Bestimmte Berufsgruppen sind in einer funktionierenden Gesellschaft elementar, so auch der Beruf der Erzieher:in. „Den ganzen Tag nur basteln und spielen!“ – Diese Vorurteile hatten bestimmt schon einige Menschen vor Augen, als sie an den Beruf Erzieher:in dachten. Doch die eigentliche pädagogische Arbeit beginnt, wie es heißt „am Kind”, Kuscheltiere suchen, Spielzeugautos reparieren oder Sandburgen bauen gehören zum pädagogischen Alltag. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass diese Berufsgruppe mehr Wertschätzung verdient. Zum allseits bekannten Morgenkreis kommen zum Arbeitsalltag eines Erziehers Themen wie Vielfalt, Inklusion, Diversität und Mehrsprachigkeit. Dabei müssen Erzieher:innen die soziale Gemeinschaft beobachten und fördern, Dokumentationen schreiben und jedes Kind individuell in seiner Entwicklung fördern, dazu Ausflüge planen, Kitafeste vorbereiten und Kindergeburtstage gebührend feiern. Ohne diese Berufsgruppe, die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen ist es für viele Eltern schwierig, Familien- und Arbeitsalltag in Balance zu halten. Die frühkindliche Bildung, für die Erzieher:innen verantwortlich sind, kann von vielen Eltern nicht ersatzlos übernommen werden. Seit der Corona-Pandemie werden immer wieder Forderungen nach einer Aufwertung dieser Berufsgruppe laut. Ihnen kommt gegenwärtig eine größere Aufmerksamkeit zu, da sie zu den sogenannten Schlüssel-Berufen gehören. In politischen Debatten fällt dabei häufig der Begriff: Zukunft. Doch wie ist es um die Zukunft von Erzieher:innen bestellt?
Diesen Fragen ging das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie nach. Da in Deutschland mit einem Anteil von 94 Prozent fast nur Frauen in der Kindertagesbetreuung tätig sind, betrachtet die Studie überwiegend weibliche Beschäftigte. Unter anderem wurden in dem Bericht Berufsgruppen und Berufsbilder mit denen einer Erzieher:in verglichen, die ähnliche soziale Dienstleistungen anbieten oder ein vergleichbares Ausbildungsniveau besitzen. Die Ausgangslage der Studie lag vor der Corona-Pandemie, das ist aus Befragter Sicht wichtig, da die Fragen in Corona-Zeiten anders beantwortet worden wären als in „normalen“ Zeiten. Damit wäre die Handlungsempfehlung nicht auf die aktuelle gesellschaftspolitische Situation abzuleiten. Mehr als ein Drittel der Befragten Erzieher:innen fühlte sich demnach durch ein unangemessenes Gehalt belastet, zu viel Zeitdruck und mehr Arbeitsstunden sind ebenfalls Belastungsfaktoren bei der Arbeit. Die Erzieher:innen, die mehr als 32 Stunden pro Woche arbeiten, würden rund 39 Prozent gerne ihre Arbeitszeit reduzieren. Zudem fehle es an der Anerkennung des Vorgesetzten an pädagogischen Leistungen, sieben von zehn Erzieherinnen empfinden laut der Studie so, drei Viertel sehen schlechte Aufstiegschancen.
In Zeiten des Fachkräftemangels haben Erzieher:innen oft die Wahl, bei welchem Träger sie sich bewerben wollen. Die Kita-Träger müssen dabei der Notwendigkeit nachkommen, ansprechende Arbeitsbedingungen für Fachkräfte anzubieten. Doch nicht nur um Bewerber:innen anzuziehen, sondern bestehende Beschäftigte zu halten. Gerade im urbanen Raum müssen sich Träger von der Konkurrenz abheben, um attraktiv zu bleiben. Wichtigstes Merkmal dürfte eine angemessene Bezahlung sein. Bestätigt wird dies in einer Studie von GEW und DGB im Jahr 2017, bei der 69 Prozent der befragten Erzieher:innen ihr Einkommen für ihre Arbeitsleistung für unangemessen halten. Großstreiks wie der damalige im Jahr 2009 oder 2015 im Sozial- und Erziehungsdienst haben gezeigt, dass für Erzieher:innen, wie auch in anderen Berufen, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung eine relevanten Stellenwert haben. Deswegen ist es wichtig, das Erzieher:innen ihr Gehalt auf Basis des TVöD gezahlt bekommen. Dieser Tarifvertrag ist die sogenannte Leitwährung bei der Bezahlung: Neben den Kommunen zahlt z.B. auch die Caritas und viele Wohlfahrtsverbände auf diesem Niveau.
