Digitalpakt vor. So sollen zusätzlich eingestellte Lehrkräfte Bundeszuschüsse erhalten.
Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka lehnt die Integration geflüchteter ukrainischer Kinder und Jugendlicher in das deutsche Schulsystem und das Konzept der Willkommensklassen jedoch ab, wie auch der Tagesspiegel berichtet. Der Unterricht solle demnach weiter nach dem Lehrplan der Heimat verlaufen, am besten über digitale Plattformen, auf denen geflüchtete ukrainische Lehrkräfte die Kinder und Jugendlichen unterrichten.
So sei der Unterricht laut Tybinka in der Ukraine viel intensiver, kürzer und hätte höhere Anforderungen. Außerdem müsse bei der Kontinuität der Bildungsprozesse auf ein Aufrechterhalten der nationalen ukrainischen Identität geachtet werden. Integrationsklassen würden nach Tybinka nur zu einem Gefühl des Unverständnisses und der Minderwertigkeit in ukrainischen Kindern führen. Außerdem dominiere in den deutschen Lehrplänen „nach wie vor Russland und russischer Imperialismus“. Letztlich hofft Tybinka darauf, dass es sich bei dem Aufenthalt in Deutschland nur um einen vorübergehenden Zustand halten soll. Die Kinder und Jugendlichen sollen ihre Abschlüsse nach ukrainischem System machen, damit sie nach ihrer baldigen Rückkehr in die Heimat gleiche Chancen auf Berufe in der Ukraine haben.
In Reaktion auf die Sorgen und Aussagen der ukrainischen Konsulin reagiert Berliner SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic, die als Jugendliche aus Jugoslawien vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet war, mit Verständnis. Eine Glorifizierung des Heimatlandes sei ihrer Meinung nach “eher typisch” . Sie spricht sich außerdem für die Willkommensklassen aus und glaubt, dass das Aussetzen einer Berührung der Kinder mit dem deutschen Bildungssystem nur negative Folgen mit sich ziehen würde.
Wie schätzt Ihr die Bemühungen des deutschen Bildungssystems und die Diskussion um die richtige Herangehensweise bei der Unterrichtung geflüchteter Kinder ein? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen.