Berlin. 55 Prozent der deutschen Lehrer:innen halten Schulen nur ausreichend zur Vermittlung digitaler Kompetenzen ausgestattet. Lediglich 17 Prozent sehen in digitalen Tools eine Hilfe, um die schulischen Leistungen der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Doch ob im Alltag oder auf der Arbeit: digitale Medien und Geräte sind allgegenwärtig. Die Notwendigkeit der Digitalisierung ist seit Beginn der Corona Pandemie endgültig in allen Lebensbereichen angekommen, wie die Befragung “Zwischen Vision und Realität” von Ipsos im Auftrag der Vodafone Stiftung ergeben hat. Die Ipsos SA ist ein international tätiges Marktforschungsunternehmen. Die Umfrage befasst sich mit dem aktuellen Stand der Wahrnehmung und Umsetzung der Digitalisierung an Schulen in Europa.
Trotz der Umstellung auf digitales Lehren und Lernen zeigt die Studie, dass die digitalen Kompetenzen der europäischen Lehrer:innen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. In Deutschland stufen 38 Prozent der Lehrkräfte (48 Prozent im europäischen Vergleich) ihre digitalen Kompetenzen als hoch ein. 24 Prozent der befragten deutschen Lehrkräfte geben an, dass sie wenig oder gar keine Erfahrung mit der Nutzung digitaler Technologien im Unterricht haben. Bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen durch Schulen sind die in Deutschland befragten Lehrkräfte im Vergleich pessimistischer eingestellt. Zwei Lehrkräfte wurden interviewt und gaben unter anderem an, dass wir aus der Lernpsychologie wissen, dass der ausschließliche Frontalunterricht nicht nachhaltig ist. Deshalb muss sich die Unterrichtsform ändern und der Einsatz von digitalen Technologien kann dabei helfen.
Beispielsweise könne der Unterricht viel umfänglicher und einfacher differenziert und individualisiert werden. Schüler:innen können in Gruppen kooperativ eine Präsentation erstellen und einen interaktiven Vortrag halten und das im virtuellen und im analogen Raum. Sie erstellen digitale Erklärvideos und schneiden diese selbstständig. Heute haben sie in diesen Bereichen viel mehr Stärken und Kompetenzen als noch vor 10 Jahren. Insgesamt wird dieses Potenzial jedoch noch nicht anerkannt. Im Zuge des OECD Projekts Future of Education and Skills 2030 wurde ein Rahmenkonzept entwickelt und im Mai 2019 in seiner englischen Originalausgabe einem internationalen Publikum in Vancouver vorgestellt. Daraus gingen die “21st Century Skills” hervor und neben digitalen Kompetenzen oder Verantwortungsbewusstsein geht es auch um Flexibilität und Resilienz. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass Lehrkräfte in Deutschland den “21st Century Skills” ihrer Schüler:innen eine hohe, aber etwas geringere Relevanz zuschreiben als ihre europäischen Kolleg:innen. Die Befragung zeigt auf, dass es an der Infrastruktur liegen könnte. Denn 55 Prozent der deutschen Lehrer:innen halten Schulen nur ausreichend zur Vermittlung digitaler Kompetenzen ausgestattet. 78 Prozent der europäischen Lehrkräfte sehen sich beim digitalen Unterricht einem Erwartungsdruck der Politik ausgesetzt, den sie derzeit nicht erfüllen können. Lehrpläne müssten umgestaltet werden, damit Lehrkräfte mehr Freiraum für die flexiblere digitale Umsetzung des Lernstoffes haben.
Die Studie Schule digital – der Länderindikator 2021 hat sich ebenso mit der Thematik auseinandergesetzt und zeigt vergleichbare Ergebnisse und Analysen im Bundesländervergleich im Jahr 2021 an.
Es wird deutlich, dass nach dem erzwungenen schnellen Handeln das Ziel sein sollte, Bewährtes mit Neuem zu verknüpfen. Weiterhin muss an der technischen Umsetzung in den Ländern gearbeitet werden. Aber nicht nur die Infrastruktur bleibt ausbaufähig, auch die Haltung zum Nutzen von digitalen Medien und dessen Chance zum kompetenzbasierten Lehren und Lernen kann verbessert werden.
Wer sich tiefergehend mit der Verbesserung des digitalen Lehrens und Lernens auseinandersetzen möchte, kann sich die aktuellen Handlungsempfehlungen der ständigen wissenschaftlichen Kommission (SWK) ansehen.