Politisch herausfordernde Wochen stehen bevor: Die ersten Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen lösen intensive Diskussionen aus (Quelle: Canva)
Erfurt/Dresden. Die Bürger:innen haben ihre Stimme abgegeben: Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind entschieden. In unserem letzten Wahl-Spezial haben wir die Wahlprogramme der beiden Bundesländer bereits ausführlich analysiert. Nun wollen wir einen Blick auf die Ergebnisse werfen und einen ersten Ausblick darüber geben, welche Auswirkungen diese haben könnten.
Anmerkung der Redaktion: Redaktionsschluss für diesen Artikel war am 03.09 um 10.30 Uhr. Geringfügige Änderungen zu den endgültigen Wahlergebnissen sind daher möglich.
Die Wahlbeteiligung in Thüringen ist von 64,9 Prozent im Jahr 2019 auf 73,6 Prozent bei den diesjährigen Wahlen gestiegen. Nach dem vorläufigen Ergebnis liegt die AfD mit 32,8 Prozent deutlich in Führung. Damit ist die Partei erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft. Die CDU kommt nach Angaben des Landeswahlleiters auf 23,6 Prozent. Die Linke unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Ramelow hat ihren Stimmenanteil mit nur noch 13,1 Prozent mehr als halbiert. Die SPD kommt auf 6,1 Prozent, das BSW aus dem Stand auf 15,8 Prozent und die Grünen sind mit 3,2 Prozent nicht mehr im Landtag vertreten. Auch die FDP scheiterte mit 1,1 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und erhielt sogar weniger Stimmen als die Freien Wähler.
Die Wahlbeteiligung ist in Sachsen von 66,2 Prozent im Jahr 2019 auf 74,4 Prozent bei der aktuellen Wahl gestiegen. Die CDU erzielte mit 31,9 Prozent die meisten Stimmen. Die AfD erreicht nach Angaben des Landeswahlleiters 30,6 Prozent. Das BSW zieht mit 11,8 Prozent erstmals in den Landtag ein. Die Linke kommt auf 4,5 Prozent, ist aber aufgrund von zwei gewonnenen Direktmandaten weiterhin im Parlament vertreten.
Die Grünen erreichen 5,1 Prozent und die SPD 7,3 Prozent der Stimmen. Ein Direktmandat geht an den Spitzenkandidaten der Freien Wähler, Matthias Berger, den Oberbürgermeister von Grimma. Die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen verfehlt die erforderliche Mehrheit im Parlament und steht nun vor der Herausforderung, alternative Bündnisse zu schmieden oder in die Opposition zu gehen. Die FDP scheiterte mit 0,9 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und ist damit auch in Sachsen nicht mehr im Landtag vertreten.
Mit diesen Wahlergebnissen sind deutliche Verschiebungen in der politischen Landschaft Thüringens und Sachsens verbunden, die erhebliche Auswirkungen auf die künftige Regierungsbildung und die politische Ausrichtung in beiden Ländern haben werden. Die Erfolge der AfD vor allem in Thüringen und das Scheitern der bisherigen Koalition in Sachsen lassen offen, wie sich die neuen politischen Mehrheiten auf die Regierungsarbeit, die Stabilität und die Umsetzung politischer Vorhaben auswirken werden.
Die Landtagswahlen haben der AfD einen historischen Höchststand beschert, mit einem bisher unerreicht hohen Stimmenanteil für den extremen rechten Rand. Auch wenn die anderen Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen und somit eine Regierungsverantwortung äußerst unwahrscheinlich ist, wird die AfD insbesondere in Thüringen eine zentrale Rolle in der politischen Diskussion und Gestaltung einnehmen.
Zudem sind die Ampelparteien kaum noch vertreten. Die Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen, Markus Söder (CSU) und Boris Rhein (CDU), haben nach den Landtagswahlen die Ampelkoalition und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisiert. “Die Ampel hat nicht nur verloren, die Ampel ist eine rauchende Ruine”, sagte Söder. Er bezeichnete das Ergebnis der Landtagswahlen zudem als ein politisches Erdbeben: “Noch nie war eine Partei, die gesichert rechtsextrem ist, stärkste Kraft”. Söder betonte in diesem Zuge außerdem erneut seine Ambitionen für die Kanzlerkandidatur der Union.
Im Sächsischen Landtag, der insgesamt 120 Sitze umfasst, gestaltet sich die Mandatsverteilung folgendermaßen: Die CDU stellt 41 Abgeordnete, die AfD 40, das BSW 15, die SPD zehn, die Grünen sieben, die Linke sechs und die Freien Wähler einen Abgeordneten. Die Koalitionsfrage kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden. Die schwierige Regierungsbildung, für die Kretschmer und seine Partei nun vier Monate Zeit haben, stand am Montag im Mittelpunkt der Pressekonferenz der Parteien im Sächsischen Landtag. Sachsens Ministerpräsident, Michael Kretschmer, hält sich dazu jedoch noch bedeckt.
Erst am Montagmorgen wurde das Wahlergebnis in Sachsen korrigiert und die AfD verliert ihre Sperrminorität im Landtag. Die Partei verfügt über 40 Sitze und damit weniger als ein Drittel der Gesamtsitze. Die Landeswahlleitung teilte laut dpa mit, wegen eines Softwarefehlers sei zuvor eine falsche Sitzverteilung veröffentlicht worden. Hätte die AfD eine Sperrminorität, könnten bestimmte Landesgesetze, die eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten erfordern, nicht ohne die Zustimmung der Rechtsaußenparlamentarier:innen verabschiedet werden.
