(Quelle: Envato)
Berlin. Die Kenntnisse der Deutschen in den Bereichen digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen sind weiterhin mangelhaft. Im Durchschnitt wurden weniger als die Hälfte aller möglichen Punkte im Test erreicht. Insbesondere bei jüngeren Personen mit geringerem Bildungsstand zeigt sich die Bildungslücke. In einem Interview zwischen Leonie Meyer von der Redaktion werkstatt.bpb und Anna-Kathrin Meßmer, eine der Forscherinnen zur Nachrichten- und Informationskompetenz fokussierten Studie Quelle:Internet?, wurde die Problematik genauer untersucht.
Quelle:Internet? ist eine Studie von den Forscher:innen Anna-Kathrin Meßmer, Alexander Sängerlaub und Leonie Schulz, welche die digitale Nachrichten- und Informationskompetenz in Deutschland unter die Lupe genommen hat. Die Studie eines interdisziplinären Forscherteams wurde im Herbst 2020 im Auftrag der Stiftung Neue Verantwortung durchgeführt, die sich als gemeinnütziger Think-Tank für eine Gesellschaft zum technologischen Wandel versteht. Unterstützt wurden sie dabei von der bpb selbst, sowie der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen, der Medienanstalt Berlin Brandenburg und der Bundesregierung für Kultur und Medien. Hierbei wurden Informationskompetenzen in fünf Kompetenzbereiche hinuntergebrochen:
Die komplette Studie ist hier verfügbar und nachlesbar. Die Forscher verstanden ihre Studie als “Klassenarbeit für Deutschland” in diesem Bereich. Der Ausspruch "Deutschland schreibt Klassenarbeit" hat sich schnell im Team herumgesprochen, wie Anna-Kathrin Meßmer in einem Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) schildert. Aber auch zu den Ergebnissen selbst hatte sie etwas zu sagen.
“Im Durchschnitt wurden weniger als die Hälfte der Punkte in unserem Test erreicht,” so Meßmer zu den Resultaten. Eine Stichprobengruppe, repräsentativ für ganz Deutschland, wurde einer Prüfung unterzogen. Von den maximal zu erreichenden 30 Punkten wurden im Durchschnitt nur 13,3 erlangt. Hingegen haben nur 3 Prozent der Teilnehmer:innen eine sehr hohe Punktzahl von 24,1 bis 30 Punkten erzielt. Im Mittelfeld von 12,1 bis 18 Punkten befanden sich 33 Prozent. Sehr geringe (0 bis 6 Punkte) oder nur geringe (6,1 bis 12 Punkte) Kenntnisse bewiesen jeweils nur 11 und 35 Prozent. Um die Klassenarbeit-Allegorie weiterhin zu benutzen, haben es somit 46 Prozent aller Deutschen mit Internetanschluss nicht geschafft, mehr als eine Drei Minus zu erreichen.
Die Testergebnisse vermuten, dass die digitale Nachrichtenkompetenz im Alter abnimmt und höhere Bildungsabschlüsse mit besseren Ergebnissen, sprich größeren Nachrichtenkompetenzen korrelieren.
Eine Erkenntnis aus der Studie beschäftigt Meßmer allerdings noch Jahre später: “Bis heute beschäftigt mich am meisten, dass Menschen mit niedriger Bildung in der jüngeren Altersgruppe von 18 bis 39 Jahren besonders schlecht abgeschnitten haben. In den höheren Altersgruppen war der Bildungsunterschied nicht so stark.” Ähnliches findet sich auch in der Vertrauensdimension wieder. Vorurteile, dass Medien und Politik zusammenarbeiten, bestehen und gerade jüngere Menschen mit niedrigerem Bildungsstand haben wenig Vertrauen in etablierte Medien wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Für Meßmer ist auch klar, dass in Deutschland, trotz allen bisherigen Versuchen, immer noch eine große Lücke bezüglich digitaler Bildung besteht. Besonders wenn es um Allgemeinwissen von journalistischer Arbeit geht, “Zum Beispiel darüber, dass Berichte über einen Minister veröffentlicht werden können, ohne dass das Ministerium diesen Bericht freigibt. Oder, dass der Bundestag nicht darüber mitbestimmen darf, was die Öffentlich-Rechtlichen berichten” so Meßner. Des Weiteren haben weniger als ein Viertel (23 Prozent) aller Befragten eine Advertorial (eine Werbung, die sich selbst als Artikel ausgibt) als Werbung erkannt.
Angefangen muss laut Meßmer aber bei den Lehrkräften selbst. “Wir brauchen eine bessere digitale Bildung in der Lehrkräfteausbildung. Und wir brauchen Formate, in denen Lehrerinnen und Lehrer auch dazu bereit sind, von ihren Schülerinnen und Schülern zu lernen.” Jedoch hat sie auch den Eindruck, dass Journalist:innen selbst fragen sollten "Was können, müssen, sollten journalistische Formate eigentlich leisten, um Leserinnen und Leser besser darüber zu informieren, wie ihr journalistisches Arbeiten im Alltag aussieht?"
Allerdings gibt sich Meßner optimistisch im Anblick der Ergebnisse. Laut ihrer Meinung hat die Studie dabei geholfen zu verstehen, wo Wissen vorhanden ist und wo noch nachgeholfen werden muss. Interesse und Awareness sind durch globale Vorfälle wie die Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits gestiegen. “Wenn wir da systematisch in allen Bereichen angreifen, bildungspolitisch, in der Plattformregulierung, aber auch bei journalistischen Angeboten, dann werden sich die Ergebnisse verbessern.”
Wie die Stiftung Neue Verantwortung zusammenfasst, bedarf es besserer Schul- und Erwachsenenbildung, transparenter journalistischer Angebote und einfacherer zu verstehende Plattform-Architekturen.
Sofern euer Interesse geweckt ist, eure eigenen digitalen Kenntnisse auf die Probe zu stellen, so ist hier ein Link zu einem Selbst-Test der eng an den originalen Fragebogen angelehnt ist.