Ein Fünftel der Schüler:innen fühlen sich unsicher auf dem Schulweg. Neue Maßnahmen und innovative Konzepte sind gefragt (Quelle: Canva)
Bamberg. 450 ehrenamtliche Schülerlots:innen haben kürzlich eine Ehrung für ihre Tätigkeit zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erhalten. Solche Maßnahmen zur Erhöhung der Schulwegsicherheit sind wichtiger denn je, wie eine bundesweite Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes, des ökologischen Verkehrsclubs VCD und des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) belegt. Den Ergebnissen zufolge fühlt sich fast jedes fünfte Kind, nämlich 18 Prozent, auf dem Schulweg nicht sicher. In Städten mit über 100.000 Einwohner:innen erhöht sich dieser Anteil sogar auf 24 Prozent. Die Verbände betonen daher die Notwendigkeit, Schulwege sicherer zu gestalten.
Bei der Online-Befragung nahmen 3.218 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren über ein Access-Panel teil. Demnach fühlen sich knapp 56 Prozent der Kinder auf dem Nachhauseweg sicher, 25 Prozent sogar sehr sicher. Demgegenüber gaben 15 Prozent an, sich weniger sicher und 3 Prozent gar nicht sicher zu fühlen. Die Ergebnisse der Umfrage fließen als Teilaspekt in die Studie für den zweiten “Kinderrechte-Index” ein, der nächstes Jahr veröffentlicht wird. Der “Kinderrechte-Index” bewertet und analysiert die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in verschiedenen Lebensbereichen von Kindern sowie in den damit verbundenen Politikfeldern in den deutschen Bundesländern.
Für einen sicheren Schulweg muss die Infrastruktur verbessert werden. Dazu gehören eine konsequente Temporeduktion auf den Schulwegen und die Einführung von “Schulstraßen”, die zu den Hauptverkehrszeiten für Autos gesperrt werden. Darüber hinaus sollte das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Dabei ist es wichtig, sie durch begleitende Erwachsene oder Laufgemeinschaften zu unterstützen.
Laut dem Präsidenten der Landesverkehrswacht NRW, Klaus Voussem, ist es außerdem essentiell, den Schulweg bereits vor dem Schulstart zu üben. Dabei ist der kürzeste Weg nicht immer der sicherste: “Ein kleiner Umweg macht den Weg manchmal sicherer. Schlecht sind immer Straßen ohne Gehwege, unübersichtliche Kreuzungen und Übergänge oder Ausfahrten von Supermärkten”, so Voussem. Vor allem in der dunklen Jahreszeit sollten Kinder zudem helle und reflektierende Kleidung tragen, um gut erkennbar zu sein.
Weitere Maßnahmen zur Risikominimierung für Kinder im Straßenverkehr werden durch die Aktion “Sicherer Schulweg” in Baden-Württemberg zu jedem neuen Schuljahr vorgestellt. Dabei wird versucht, die Bevölkerung mit Straßenbannern und Plakaten zu sensibilisieren. Ergänzend dazu führt die Polizei gezielte Verkehrsüberwachungsmaßnahmen wie Geschwindigkeitskontrollen oder die Ahndung von Falschparkern auf Geh- und Radwegen entlang von Schulwegen durch.
Der Trugschluss: Die Kinder selbst mit dem Auto zur Schule zu bringen, sei die sichere Alternative. Für Sachsen-Anhalts Verkehrsministerin Lydia Hüskens sind die “Elterntaxis” sogar Teil des Problems. “Dann kann man durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, gerade aus Sorge um die Sicherheit des eigenen Kindes, die Sicherheit anderer Kinder riskieren”, warnt Hüskens. In NRW war die Gefährdungslage durch Elterntaxis sogar so groß, dass das Verkehrsministerium den Kommunen per Erlass erlaubte, Straßen vor Schulen zeitweise zu sperren. Kein Wunder: Zwischen 1990 und 2010 hat sich der Anteil der Elterntaxis in Deutschland fast verdreifacht.
Eine interessante Alternative des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) könnte der “BiciBus” sein. “Bici” ist das spanische Wort für Fahrrad. Der “Bus” steht für die Idee einer begleiteten, festen Route. Der Fahrradkonvoi, bestehend aus mehreren erwachsenen Begleiter:innen, schirmt die Kinder seitlich, vorne und hinten vom Autoverkehr ab und fährt zu festgelegten Zeiten an bestimmte Orte. Wie bei einem richtigen Bus gibt es also Haltestellen, an denen die Schüler:innen zu- oder aussteigen können. Die Standorte des “BiciBus” werden ständig erweitert und sind mittlerweile in 36 Städten verfügbar. Damit könnte eine Alternative geschaffen werden, um Kindern nicht nur einen sicheren, sondern auch einen umweltfreundlichen Schulweg zu bieten.
Der ADFC verlangt zudem eine frühere Radfahrausbildung für Kinder. Er verweist dabei auf Beobachtungen an Frankfurter Schulen, die zeigen, dass nur noch rund 60 Prozent der Schüler:innen sicher Rad fahren können und 30 Prozent durch die praktische Führerscheinprüfung fallen. Die Polizistin, Kathrin Bertelsen, die Fahrradprüfungen an Grundschulen durchführt, sieht mehrere Gründe für die hohe Durchfallquote: “Die Kinder sind weniger als früher mit dem Rad unterwegs, es wird mehr zu Hause gespielt. Kinder werden immer häufiger mit dem Auto transportiert, das Radeln wird mit den Eltern insgesamt weniger geübt. Das wirkt sich aus – manche trauen sich nicht Handzeichen zu geben, weil sie den Lenker immer mit beiden Händen festhalten”. Da immer mehr Kinder unsicher Fahrrad fahren, wendet sich der ADFC gegen das Fahrradverbot an einigen Grundschulen aufgrund des fehlenden Fahrradführerscheins und schlägt als Lösung den “BiciBus” vor. Da Kinder im geschlossenen Verband fahren dürfen, ermöglicht der schützende “BiciBus” auch jüngeren Kindern die Nutzung der Straße, die normalerweise erst ab einem Alter von acht Jahren erlaubt ist.
Die Umfrage zeigt deutlich, dass die Sicherheit auf dem Schulweg ein bedeutendes Thema ist. Innovative Konzepte wie der “BiciBus” bieten vielversprechende Ansätze, um Schulwege in Zukunft neu zu gestalten. Mit einer breiteren Umsetzung solcher Konzepte, einer verbesserten Infrastruktur und einer zunehmenden Sensibilisierung für das Thema könnte die Sicherheit auf dem Schulweg in Zukunft weiter erhöht werden, was langfristig zu einer stabilen und nachhaltigen Mobilität für Kinder führen würde.