Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, sollen in Hessen künftig auch Quereinsteiger mit nur einem Fach unterrichten. (Quelle: Canva)
Wiesbaden. In Hessen sollen Quereinsteiger:innen mit einem Universitätsabschluss künftig leichter den Weg in den Lehrer:innenberuf finden. Bisher war es für Quereinsteiger:innen Pflicht, zwei Fächer zu unterrichten. Diese Hürde entfällt nun: Wer einen Master-, Diplom- oder Magisterabschluss besitzt, kann künftig gemäß dem eigenen Studiengang und nach erfolgreichem Referendariat in nur einem Schulfach unterrichten. Dies soll den Berufszugang erheblich erleichtern und den Einstieg in eine Beamtenlaufbahn ermöglichen. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr im Landtag eingebracht werden.
Kultusminister Armin Schwarz (CDU) betont bei der Vorstellung der Reform zum Start des Schuljahres 2024/25 die Bedeutung dieses Schrittes: “Wir schaffen hier ein attraktives Berufsangebot für alle, die sich die gesellschaftlich wichtige Aufgabe in der Schule gut für sich vorstellen können, aber mit den bisher geforderten zwei Schulfächern nicht die entsprechenden Voraussetzungen erfüllten.” Neben Quereinsteiger:innen sollen auch ausländische Lehrkräfte mit einem Fachabschluss von der Reform profitieren.
Trotz der Anpassungen bleibt der Lehrkräftemangel auch in Hessen ein drängendes Problem. Laut Angaben des Bildungsministeriums arbeiten an den 1.810 öffentlichen Schulen in Hessen derzeit mehr als 65.000 Lehrkräfte – so viele wie noch nie zuvor. Allein zum neuen Schuljahr wurden 1.000 neue Lehrkräfte mit abgeschlossenem Referendariat eingestellt und 600 zusätzliche Stellen geschaffen. Doch trotz dieser Maßnahmen bleibt die Zahl der unbesetzten Stellen hoch. Im letzten Schuljahr lag die Zahl der unbesetzten Stellen bei rund 1.000. Besonders betroffen sind die Jahrgänge der Klassen 5 bis 10 an Gesamtschulen sowie die berufsbildenden Schulen.
Hinzu kommt, dass auch die Zahl der Schüler:innen in Hessen steigt. So erhöhte sich die Anzahl der Schüler:innen von 793.000 im vergangenen Schuljahr auf nun 810.000. Besonders stark zeigt sich dieser Anstieg bei den Erstklässler:innen, deren Zahl auf 60.400 kletterte. Ein Grund dafür ist die Zunahme junger Geflüchteter aus der Ukraine.
Die angekündigte Reform für Quereinsteiger:innen stößt auf unterschiedliche Reaktionen. Die Grünen im hessischen Landtag begrüßen zwar den erleichterten Zugang für Ein-Fach-Lehrkräfte, kritisieren jedoch Kürzungen finanzieller Mittel im Bildungsbereich scharf. Daniel May, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, bemängelt: “Dass die neue Landesregierung trotz der angespannten Lehrkräftesituation als eine ihrer ersten Amtshandlungen über 200 Lehrkräftestellen gestrichen hat, sendet das völlig falsche Signal.” Die geplanten Maßnahmen reichten nicht aus, um den Lehrkräftemangel wirksam zu bekämpfen. Die AfD hingegen kritisiert den vereinfachten Einstieg für Quereinsteiger:innen und spricht von einer “Entprofessionalisierung des Lehrerberufs”.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt davor, dass die zusätzlichen Lehrkräfte noch immer nicht ausreichen würden. “So wird es schwer, die wachsenden und vielfältigen Aufgaben zu bewältigen. Dazu zählen neben dem Unterricht: der Ausbau von Ganztagsangeboten, die Demokratiebildung, die Integration und Sprachförderung sowie die Medienkompetenz. Das hessische Bildungssystem ist nach wie vor auf Kante genäht“, kommentiert Thilo Hartmann, Vorsitzender der hessischen GEW.