In diesem Kontext reagierten die Parteien auf die neuen Machtverhältnisse: AfD-Generalsekretär Jan Zwerg bot der CDU Gespräche an. “CDU und AfD zusammen wäre überaus stabil”, so Zwerg. Der Generalsekretär der CDU, Alexander Dierks, bestätigte jedoch am Montag, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sei. Der BSW-Landesvorsitzende Jörg Scheibe begrüßte das Wahlergebnis und signalisierte Gesprächsbereitschaft. Der sächsische SPD-Vorsitzende Henning Homann äußerte sich dagegen skeptisch zu Gesprächen mit dem BSW. Zusammengefasst: Es herrscht viel Unklarheit. Aber was bedeutet das für die Bildung?
Aus dem Wahlspezial in Sachsen geht hervor, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm einen besonderen Fokus auf die frühkindliche Bildung und die Weiterentwicklung des Schulsystems legt. Die CDU will die Schulen in Sachsen stärker mit der Arbeitswelt verknüpfen, die Berufsorientierung ausbauen und praktische Inhalte intensivieren, um Schüler:innen besser auf das Berufsleben vorzubereiten und die duale Ausbildung zu fördern.
Die AfD Sachsen hingegen plant eine umfassende Umgestaltung des Bildungssystems, setzt auf ein gegliedertes Schulsystem und will Förderschulen beibehalten, um Schüler:innen mit besonderem Förderbedarf separat zu fördern, statt sie inklusiv zu integrieren. Auch “politisch motivierte” Inhalte sollen aus dem Unterricht verbannt werden: Gendern soll verboten und der Islamunterricht abgeschafft werden. Stattdessen sollen traditionelle Familienwerte als zentraler Bestandteil des Unterrichts vermittelt werden, um ein laut der Partei “positives Familienbild” zu stärken.
Die Verteilung der insgesamt 88 Sitze im Thüringer Landtag gestaltet sich so: Die AfD stellt 32 Abgeordnete, die CDU 23, die BSW fünfzehn, die Linke zwölf und die SPD sechs Abgeordnete. Damit haben die AfD und CDU die meisten Sitze. Demnach stehen auch in Thüringen mangels machbarer Mehrheiten politisch herausfordernde Wochen und Monate bevor. In diesem Kontext warnt Jan-Martin Wiarda in seinem Artikel davor, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) aufgrund ihrer minimalen Reformen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt bleibt, was besonders angesichts des zunehmenden Einflusses der AfD in den neuen politischen Mehrheiten problematisch werden könnte.
Die CDU plant, das Wahlergebnis zunächst in internen Gremien zu analysieren und anschließend zu Gesprächen einzuladen. CDU-Generalsekretär Christian Herrgott erwartet dabei langwierige Verhandlungen. Im Gegensatz zu Sachsen besitzt die AfD eine Sperrminorität und kann dadurch wichtige Entscheidungen im Landtag blockieren.
Zwischenzeitlich gab es in Thüringen Hoffnungen auf eine Koalition aus CDU, BSW und SPD, doch am Ende gab es ein Patt im Landtag: 44 Sitze für die mögliche Dreierkoalition und 44 Sitze für die mögliche Opposition aus AfD und Linken. Ein möglicher Ausweg wäre nun ein Bündnis aus CDU, BSW und der Linken. Doch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt kann wegen eines Unvereinbarkeitsbeschlusses seiner Partei weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren. Während einige nun die Aufhebung dieses Beschlusses fordern, um mit der Linken koalieren zu können, hält Parteichef Merz weiter daran fest.
Angesichts der schwierigen Lage müsse die CDU überlegen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffne, erklärte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke gegenüber der dpa. Dies würde allerdings auch die Debatte über die Abgrenzung nach rechts zur AfD neu entfachen, so der Experte von der Ruhr-Universität Bochum. “Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen”, argumentiert Lembcke.
Mit Blick auf das Wahlspezial für Thüringen zeigt sich, dass sich die AfD bildungspolitisch auf die sinkende Leistungsbereitschaft der Schüler:innen, Unterrichtsausfälle und die geringen Deutschkenntnisse der Schüler:innen konzentrieren möchte. Zudem strebt sie politische Neutralität an. Diese will die AfD laut ihrem Landesvorsitzenden Björn Höcke unter anderem durch die Befreiung vom “Gender-Mainstream” erreichen.
Die CDU will vor allem den Lehrermangel bekämpfen. Geplant sind unter anderem eine Übernahmegarantie für angehende Lehrkräfte sowie eine Entlastung des pädagogischen Personals von bürokratischen Aufgaben. Zudem soll das Einstellungsverfahren für Quereinsteiger:innen erleichtert werden. Darüber hinaus soll die Digitalisierung an Thüringer Schulen durch Fortbildungsangebote für Lehrkräfte gefördert werden.
Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben die politischen Verhältnisse stark verändert. In beiden Ländern hat die AfD an Einfluss gewonnen, was vor allem in Thüringen zu möglichen Blockaden führen könnte. In der Bildungspolitik stehen wichtige Entscheidungen an, da die CDU auf Reformen zur Verbesserung der Schulen setzt, während die AfD einen konservativen Umbau anstrebt. Wie sich diese Ansätze durchsetzen werden, hängt von den anstehenden Koalitionsverhandlungen ab.