Neben einem hohen Arbeitspensum kommen aber auch Faktoren wie Lärm, Krankheiten und Stress hinzu. Eine nicht-repräsentative Studie des Wissenschaftlichen Institutes der Krankenkasse AOK zeigt, dass unter anderem Berufe, die einer Präsenzpflicht unterlagen, häufiger von einer Covid Infektion betroffen waren. Eine der am häufigsten vertretenen Berufsgruppen waren die Erzieher:innen. Grundlage der Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) waren die Daten von 13,2 Millionen AOK-Versicherten bis Ende November. Die Einschätzungen der 155.610 Krankschreibungen sind letztendlich nicht repräsentativ für ganz Deutschland, doch zeigt es auch strukturelle Probleme. „Ich fühle mich bei der Arbeit in der Kita nach wie vor nicht geschützt! Ich arbeite in einer Kita mit 5 Gruppen. Wir sind häufig unterbesetzt, wie sollen wir da jedem Kind gerecht werden?” sagte uns eine Erzieherin aus Leipzig. Die Corona-Pandemie hat dabei wie ein Katalysator gewirkt und grundlegende Probleme nochmals verstärkt. Jedes Kind zwischen einem und vier Jahren hat dabei in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, beziehungsweise eine Mindestbetreuungszeit. Jedoch fehlen immer noch zu viele pädagogische Fachkräfte, um dem Betreuungsangebot gerecht zu werden. Laut dem statistischen Bundesamts lag der Personalschlüssel am 1. März 2020 im Durchschnitt bei 3,8 ganztags betreuten Kindern pro pädagogisch tätiger Vollzeitkraft bundesweit. Im Vergleich zu 2019 haben sich die Personalschlüssel für Gruppen mit Kindern im Alter von unter drei Jahren in der Mehrheit der Länder verbessert oder sind stabil geblieben. In Gruppen mit Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt waren es 8,1 Kinder, 2012 lag der Wert noch bei 9,3. Ein kindgerechter Personalschlüssel ist dabei in wenigen Bundesländern anzutreffen, laut dem Ländermonitoring der Bertelsmann-Stiftung. Gerade das Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschen Bundesländern ist immer noch zu groß. Der Wert wird in diesem Fall in Prozenten angegeben, um so höher die Prozentpunkte ausfallen, desto schlechter der dortige Personalschlüssel. In Sachsen-Anhalt liegt dieser momentan bei 91,4 Prozent und in Nordrhein-Westfalen dagegen bei 71,5 Prozent. Wieso sind Kitas dann unterbesetzt? Weil man vom IST-Zustand ausgeht, nicht von der aktuellen Situation. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Corona-Pandemie oder auch die damalige hohe Zahl von Kindern von Geflüchteten Familien nicht berücksichtigt wurden. Zudem kommen noch die Krankentage oder interne Probleme wie Versetzungen, Kollegen, die in Rente gehen oder auch fehlende Kita-Plätze hinzu und werden dort nicht berücksichtigt.
„Wenn ich darüber nachdenke, dass manche Städte und Gemeinden hier eventuell noch vorhaben Stellen zu kürzen, ist das für mich ein Zeichen von Geringschätzung für unseren Beruf.” sagt eine Erzieher:in aus Halle gegenüber “Lehrer-News”.
2023 werden in Deutschland insgesamt rund 383.600 KiTa-Plätze fehlen. Das gibt die Bertelsmann Stiftung in ihrem Ländermonitor an. Diese Plätze müssen aber vorhanden sein, um die Betreuungswünsche von allen Eltern für ihre Kinder, unter Dreijährige wie über Dreijährige, zu erfüllen. In Westdeutschland fehlen rund 362.400 Plätze, in Ostdeutschland rund 21.200. Hinzu kommen die Kosten für je einen Kita-Platz, in Westdeutschland entstünden zusätzliche Personalkosten in Höhe von 4,1 Milliarden Euro jährlich. In Ostdeutschland dagegen nur 2.200 Millionen Euro. Auch auf der Leitungsebene muss entlastet werden. Dazu gehört eine angemessene Freistellung für Leitungsaufgaben und Unterstützung bei der Ausstattung durch den Träger. Die Aufwertung der Leitungstätigkeit durch die ständigen Vertretungen im TVöD als Entlastung in größeren Einrichtungen ist ein wichtiges Signal, dass von Trägern ernst genommen werden sollte. Gleichzeitig müssen auch die Träger daran arbeiten, mehr Menschen zum Berufseinstieg in die Kita zu gewinnen. Dies darf nicht alleine der Politik überlassen werden, Fachkräfte sollten dabei schlechte Arbeitsbedingungen nicht widerspruchslos akzeptieren. Eine hohe Fluktuation im Team sollte grundsätzlich als ernstes Warnsignal gesehen werden. Daher sind sowohl die Träger als auch die Leitung in der Pflicht nach den Gründen, zum anderen aber auch nach Wegen zu suchen , die Arbeitsbedingungen aktiv zu verbessern. Dazu gehört auch eine offene und aufrichtige Kommunikation gegenüber den Beschäftigten und sich selbst als Leitungskraft. Kritik auszuhalten, kann manchmal hart sein, schafft aber immer auch Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und trägt zur Teamkultur bei.