(Quelle: Envato)
Cannabis ist die am häufigsten konsumierte Droge unter Jugendlichen. Während der Corona-Pandemie hat sich der Konsum erhöht. Laut Aussagen von gesund.bund.de haben allein in den letzten 12 Monaten über 4,5 Millionen Menschen Cannabis konsumiert, darunter auch Schüler:innen. Ungefähr 40,6 Prozent der jungen Erwachsenen haben bereits einmal Cannabis probiert. Die anstehende Legalisierung lässt indes bei Eltern größere Sorgen aufkommen als bei Lehrkräften oder Schüler:innen. Angesichts der aktuellen Debatte geben wir einen Einblick in die Argumente beider Seiten.
Seit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich für die Entkriminalisierung von Cannabiskonsums für Volljährige ausgesprochen hat, kam es zu zahlreichen Diskussionen. Zusammen mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen erarbeitete er einen neuen Entwurf mit Eckpunkten in den Bereichen privater Anbau und in sogenannten Cannabis Social Clubs.
Für den privaten Anbau sollen bis zu drei Pflanzen erlaubt sein, über Cannabis Clubs ist der Erwerb von 25 Gramm (nach einem Monat 50 Gramm) zugelassen. Durch ein Zwei-Säulen-Modell sollen so Anbau und Konsum kontrolliert werden.
Eine scharfe Abkehr von Lauterbachs vergangenen Aussagen, wo er sich explizit gegen den Cannabiskonsum stellte. Mit der Zeit hat sich seine Meinung allerdings dahingehend verändert, dass er einem größeren Übel vorbeugen will. Er hofft, dass durch die Legalisierung die Gefahr geringer wird, vom Cannabiskonsum auf härtere Drogen zurückzufallen. Legalisierung führt weiterhin zu weniger verunreinigtem Cannabis und weniger Zwischenfällen. Im Allgemeinen wird die Situation immer schlechter, laut Lauterbach: mehr Kriminalität, mehr medizinische Probleme, "es ist eigentlich nie besser geworden”, so Lauterbach.
Noch in diesem Jahr soll der Vorstoß umgesetzt werden. In der Sommerpause soll ein Gesetzesentwurf für den Kauf von Cannabis-Produkten mit gesicherter Qualität entwickelt werden. Anbaugenossenschaften, mit maximal 500 Mitgliedern über dem Alter von 18 Jahren sind ebenfalls geplant und erfreuen sich an einem regelrechten Ansturm von Interessenten und Mitgliedern.
Cannabis als potenzielles Heilmittel wurde auf globaler Ebene diskutiert, von den USA sowie auch in ganz Europa. In Deutschland ist es seit dem 20. März 2017 möglich, Cannabis vom Arzt verschrieben zu bekommen, in der Form von Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt als Betäubungsmittel. Reguliert wird diese Änderung von der Cannabisagentur gemäß dem Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe der Vereinten Nationen. Diese Agentur reguliert, steuert und kontrolliert auch den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Seit 2017 sind die Importmengen stark angestiegen. Cannabis gilt auch als valide Therapiealternative für Patient:innen mit schwerwiegenden Erkrankungen. Allein 2021 wurden über 20 Tonnen Cannabis im Rahmen von wissenschaftlichen oder medizinischen Zielen importiert.
Aber auch wenn auf der politischen Ebene die Pläne wie in Stein gemeißelt sind, so ist auf der Bildungsebene das Thema relativ gespalten, was besonders gut bei Umfragen in Nordrhein-Westfalen zu sehen ist. Auf der einen Seite sind die besorgten Eltern und auf der anderen Seite die weniger besorgten Schüler:innen und Lehrkräfte. Unter 13.000 befragten Gymnasialeltern sahen 31 Prozent eine große Gefahr und weitere 33 Prozent waren der Legalisierung gegenüber skeptisch. Diese Ergebnisse wurden einer Blitzumfrage der Landeselternschaft der Gymnasien (LAGym) entnommen, mit einer Teilnehmerzahl von insgesamt etwa 19.500 Personen.
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann von der CDU ist hierbei auf Seiten der Eltern und sieht die Legalisierung ebenfalls kritisch. Eine häufige Angst ist, dass durch die Legalisierung Minderjährige einfacher an das Rauschgift herankommen und somit in die Abhängigkeit gelangen. Zu deren Schutz soll Cannabis weiterhin verboten bleiben.
"Bei uns melden sich Eltern aus sämtlichen Regionen, von den Großstädten bis in die entlegensten Dörfer. Sie erzählen alle dasselbe: Schüler können schon jetzt problemlos Cannabis kaufen, und sie tun es auch," berichtet Christiane Gotte, Vorsitzende des Bundeselternrates. Heinz-Peter Meidinger, ehemaliger Chef des Lehrerverbandes, steht der Entkriminalisierung ebenfalls kritisch gegenüber und sieht ein Sinken der Hemmschwelle für die Jüngeren: “Die Jugendlichen werden sich sagen: Wenn es den Erwachsenen erlaubt ist, kann es ja nicht so schlimm sein”, so Meidinger.
Die Landeselternschaft hat schon vermehrt erwähnt, dass sie ganz klar gegen die Legalisierung von Cannabis ist. Lehrkräfte sind hingegen weniger besorgt. Über 61 Prozent der Befragten Lehrer:innen befürworten die Legalisierungspläne und 78 Prozent der Schüler:innen heißen die Pläne ebenfalls willkommen.
Dennoch gibt es auch Indizien, die für Lauterbachs Vorgehensweise sprechen. In Kanada beispielsweise ist nach der Legalisierung der Anteil von 16- bis 19-jährigen Cannabis Konsument:innen gestiegen, jedoch nur kurzfristig und ist im Nachhinein sogar gesunken.
Anke Timm, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention in Berlin, hat sich schon in der Vergangenheit offen zum Thema ausgesprochen. Sie empfindet es als wichtig, dass Schulen klare Haltung im Umgang mit Drogen signalisieren, in derselben Art und Weise wie mit Alkohol und Tabak umgegangen wird. “Der Konsum hat vor und in der Schule sowie in schulischen Veranstaltungen außerhalb der Schule nichts zu suchen.” sagt Timm, “Aber wenn es zu einem Vorfall kommt, muss man nicht gleich die Polizei rufen, denn so schafft man es nicht, mit den Jugendlichen in Kontakt zu kommen. Das Thema Helfen und Aufklärung muss im Vordergrund stehen.” Weiterhin betont sie, dass eine erfolgreiche Prävention nur funktioniert, wenn das ganze System (Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und Schulleitung, Schüler:innen und Eltern) Teil davon ist und auch dauerhaft etabliert sind, und zwar gemäß den Qualitätsstandards der Suchtprävention.
Eins sticht bei beiden Seiten heraus: Alle wollen Extremfälle vermeiden. Regelmäßiger Konsum ist allerdings jetzt schon ein Problem auch bei Minderjährigen. Zwei Schüler:innen berichten der Zeit, dass sie selbst erschreckende Fälle kennen, wo Mitschüler:innen durch täglichen Cannabiskonsum in einen trägen Dauerzustand geraten sind. Dennoch nutzen sie selbst die Droge in Maßen und meinen “Ich rauche ungefähr alle zwei Wochen einen Joint, meistens am Wochenende” und "Ich kiffe nur zur Auflockerung mit Freunden, irgendwo draußen im Grünen oder am Wasser." Die Eltern wüssten vom Konsum, empfinden diesen aber nicht schlimmer als Alkohol.
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